SAP goes AI : Künftig steckt KI in jeder SAP-Anwendung: Bringt das Anwendern nur Vorteile?
Er betonte aber auch wie wichtig die Cloud für die Implementierung von KI-Funktionen ist. Sie sei praktisch die Voraussetzung für die Nutzung. Das liege auch daran, dass nur über die Cloud sichergestellt werden könne, dass die Kunden der schnellen Entwicklung folgen können und stets die aktuellen Tools und Innovationen nutzen können.
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Kern der KI-Offensive ist der SAP-Assistent Joule, der auf generativer KI basiert. Er ähnelt damit etwa dem bekannten Chat GPT und ähnlichen System, ist aber speziell auf die SAP Services abgestimmt. Joule soll dabei drei Hauptaufgaben übernehmen. Erstens soll der Assistent helfen gesuchte Funktionen zu finden. Zweite Aufgabe ist die Unterstützung bei der Erledigung von Aufgaben. Und schließlich soll Joule auch Dokumente nach bestimmten Informationen durchsuchen.
Joule soll die Nutzung von SAP vereinfachen
Joule ist nicht ganz neu. Es wurde bereits im letzten Herbst als Teil der SAP-SuccessFactors-Lösungen vorgestellt. Doch nun hat SAP eine ganze Reihe von Neuerungen in Aussicht gestellt. So wird Joule in Zukunft Teil aller SAP-Lösungen sein. Es kann auf Fragen der Nutzer eingehen und Lösungsvorschläge machen und bildet so eine Art neues Frontend, das die Nutzung der SAP-Tools deutlich vereinfachen soll. Die vollständige Integration braucht aber noch Zeit. So wird es bis Ende des Jahres dauern, bis Joule auch in der Einkaufs- und Beschaffungsplattform SAP Ariba und der Reporting-Plattform SAP Analytics Cloud zur Verfügung steht.
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Klein prophezeite, dass bis Ende des Jahres 80 Prozent der häufigsten Aufgaben von Joule gesteuert werden. Joule wird auch mit der hauseigenen Programmiersprache ABAP umgehen können, um dann etwa Code für bestimmte Ausgaben zu generieren. Dies wird das SAP Tool Build nicht ersetzen, aber ergänzen, und eine Alternative zu den bestehenden No-Code-Low-Code-Lösungen bieten. Die Programme fügen sich dabei nahtlos in die SAP Clean Core-Strategien ein, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Anpassungen und Modifikationen am Kern-ERP-System zu minimieren. Klein versprach, dass die Entwicklergemeinde mit dieser Funktion eine Zeitersparnis von 30 Prozent erreichen kann.
Für uns bricht eine neue Phase der KI an.Christian Klein, CEO SAP
Auch Nvidia unterstützt Joule
Speziell für diese Aufgabe hat SAP auch den KI-Spezialisten Nvidia mit ins Boot geholt, der die Infrastruktur für den Dienst bereitstellen und ihn auch betreiben und steuern soll. Zudem sollen Programmierschnittstellen in der Lösung SAP Intelligent Product Recommendation hin zur NVIDIA Omniverse Cloud die Simulationen von komplexen Fertigungsprodukten und die Erstellung digitaler Zwillinge ermöglichen.
Joule kann dabei auf eine Fülle von Large-Language-Modellen (LLM) zugreifen. So hat SAP im Zuge der Sapphire vertiefte Partnerschaften mit AWS und Microsoft verkündet. So soll etwa auch der Microsoft 365 Copilot über Joule nutzbar sein. Hinzukommen Google Gimini, Meta und auch das französische Produkt Mistral AI, das seine Dienste ausschließlich über europäische Servern anbietet. Die Kunden könne alle Modelle nutzen, um die Auswahl brauchen sie sich allerdings keine Gedanken zu machen. „Die übernehmen wir“, sagt Mohammad Alam, SAP-Vorstand und zuständig für die Produktentwicklung, am Rande der Sapphire in Barcelona im Gespräch mit dem Industriemagazin. „Wir sorgen dafür, dass das LLM zum jeweiligen Anwenderszenario passt. Und das passiert im Hintergrund.“
Ein wichtiges Thema für SAP ist das Vertrauen in die neue Technologie. So sichert das Unternehmen höchste Sicherheitsstandards zum Schutz sensibler Daten zu, einschließlich der DSGVO und verspricht, dass die Nutzer die vollständige Kontrolle über diese behalten. Sogar die UNESCO-Prinzipien für Ethik in der Künstlichen Intelligenz soll das System respektieren. Die KI soll sich in einer Weise entwickeln und genutzt werden, die die Menschenrechte respektiert, Fairness fördert und zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt.
Skepsis bei den Nutzern?
Allerdings: Noch ist nicht gesagt, dass SAP auch ihre Kunden in die schöne neue Welt der künstlichen Intelligenz folgen sollen. Immerhin gab es im letzten Jahr schon ein deutlich vernehmbares Murren in der Anwendergemeinschaft, als SAP verkündete, bestimmte Funktionen nur noch in der Cloud bereit stellen zu wollen. Das weiß auch Alam: „Es ist wichtig einen Use-Case zu haben, und zwar einen Use Case aus der täglichen Arbeitsumgebung des Kunden. Wenn Kunden nachdenken und eine andere App öffnen müssen, um KI nutzen zu können, dann werden sie sie möglicherweise nicht annehmen“ erklärt er.
Und er hält SAP für besonders dafür geeignet Kunden die Nutzung von KI schmackhaft zu machen, schließlich sei man im End-to-End-Geschäft. Und er führt ein Beispiel an: „Ein Beispiel: Jeder geht mal auf Dienstreise. Und dann gibt es Hotelrechnungen, die Sie auflisten und einreichen müssen. Ein mühsames Geschäft. Mit generativer KI können Sie das Dokument scannen und automatisch mit den Zahlen eine Formular füllen. Sie brauchen wirklich nichts mehr zu tun.“
Um den Einstieg zu erleichtern, hat SAP Walkme, einen Anbieter für Digital Adoption Platforms übernommen. WalkMe bietet den Benutzern Hilfe bei der Benutzung von Anwendungen, weist auf Neuerungen hin und kann auch für vielgenutzte Funktionen Abkürzungen vorschlagen, auch über mehrere Applikationen hinweg. WalkMe soll bei SAP den Bereich Business Transformation Management rund um die Tools Signavio und LeanIX stärken.
Wollen Out-of-the-Box implementieren.Philippe Moser, Director Business Application, Beyond Gravity
Funktionalität Out-of-the-Box
SAP entwickelt derzeit mit Partnern Anwendungen für die KI. Das Unternehmen verspricht die Funktionen direkt in die Geschäftsprozesse und Workflows einfließen zu lassen. So soll Joule etwa in der SAP Sustainability Footprint Management Lösung für mehr Genauigkeit und Geschwindigkeit bei der Berechnung des CO2-Fußabdrucks sorgen, im Supply Chain Management soll die KI Lieferkettenrisken aufspüren und bewerten. Auch solche Dinge wie eine Abschätzung von Reisekosten oder auch das Management von persönlichen Zielen soll die KI künftig übernehmen. „Wir haben bereits mehr als 50 Szenarien im Angebot, bis Ende des Jahres werden es 100 sein. Und die Kunden werden es nutzen können, ohne darüber nachzudenken“, sagt Alam.
Die Nutzung „Out-of-The box“ ist auch ein wichtiges Thema auch für Philippe Moser. Er ist Director Business Application beim Weltraumunterunternehmen Beyond Gravity. Die Schweizer fertigen Spezialteile, Nutzlastverkleidungen und Befestigungen für Satelliten in den Raketen und sind praktisch bei jedem dem Start der ESA oder der NASA beteiligt. Das Unternehmen hat 1800 Mitarbeitende und ist in sieben Ländern tätig. Derzeit arbeitet Beyond Gravity mit fünf ERP-Systemen, SAP Public Cloud ist das Core-ERP-System.
„ Mit unserer Business Transformation möchten wir erreichen, dass wir alle Länder, die komplette Beyond Gravity auf ein ERP-System bringen“, sagt Moser im Gespräch mit dem Industriemagazin. „ Wir haben ein gewisses SAP-Portfolio an Produkten und möchten erreichen, dass wir mit einem Hersteller das so hinbekommen, dass wir möglichst Out-of-the-Box implementieren können“. Der SAP-Cloud-Ansatz mit seinen Standard Business Prozessen helfe da, so der Schweizer.Der Weg in die Cloud ist für Beyond Gravity nicht einfach. Das Unternehmen muss regulierte Daten on-Prem speichern, technische Daten dürfen nicht ins ERP, Export-kontrollierte Daten nicht in die Cloud. „Bei uns ist Trade Compliance ein wichtiger Faktor und es wird streng überwacht, ob wir uns an die Regularien halten. Das zwingt uns an der einen oder anderen Stelle dann doch einen Schritt zu machen, den SAP nicht vorgesehen hat“, erzählt Moser.
Bisweilen sei es aber günstiger, die eigenen Prozesse an das SAP-System anzupassen. „Nehmen wir als Beispiel das Account Payable. Jedes Unternehmen muss Rechnungen zahlen, auch wir. Also warum sollen wir diesen Prozess besser designen können als SAP? Wir haben nicht die globalen Prozessexperten, das überlassen wir lieber SAP und anderen Partnern. Nur wenn zwingende Gründe vorliegen, weichen wir davon ab.“Ist Joule schon ein Thema? Moser verneint. Aber er hätte schon ein paar Ideen, wie er die neue Technik einsetzen könnte, etwa im Proposal oder im Reporting. Erste Ansätze gibt es schon, etwa im Central Invoice Management (CIM). „Aber das ist genau der Grund, warum wir uns für eine SaaS-Lösung entschieden haben“, erklärt Moser. „Wir wollen Innovationen laufend mitnehmen, wir wollen das nicht alles selber entwickeln.“ Ob so eine KI wirklich vertrauenswürdig ist? Moser ist skeptisch. „Man ist nie so ganz sicher, wie gut diese KI ist, wie stark man ihr vertrauen kann. Da gibt es starke Vorbehalte. Ich persönlich glaube nicht, dass jemand der KI so vertrauen wird, dass es einfach durchläuft“.
In einem ERP-Kontext mit diesen alten, verkrusteten Systemen, die so schwer upzugraden sind, ist es sehr schwer, KI zum Durchbruch zu verhelfen.Eric van Rossum, Chief Marketing Officer Cloud ERP, SAP
Ohne Clean Core, keine KI
Tatsache ist: Unternehmen müssen ihre Hausübungen machen, bevor sie KI nutzen können. Im Falle von SAP gehört hier der Move in die Cloud dazu, auch in Sachen ERP. Und die Vorrausetzung hierfür wiederum ist laut Eric van Rossum, Chief Marketing Officer Cloud ERP bei SAP, auch das bereits zitierte Clean Core. „Es ist für mich die wichtigste Botschaft dieser Veranstaltung. Es gilt das ERP in ein Setting zu bringen, in dem man sich an Standard-Prozesse hält, Erweiterungen in der richtigen Art und Weise durchführt und die richtigen Integrationen macht. Nur dann sind Sie bereit für Innovationen“, sagte er in einem Gespräch mit dem Industriemagazin. Er hofft das die Einführung der KI diesen Prozess noch beschleunigt. Aber auch van Rossum weiß um die Schwierigkeiten. „KI mag eine der wichtigsten Technologien der letzten Jahre sein, aber in einem ERP-Kontext mit diesen alten, verkrusteten Systemen, die so schwer upzugraden sind, ist es sehr schwer, KI zum Durchbruch zu verhelfen.“
Hinzukommt das OT-Mitarbeitende oft sehr konservativ sind. Schließlich geht es hier um das Core-Business. Hier gilt oft der Spruch: Never change a running system. Van Rossum glaubt deshalb auch, dass sich der ERP-Mindset ändern muss. Junge Unternehmen täten sich da leichter: „Bei kleinen Unternehmen gibt es schon diesen Cloud-Gedanken, sie brauchen die alte Denkweise nicht zu verlernen. Zudem sind die Abteilungen kleiner, die Diskussionen über die Innovationen sind nicht so langwierig.“