Elektroautos : Tesla: Sechs-Tage-Wochen und schreiende Chefs

Ein brüllender Chef, Überstunden bis zum Abwinken und als Arbeitsplatz ein riesiges Zelt auf einem Parkplatz: Angestellte des Elektroauto-Pioniers Tesla mussten in den letzten Wochen einiges in Kauf nehmen, um nach vielen Pannen das Ziel zu erreichen, in einer Woche 5.000 Fahrzeuge des Hoffnungsträgers Model 3 zu produzieren. Wochenendschichten waren dabei Pflicht.

Nerven der Manager liegen blank

"Die Manager und Leiter gehen herum und sagen, 'wenn Du nicht kommst, wirst Du aufgeschrieben'", berichtete ein Arbeiter von den Zuständen in der vergangenen Woche. Nach einer Reihe verpasster Deadlines lagen die Nerven in den letzten Juni-Tagen bei Tesla-Chef Elon Musk offenbar besonders blank. Setzte die Fertigung wegen technischer Probleme einmal aus, habe Musk, der zum Teil sogar selbst in der Fabrik übernachtete, seine Ingenieure regelrecht angeschnauzt, sagte ein weiterer Arbeiter.

Alle Mann zum Model 3

Was in der Auto-Industrie oft mit jahrelangen Planungszeiten verbunden ist, stampfte Musk in kürzester Zeit aus dem Boden: In nur zwei Wochen errichtete der Konzern vor den Toren seiner Fabrik in Kalifornien eine neue Montagelinie in einem riesigen Zelt. Jeder fünfte Model 3 Wagen lief in der letzten Woche dort vom Band.

Arbeiter wurden von anderen Baureihen abgezogen, um die ursprünglich schon für Dezember 2017 angepeilte Marke beim Model 3 endlich zu erreichen. "Sie haben den ganzen Tag Leute aus unserem Bereich ausgeliehen, um ihre Auszeiten abzudecken und die Linie am Laufen zu halten", sagte ein Arbeiter aus der Model-S-Fertigung. Auch bei der Lackierung hätten teurere Model-S-Wagen zuletzt hinten anstehen und Model-3-Fahrzeugen den Vortritt lassen müssen. "Die Lackierabteilung konnte die Menge nicht mehr bewältigen."

Konsequenzen blieben nicht aus: Zwar verließ am Sonntag um 5.00 Uhr früh nur wenige Stunden nach Ende des zweiten Quartals der 5.000. Model-3-Wagen binnen sieben Tagen die letzte Qualitätskontrolle, doch die Zahl der von Tesla insgesamt ausgelieferten Fahrzeuge blieb mit 40.740 im zweiten Quartal recht deutlich hinter den Erwartungen zurück. Im Schnitt hatten Experten mit 49.000 produzierten Fahrzeugen gerechnet.

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Ende der Schicht heißt nicht Ende der Arbeit

Den Fließbandarbeitern blieb nicht viel Zeit zum Durchschnaufen, als in den frühen Morgenstunden die Zahl 5.000 auf einem Bildschirm in der Produktionshalle aufleuchtete. Schon Ende nächsten Monats soll die wöchentliche Rate der Model-3-Baureihe auf 6.000 Fahrzeuge nach oben geschraubt werden, kündigte Tesla an.

Den Arbeitern sei gesagt worden, sie sollten erst aufhören, wenn das tägliche Produktionsziel erreicht sei, nicht, wenn ihre Schicht ende, sagte ein Angestellter. "Sie sagten, seid ab morgen bereit, bis zu zwölf Stunden zu arbeiten", fügte er hinzu. "Von jetzt an werden es grundsätzlich zwölf Stunden sein und ich habe das Gefühl, das wird sechs Tage die Woche gelten."

Produktion im Zelt - wie in einem Entwicklungsland

Zwar schrieb der Chef in einer E-Mail an seine Belegschaft, "ich denke, wir sind jetzt ein echtes Autounternehmen geworden". Doch Analysten sind wenig überzeugt von der Nachhaltigkeit des Erfolgs. Die Rate von wöchentlich 5.000 könne kurzfristig kaum beibehalten werden, befürchten etwa die Experten von Evercore ISI.

Zudem beunruhigt sie die Fertigung "im Zelt". So eine Anlage sei eher beim Start in einem Schwellenland oder in Krisenzeiten zu erwarten. "Den wenigen Fotos, die es gibt, nach zu urteilen, sieht die Produktion nicht nach dem Neuesten vom Neuesten aus, weder modern noch unserer Meinung nach effizient." Das entspräche so gar nicht dem Anspruch von Tesla, ein fortschrittliches Technologie-Unternehmen zu sein.

(von Alexandria Sage und Salvador Rodriguez, Reuters/APA/red)

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