Standorte : Syngroup setzt auf Großbritannien - trotz Brexit

Österreichs größter Industrieberater sieht gute Chancen auf dem britischen Markt - trotz des Votums der Bevölkerung für einen Brexit. Zwar ist der Anteil der Industrie an der Wertschöpfung im Vereinigten Königreich in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken und beträgt heute laut Eurostat 13,3 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich liegt dieser Wert bei 21,9 und in Deutschland bei 25,9 Prozent.

Trotzdem sei Großbritannien einer der größten Industriemärkte in Europa, sagt Heinz Marx, Geschäftsführer und Mitgründer von Syngroup. Entscheidend ist Marx zufolge noch ein zweiter Punkt: "Für kontinentaleuropäische Unternehmen ist Großbritannien das 'Tor nach Amerika.'"

Wichtiger Industriemarkt und "Tor nach Amerika"

Den ersten Schritt über den Ärmelkanal hat Syngroup bereits 2010 mit einem Vertriebsbüro vor Ort getan. Jetzt weitet der Industrieberater seine Aktivitäten mit der Gründung einer eigenen Tochtergesesellschaft in Milton Keynes in Mittelengland aus.

"Wir haben uns schon lange vor dem Brexit dazu entschlossen, weil wir gesehen haben, dass die Briten in geschäftlichen Beziehungen nicht nur die eigene Sprache und ein gewisses Verständnis für Humor erwarten, sondern auch eine geschäftliche Adresse im Land. Und weil die Verbindungen zwischen Großbritannien und den USA so eng sind, haben auch amerikanische Unternehmen ein viel entspannteres Verhältnis zu Geschäftspartnern, wenn diese in Großbritannien ansässig sind", sagt Syngroup-Manager Walter Woitsch, der zusammen mit der Niederösterreicherin Susanna Mitterer die Leitung der britischen Tochtergesellschaft übernommen hat.

Ein "soft landing" nach dem Brexit erwartet

Der Gründung ging eine ausführliche Sondierung unterschiedlicher Märkte voraus. Die Entscheidung für eine Neugründung in Großbritannien erklärt Marx so: "Der Osten war ab 2010 kein Thema mehr. Zugleich boten große Industrienationen wie Frankreich oder Italien und Spanien keine attraktiven Wachstumsperspektiven für ein österreichisches Beratungsunternehmen."

Die Abstimmung der britischen Bevölkerungsmehrheit gegen eine Mitgliedschaft in der EU ist zwar für alle ausländischen Unternehmen, die dort einen eigenen Standort betreiben, ein Rückschlag – doch mit allzu dramatischen Auswirkungen auf die Wirtschaft rechnen die Manager von Syngroup nicht. "Es sind natürlich Tendenzen der Renationalisierung zu erwarten, viele Unternehmen werden wohl nach Großbritannien zurückgehen. Gleichzeitig sehen wir auch wieder starke Tendenzen, sich auf die klassischen Industrien zu besinnen und die Unternehmen dieses Bereichs präferierter zu behandeln. Aber alles in allem erwarte ich ein 'soft landing'", meint dazu Walter Woitsch.

Berater: Höhere Erträge trotz Nullwachstums sind möglich

Der Optimismus kommt von dem Stand im Markt, den sich Syngroup seit der Gründung vor 21 Jahren schrittweise aufgebaut hat. Gestartet sind die Berater mit Services rund um die Prozessoptimierung in der Prozessindustrie und der Verpackungsindustrie. "Auch heute arbeiten wir sehr nah am Shopfloor, in einer sehr handwerklichen Art", sagt Woitsch. Inzwischen kommen in Österreich die Kunden aus so unterschiedlichen Branchen wie Kunststoffe, Anlagenbau, Automotive oder Pharma. Viele von ihnen haben bis zu 200 Mitarbeiter, aber es sind auch Konzerne mit bis zu 12.000 Mitarbeitern dabei.

Das Geschehen in der österreichischen Industrie wird auch mittelfristig eine Bewegung "rund um den Nullpunkt" prägen, so die Prognose der Industrieberater. "Das bedeutet, dass steigende Erträge nur zu erzielen sind, wenn die Effizienz gesteigert wird", sagt Geschäftsführer Heinz Marx. Und das sei entlang der gesamten Wertschöpfungskette möglich – vom Einkauf über die Herstellung und den Vertrieb bis hin zur Administration. Mit Dienstleistungen genau in diesem Bereich will Syngroup auch weiterhin um Kunden hierzulande werben – und verweist auf Erfahrungen aus mehr als 50 Projektinitiativen an europäischen Standorten allein im laufenden Jahr.

Außerhalb von Österreich ist das Unternehmen sehr international aufgestellt. Die Berater zählen etwa 700 Projekte in mehr als 30 Ländern zum Portfolio. Im wichtigen deutschen Markt hat Syngroup etwa im Vorjahr die Firma Bayern Consult übernommen, die auf Restrukturierungen von mittelständischen Betrieben spezialisiert ist und unter anderem als Partner des bayerischen Sparkassensektors auftritt.

Finanzfirmen gehören zu wichtigsten Auftraggebern

Neben Industrieunternehmen sind im Lauf der Jahre angelsächsische Finanzfirmen zu den wichtigsten Auftraggebern von Syngroup geworden. Die Berater aus Wien haben im Markt gezeigt, dass sie etwas von industriellen Prozessen verstehen – während den Private Equities, die bestens über Finanzfragen Bescheid wissen, genau diese Expertise fehlt.

Heute bilden Industriebeteiligungen von Private Equity-Firmen den wichtigsten Schwerpunkt in der Arbeit des Wiener Beratungsunternehmens, und das ist auch ein zentraler Aspekt bei der Neugründung der Tochtergesellschaft in Großbritannien. Denn viele der Finanzfirmen haben entweder ihren Sitz in Großbritannien, oder sie agieren mit einem Eigentümer in den USA von einem britischen Büro aus.

Wert der Beteiligung erhöhen – bis zum Exit

Syngroup nutzt hier ihre Kenntnisse der Industriesparten, um für die Private Equities passende Firmen auszuwählen, eine operative Prüfung durchzuführen und dann das bestehende Portfolio zu optimieren. Dabei kommt es darauf an, nach dem Einstieg in einem Industriebetrieb über Restrukturierungen, Schließungen und Neugründungen von Standorten eine "value creation" zu betreiben und so innerhalb einer gewissen Zeit einen möglichst lukrativen Weiterverkauf der Beteiligung vorzubereiten.

"Das ist ein sehr sensibles Feld. Als Berater stehen wir zwischen dem Betrieb und dem Eigentümer. Wir müssen sehr genau nach allen Seiten hin kommunizieren", sagt Walter Woitsch. Die Größe von Syngroup sei dabei ein Vorteil, so der Manager: Mit 80 Mitarbeitern groß genug, um weltweit agieren zu können, und gleichzeitig klein genug, um auf lokale Gegebenheiten eingehen zu können. "Aber am Ende geht es darum, die Resultate auf den Boden zu bringen", so Woitsch. (pm)