Stahlindustrie : Stahlsparte von Thyssenkrupp: Neuer Chef und tausende Kündigungen

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© Peter Martens

Nach dem gescheiterten Joint Venture mit Tata Steel bekommen die 27.000 Beschäftigten der Stahlsparte von Thyssenkrupp einen neuen Chef. Der bisherige Finanzchef Premal Desai übernehme zusätzlich das Amt des Vorstandschefs der Sparte von Andreas Goss, teilte der deutsche Konzern mit.

Aus für Stahlboss Andreas Goss

Goss hätte das Gemeinschaftsunternehmen mit Tata Steel führen sollen, das die Konzerne jedoch nach dem Widerstand der EU-Wettbewerbshüter im Mai abgeblasen hatte. Konzernchef Guido Kerkhoff hatte danach angekündigt, die Stahlsparte ohne Joint Venture-Partner zu restrukturieren.

Neben Goss (55) geht auch Stahlvorstand Heribert Fischer (57) von Bord, neu hinzu kommt als Chief Operating Officer der bisherige Stahl-Vertriebschef Bernhard Osburg (50). Der Vorstand wird auf vier statt bislang fünf Mitglieder verkleinert. Aktuell dazu: Andreas Goss sollte Chef von Thyssenkrupp Tata werden - jetzt muss er gehen >>

Dabei setzt Kerkhoff nun auf Desai, der seit 2015 die Kasse des größten deutschen Stahlherstellers Thyssenkrupp Steel Europe kontrolliert. Es gebe viel zu tun, kündigte der 50-Jährige an. "Das Marktumfeld ist nicht einfach, aber wir sind in einer starken Position und haben viel Potential. Darauf werden wir aufbauen."

Kerkhoffs will den Konzern schlanker aufstellen. Goss war 2012 von Siemens zu Thyssenkrupp gewechselt und hatte dort in den vergangenen Jahren die Stahlsparte auf Vordermann gebracht, ehe sie zuletzt wieder deutlich abrutschte. Im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2018/19 (per Ende September) war das operative Ergebnis auf 76 Millionen Euro eingebrochen nach 359 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.

Her wirkten sich Einbußen durch die Lieferausfälle im Zuge des Rheinhochwassers ebenso aus wie der Preisdruck und die schwächelnde Nachfrage der Automobilindustrie. Die Schwerindustrie um Weltmarktführer ArcelorMittal kämpft zudem seit Jahren mit Überkapazitäten und Billigimporten aus Fernost.

Neue Strategie:

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"Unser Stahlgeschäft steht vor großen Herausforderungen, betonte Konzernchef Kerkhoff. Wir haben jetzt ein schlagkräftiges Team zusammengestellt, das die anstehenden Aufgaben zügig angeht und nach der Absage des Joint Ventures eine zukunftsfähige Strategie für den Stahl entwickeln wird." Kerkhoff will - wie auch im Fall des Joint Venture geplant - rund 2000 Stellen in der Stahlsparte abbauen.

6.000 Arbeitsplätze sollen weg

Auch um die gut organisierte Arbeitnehmerschaft zu beruhigen, hat er den Stahlkochern bis Ende des Jahres eine Beschäftigungs- und Standortgarantie gegeben. Kerkhoff steht unter Druck, den seit Jahren kriselnden Traditionskonzern mit rund 160.000 Mitarbeitern in die Spur zu bringen. Er will die lukrative Aufzugssparte teilweise an die Börse bringen. für andere Geschäfte Partner ins Boot holen, die Kosten senken und insgesamt 6000 Jobs streichen.

Vorbild Siemens

In den neuen Plänen des Konzernchefs Kerkhoff ist eine Strategie erkennbar, wie sie bereits Siemens unter seinem Chef Joe Kaeser seit Jahren verfolgt: Auf Druck der Finanzmärkte und von aktivistischen Investoren baut sich der riesige, traditionsreiche Industriebetrieb in selbstständigere Gesellschaften um, was nebenbei auch einen möglichen Verkauf oder eine Abspaltung deutlich erleichtert.

Inzwischen gibt es bei Siemens drei "Operating Companies", die weiter zu Siemens gehören, sowie drei "Strategic Companies", die eigenständige Aktiengesellschaften sind oder solche werden sollen. Nur in den "Operating Companies" kann der Konzernvorstand "durchregieren", ohne den Umweg über den Aufsichtsrat zu gehen.

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(reuters/apa/red)

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