Gigaliner : Lang-LKW: Weg aus der Fahrerkrise?

Herr Mihailovic ist Ende 50 und seit über 30 Jahren LKW-Fahrer. Daheim ist er, wenn es hoch hergeht, fünf bis sieben Tage pro Monat. Den Rest der Zeit ist er auf Achse, meistens fährt er den gleichen Rundlauf. Fernstrecke. Im Vormonat hat er seinen Antrag auf Frühpensionierung gestellt: massive Probleme mit dem Kreuz. Er will für monatlich 2300 Euro brutto nicht mehr 70 bis 80 Stunden die Woche arbeiten, sagt er. Früher hätte ihm sein Job noch Spaß gemacht, aber das ist längst vorbei: „Ich habe meine Arbeitsmoral meiner Entlohnung angepasst.“

Der gebürtige Steyrer, der für eine Vorarlberger Spedition fährt, ist in der Branche kein Einzelfall. Der durchschnittliche LKW-Fahrer ist jenseits der 50, in vielen Fällen gesundheitlich angeschlagen und gering bezahlt. Im Job bleibt er, wie Mihailovic, oftmals nur noch aus Loyalität zu seinem Arbeitgeber. Denn der findet keinen Ersatz für ihn.

8000 Fahrer fehlen

In keinem anderen Bereich der Logistik werden Unternehmen so schonungslos ihre Grenzen aufgezeigt wie beim Transport. Längst schon schlagen die Lobbyverbände Alarm, EU-weit fehlen LKW-Fahrer. „Rund 8000 werden es in den nächsten Jahren in Österreich sein“, sagt Alexander Klacska, Bundesspartenobmann Transport und Verkehr in der WKO. Jahr für Jahr gehen mehr als doppelt so viele LKW-Fahrer in Pension wie neue dazukommen. Knapp 120.000 Beschäftigte zählt die Branche aktuell, warum man sich mit dem Nachwuchs so schwer tut, ist kein großes Geheimnis: Keine Aufstiegsmöglichkeiten, sozial unverträgliche Arbeitszeiten, schlechtes Image, miese Bezahlung. Evident wird das Problem in Zeiten der Hochkonjunktur. „Die Wirtschaft springt an, die Verkehrsleistung steigt. Die Branche hat in den vergangenen, schlechteren Jahren Fahrer abgebaut. Das rächt sich jetzt“, sagt Franz Schwammenhöfer, Logistikbeauftragter im Verkehrsministerium.

Gigaliner statt Mangelberufsliste?

Als Mangelberuf gilt LKW-Fahrer in Österreich trotzdem nicht. „Bevor wir in Richtung Mangelberufsliste gehen, sollten wir das Berufsbild aufwerten und eine zeitgemäße Ausbildung schaffen, sagt Klacska. Einen brauchbaren Lösungsansatz, wie das in der Praxis umgesetzt werden soll, gibt es keinen. Dafür eine neue Idee, den Engpass zu entschärfen: Gigaliner, so ist man in der Branche überzeugt, könnten einen Ausweg aus dem Fahrermangel weisen. Nach ersten Feldversuchen in Deutschland hat der Nachbar Anfang dieses Jahres große Teile des Straßennetzes für Lang-LKW, so lautet die gebräuchlichere Bezeichnung für einen längeren Lastzug, freigegeben. Konkret sind es 11.600 Streckenkilometer, 70 Prozent davon Autobahnen. Lang-LKW sind Lastwagen, die bei gleichbleibender Maximallast von 40 Tonnen bis zu 25,25 Meter lang sind, also sechseinhalb Meter mehr als bisherige Fahrzeuge.

Vorbei mit Diskussionskultur?

„Drei konventionelle LKW könnten durch zwei Lang-LKW ersetzt werden. Das würde uns natürlich auch bei unserem Fahrerproblem weiterhelfen“, sagt Peter- Michael Tropper, Geschäftsführer des Fachverbands Güterbeförderungsgewerbe in der WKO. Tropper plädiert dafür, dass man „eine derartige Lösung zumindest in Erwägung zieht und nicht gleich reflexartig ,Nein‘ schreit“. Die Hoffnung auf eine „vernünftige Debatte“ hat er allerdings aufgegeben: „Wir verhandeln laufend über Abmessungen, Gewichtung und Sonstiges, aber sobald der Lang-LKW ein Thema wird, ist es vorbei mit der Diskussionskultur.“

Sachlicher Dialog?

Der ständige Wechsel an der Spitze des Verkehrsministeriums macht es der Branche zusätzlich schwer: „Jeder Minister setzt andere Prioritäten. Der forcierte Ausbau der rollenden Landstraße hat uns im Jahr 2011/12 mehr als 300.000 LKW auf der Schiene beschert“, sagt Michael Tropper. „Dann haben die ÖBB sukzessive die wichtigen Verbindungen eingestellt, im Verkehrsministerium wurde anderes wichtiger und jetzt stehen wir vor dem Problem, dass wir nur noch knapp 150.000 LKW auf der rollenden Landstraße haben.“ Wegen jahrelanger, hausgemachter Versäumnisse aus Angst vor möglicher Konkurrenz jetzt den Lang-LKW verbieten zu wollen, sei jedenfalls keine Lösung.

Auch Troppers WKO-Kollege Klacska hofft auf einen „sachlichen Dialog“ mit dem neuen Verkehrsminister Norbert Hofer: „Mein fünfter Minister in sieben Jahren als Bundesspartenobmann.“ Dass die Zulassung von Lang-LKW viel Druck aus der Branche nehmen würde, steht für ihn außer Frage. „Wir brauchen keine 60- bis 80-Tonner, wie in Australien oder den skandinavischen Ländern. Wir brauchen Wege, um das gestiegene Verkehrsaufkommen trotz Fahrermangel bewältigen zu können“, sagt Klacska. Sein Antrittsgespräch bei Hofer findet demnächst statt, noch ist der Interessensvertreter zuversichtlich, mit seinen Anliegen auf Verständnis zu stoßen.

Bis dahin sollte Klacska wohl besser nicht lesen, was der Cheflogistiker im Verkehrsministerium dazu zu sagen hat. „Seite 150, Regierungsprogramm: Keine Gigaliner auf Österreichs Straßen“, so Schwammenhöfer trocken. Offizielle Begründung: Österreichs Verkehrsteilnehmer würden nicht mit so langen Fahrzeugen rechnen und zahlreiche Brückenkonstruktionen könnten der Wucht der Gigaliner unter Umständen nicht standhalten.

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