Impfstoffe : Impfstoffe: Wie Konkurrenten jetzt kooperieren

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Vertreter der Pharmabranche beraten unter der Schirmherrschaft der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Wege für eine deutliche Produktionssteigerung bei den Corona-Impfstoffen. Angesichts der massiven weltweiten Nachfrage hat sich bereits einiges getan. So gehen immer mehr Pharmaunternehmen, die eigentlich Konkurrenten sind, Kooperationen bei der Produktion von Coronavakzinen ein.

1. Wer hilft wem?

Die Coronakrise hat schon früh etwas in Bewegung gebracht, was bisher kaum denkbar schien. So besiegelten der französische Pharmariese Sanofi und sein britischer Konkurrent GlaxoSmithKline (GSK) bereits im April 2020 eine beispiellose Partnerschaft, um gemeinsam einen Corona-Impfstoff zu entwickeln. Laut der Vereinbarung liefert Sanofi den Wirkstoff und GSK das Adjuvans, also einen Hilfsstoff, der die Wirkung des Wirkstoffs verstärkt. Ihr Impfstoff ist aber immer noch in der Testphase.

Wegen der Verzögerung und unter dem Druck der Politik hat Sanofi Anfang dieses Jahres angekündigt, eines seiner Werke in Deutschland zur Verfügung zu stellen, um dort ab dem Sommer den schon Ende 2020 zugelassenen Corona-Impfstoff der deutschen Firma BioNTech und ihres US-Partners Pfizer zu produzieren. Außerdem ging Sanofi eine Partnerschaft mit dem US-Unternehmen Johnson & Johnson ein, um dessen Coronavakzin in Europa herzustellen.

Die deutsche Biotechnologie-Firma CureVac hat sich für die Produktion ihres noch nicht zugelassenen Corona-Impfstoffs mit GSK zusammengetan, wird aber auch vom deutschen Chemieriesen Bayer und dem Schweizer Pharmakonzern Novartis unterstützt. Letzterer wird außerdem BioNTech/Pfizer bei der Produktion helfen.

Auf der anderen Seite des Atlantiks hat der US-Pharmariese Merck unlängst angekündigt, dass er sich an der Produktion des Impfstoffs von Johnson & Johnson beteilige. "Das ist die Art von Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, wie wir sie während des Zweiten Weltkriegs erlebt haben", lobte US-Präsident Joe Biden die Kooperation der Konkurrenten.

Der britisch-schwedische Konzern AstraZeneca kündigte im Februar eine Kooperation mit dem deutschen Unternehmen IDT Biologika in Dessau-Roßlau an. Ab dem zweiten Quartal 2021 soll so die Impfstoff-Produktion für Abnehmer in Europa hochgefahren werden. IDT Biologika kooperiert außerdem mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung, das an einem Vektorvirenimpfstoff gegen Covid-19 arbeitet.

2. Wer macht was?

Die Rollen sind unterschiedlich verteilt. Die Unternehmen, die erfolgreiche Impfstoffe entwickelt haben wie BioNTech/Pfizer, behalten die Oberhand bei der Produktion der eigentlichen Wirkstoffe. Merck, Novartis und Sanofi kommen erst später ins Spiel bei der Mischung der Wirkstoffe mit den Adjuvantien und der Abfüllung der Impfstoffe.

Diese Arbeitsschritte erfordern weniger Kompetenzen als die Herstellung der Vakzin-Wirkstoffe. Allerdings gibt es große technische Herausforderungen, insbesondere bei Vakzinen auf Grundlage der mRNA-Technologie wie das Mittel von BioNTech. Hier sind bei der Herstellung extrem niedrige Temperaturen erforderlich.

Sanofi hat für die Herstellung des BioNTech-Impfstoffs sein Werk in Frankfurt am Main ausgewählt, das nicht weit vom Mainzer BioNTech-Sitz und dem neuen BioNTech-Werk in Marburg entfernt ist.

CureVac arbeitet direkt mit GSK bei der Entwicklung seines Impfstoffs zusammen, aber nur indirekt mit Novartis und Bayer. Novartis soll nach einer Zulassung den Vakzin-Wirkstoff in großem Stil produzieren, Bayer unterstützt in unterschiedlichen Produktionsphasen bei den Lieferketten und Regulierungsfragen.

3. Warum gibt es diese Allianzen?

Für die ungewöhnlichen Kooperationen zwischen Konkurrenten gibt es verschiedene Gründe. Sanofi überbrückt damit die Zeit, bis seine eigenen Corona-Impfstoffe in die Produktion gehen können. Bei den beiden Sanofi-Corona-Vakzinen wird dies frühestens Ende 2021 beziehungsweise Anfang 2022 der Fall sein.

Merck hat seine Forschung an eigenen Corona-Impfstoffen abgebrochen, darunter ein Projekt mit dem Pariser Pasteur-Institut, weil die Ergebnisse nicht vielversprechend genug waren. Bayer und Novartis haben hingegen gar nicht erst in die Forschung an einem Corona-Impfstoff investiert, weil sie darin schlicht keine Spezialisten sind. Novartis hatte seine Sparte für die Impfstoffentwicklung vor einigen Jahren verkauft.

(von Julien Dury, AFP/APA/red)