Energie : Hintergrund: Plötzlich will auch Berlin bei Drei-Meere-Initiative mitmachen

"Ich glaube, es ist auch innerhalb der Europäischen Union ein wichtiges Signal, dass ein Land wie Deutschland nicht nur nach Westen schaut, sondern vor allen Dingen auch unsere osteuropäischen Nachbarn auch über die Europäische Union hinaus in den Blick nimmt", sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas beim dritten Gipfeltreffen der Staatengruppe in Bukarest. "Das ist das, was wir als eine neue Ostpolitik bezeichnen."

Die 2015 von Polen und Kroatien ins Leben gerufene Gruppe, die Staaten zwischen den drei Meeren Ostsee, Adria und Schwarzes Meer vereint, galt bisher als zentral-osteuropäisches Gegengewicht zur westlichen Achse Paris-Berlin. Die zwölf Staaten von Estland bis Bulgarien wollen unter anderem ihre Interessen bei Infrastrukturprojekten und bei der Energieversorgung durchsetzen.

Mit Maas nahm in Bukarest auf Einladung der rumänischen Gastgeber erstmals ein Vertreter der deutschen Regierung an einem Drei-Meere-Gipfel teil. Der Außenminister strebt nun sogar eine dauerhafte Mitgliedschaft Deutschlands an. "Wir wollen dieses Forum nutzen, auch in Zukunft, um uns stärker einzubringen bei den Diskussionen, die unsere osteuropäischen Nachbarn führen", sagte er. Deutschland wolle eine "aktive Rolle" in dem Forum spielen.

Der rumänische Staatspräsident Klaus Johannis (Iohannis), Angehöriger der deutschen Volksgruppe in Rumänien, hatte Maas nach Bukarest eingeladen und unterstützte ebenso wie der ebenfalls anwesende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine dauerhafte Teilnahme Deutschlands an den Treffen. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki erwähnte Deutschland dagegen in seiner Rede mit keinem Wort. Der Aufnahme eines Landes in die Gruppe müssen alle Mitglieder zustimmen. Ungarn war bei dem Treffen nur durch seinen Botschafter vertreten, der ungarische Staatspräsident Janos Ader sagte die Reise nach Bukarest wegen eines Schadens an seinem Flugzeug kurzfristig ab. Die Regierungen Polens und Ungarns sind heftige Kritiker der EU, sie schreiben Deutschland den entscheidenden Einfluss auf die EU-Institutionen zu. Wegen der Politik ihrer rechtskonservativen Regierungen laufen EU-Rechtsstaatsverfahren gegen sie.

Die zwölf Länder der Drei Meere-Initiative umfassen ein Drittel der Gesamtfläche der EU und stellen gut ein Fünftel der Bevölkerung. Maas sagte, Deutschland passe als Ostsee-Anrainer nicht nur geografisch in die Gruppe, sondern auch historisch, politisch und wirtschaftlich. Er argumentierte unter anderem damit, dass Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung einen ähnlichen Transformationsprozess wie viele osteuropäische EU-Staaten durchgemacht hat.

Zudem sei Deutschland heute für jedes Mitglied der Drei-Meere-Initiative ein zentraler Wirtschaftspartner. Eine deutsche Mitgliedschaft würde die Aufmerksamkeit der westlichen und südlichen EU-Mitglieder für die östlichen Partner erhöhen, betonte Maas. Deutschland wolle "ein Brückenbauer und Moderator im Geiste europäischer Einheit sein".

Bisher hatte Deutschland die Drei-Meere-Initiative eher kritisch gesehen. Es gab Befürchtungen, die Gruppe könne Europa auseinanderdividieren. Gastgeber Johannis betonte, die Drei-Meere-Initiative sei "ein regionaler Beitrag zur Stärkung der transatlantischen Bindungen der EU". Der Initiative gehören mit Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn alle Länder der sogenannten Visegrad-Gruppe an, die zu den schärfsten Widersachern der deutschen Bundeskanzlern Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingspolitik gehören.

Die meisten östlichen EU-Mitglieder stemmen sich mit Unterstützung der USA gegen den Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 zwischen Russland nach Deutschland, aus Furcht vor einer zu starken Abhängigkeit Europas von russischen Energielieferungen. Maas bekräftigte die Haltung der deutschen Regierung: "Unsere Argumente dazu haben sich nicht geändert: Das ist ein wirtschaftliches Projekt in erster Linie." Politische Auswirkungen etwa auf die Ukraine versuche man durch Gespräche mit beiden Seiten abzufedern.

US-Energieminister Rick Perry sagte bei der Konferenz, die USA seien besorgt wegen der wachsenden Abhängigkeit der Länder in der Region von russischem Gas, was Moskau "mit einer aggressiven Position" vorantreibe. Am Vortag hatte US-Präsident Donald Trump in einer Grußbotschaft an den Gipfel geschrieben, die USA wollten vor allem mit Exporten von Flüssiggas zur Diversifizierung der Energiequellen in Osteuropa beitragen.

Maas hatte bereits im Juni in einer europapolitischen Grundsatzrede eine neue europäische Ostpolitik gefordert. "Wir müssen auch lernen, Europa stärker durch die Augen der anderen Europäer zu sehen", sagte er damals. Der "belehrende Zeigefinger Berlins" erreiche dabei weniger als kluge Angebote zum Interessensausgleich.

Der Begriff Ostpolitik geht auf den früheren SPD-Bundeskanzler Willy Brandt zurück, der ab 1969 eine Annäherung der Bundesrepublik Deutschland an die Staaten des von der Sowjetunion dominierten Warschauer Pakts betrieb und dafür den Friedensnobelpreis erhielt. Für die SPD ist das bis heute eine zentrale Traditionslinie ihrer Außenpolitik. (apa/red)