Klimawandel : Forscher: Energiebedarf für menschenwürdiges Leben unerwartet gering

Seit Jahrzehnten versuchen Forscher abzuschätzen, wie viel Energie Gesellschaften benötigen, um die Grundbedürfnisse aller Menschen zu befriedigen. Angesichts des Klimawandels gewinnt diese Frage an Bedeutung. Wissenschafter haben nun in einer im Fachjournal "Nature Energy" veröffentlichten Studie gezeigt, dass der Energiebedarf für ein menschenwürdiges Leben unerwartet gering ist.

"Es wird seit langem befürchtet, dass wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz nicht vereinbar sind", erklärte Studienleiterin Narasimha Rao vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien. Denn das Wachstum, das erforderlich ist, um Milliarden von Menschen aus der Armut zu befreien, würde es unmöglich machen, die Nettoemissionen auf Null zu senken.

Für ihre Studie haben die Wissenschafter eine neue Methode entwickelt, die erstmals ermöglicht, die Energienachfrage zur Beseitigung der Armut von jener für das allgemeine Wirtschaftswachstum getrennt zu betrachten. Am Beispiel von Brasilien, Indien und Südafrika konnten sie zeigen, dass der notwendige Energiebedarf, um allen einen angemessenen Lebensstandard bereitzustellen, deutlich unter dem derzeitigen jeweiligen nationalen Energieverbrauch und auch deutlich unter dem durchschnittlichen globalen Pro-Kopf-Verbrauch liegt.

Öffentliche Verkehrsmittel und lokale Baumaterialien

Die notwendige Energie für die Bereitstellung einer guten Gesundheitsversorgung und Bildung ist demnach weitaus geringer als jene für Infrastruktur, Transit und Gebäude. Dieser Energiebedarf kann jedoch weiter reduziert werden, wenn die Länder umfangreiche, erschwingliche öffentliche Verkehrsmittel bereitstellen und lokale Materialien im Gebäudebau verwenden.

"Wir hatten nicht erwartet, dass der Energiebedarf für ein minimal menschenwürdiges Leben so gering sein würde", so Rao. Es sei auch überraschend, dass die grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse in Bezug auf Gesundheit, Ernährung und Bildung energietechnisch günstig sind.

Der Studie zufolge treiben Wohlstand und Überfluss die Energienachfrage deutlich stärker an als die Deckung der Grundbedürfnisse. Voraussichtlich werde in den untersuchten Ländern der Großteil des künftigen Energiewachstums der Mittelschicht und den Wohlhabenden zugutekommen, selbst wenn die Regierungen die Armutsbekämpfung in den Vordergrund stellen. Aus diesem Grund sollte dem Lebensstil und seiner Entwicklung in Schwellen- und Entwicklungsländern besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, betonten die Forscher. (apa/red)

Der Fachartikel ist hier abrufbar:

https://www.nature.com/articles/s41560-019-0497-9