Hintergrund und Reaktionen : Ein Metaller-KV "am oberen Rand" - trotzdem positive Worte von Arbeitgebern

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Die Metalltechnische Industrie (FMTI) hat mit einer starken Lohnerhöhung die Latte für die anderen Branchen in der herbstlichen Lohnrunde hoch gelegt: Trotz verhärteter Fronten Einigung beim Metaller-KV >>

Im Schnitt knapp 3,5 Prozent, für die untersten Gehälter 4,3 Prozent und für Lehrlinge bis zu zehn Prozent Gehaltsplus sowie hohe Zuschläge für die 11. und 12. Stunde Arbeit kamen nach 64 Verhandlungsstunden heraus.

DER ÜBERBLICK

Löhne und Gehälter: Je nach Beschäftigungsgruppe steigen die Entgelte zwischen 3,0 und 4,3 Prozent. Durchschnittlich gibt es ein Plus von 3,46 Prozent. Die Mindesterhöhung beträgt 80 Euro (das sind die 4,3 Prozent; in den Lohn-/Gehaltsgruppen darüber steigen die Entgelte um 3,0 bis 3,6 Prozent).

Lehrlinge: Die Lehrlingsentschädigungen für die rund 6.600 Lehrlinge der Metalltechnischen Industrie werden kräftig angehoben: Im ersten Lehrjahr um 100 Euro auf 719 Euro, im zweiten auf 920 Euro (bisher 830 Euro) im dritten auf 1.204 (bisher 1.124) und im vierten Lehrjahr auf 1.590 Euro (bisher 1.520). Das ist in den ersten Lehrjahren etwas mehr und in den späteren Lehrjahren etwas weniger, als es die Gewerkschaft ursprünglich forderte.

Überstundenzuschläge ab Juli 2019: Zu den 100 Prozent für die elfte und zwölfte Stunde am Tag bzw. ab der 51. Stunde in der Woche. Dies soll ab 1. Juli 2019 gelten. Die Zuschläge können auch in mehr Freizeit gewandelt werden. Auch die Nachtzulagen im Schichtbetrieb steigen.

Bezahlte Pausen: Bei Tagesarbeitszeiten von mehr als zehn Stunden eine bezahlte Pause von mindestens zehn Minuten im Kollektivvertrag vereinbart.

Arbeit an Sonn- und Feiertagen: Der bisher befristete 150-Prozent-Zuschlag für die viermal im Jahr mögliche Sonn- und Feiertagsarbeit wird dauerhaft im Kollektivvertrag verankert. Auch die dafür geltende Wahlfreiheit der Arbeitnehmer, sich zwischen Zeit und Geld zu entscheiden, bleibt.

Gleitzeit: Die Überstundenzuschläge gelten auch hier. Zudem können Zeitguthaben auch in Form von ganzen Tagen (maximal 3 Tage pro Halbjahr bzw. 6 pro Jahr) verbraucht werden; ausgenommen davon sind All-In-Verträge und Überstundenpauschalen.

Zeitkontenmodell: Das schon länger vorhandene Flexibilitätsmodell in der Metalltechnischen Industrie geht unbefristet in den KV ein.

Rainer Wimmer, Pro-Ge: Ergebnis eine "tolle Geschichte"

Dass der Chefverhandler der Gewerkschaft PRO-GE, Rainer Wimmer, das Ergebnis eine "tolle Geschichte" nennt, ist wenig überraschend. Aber auch auf der Arbeitgeberseite sagte der Fachverbandsobmann der FMTI, Christian Knill, gegenüber Ö1: "Wir haben unseren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einen verdienten hohen Abschluss zukommen lassen beziehungsweise ausverhandelt."

Christian Knill, FMTI: "Ein verdient hoher Abschluss für unsere Mitarbeiter"

Außerdem spricht Knill davon, dass im Rahmenrecht Verbesserungen nötig gewesen seien, "das haben wir mit den Gewerkschaften jetzt ausverhandelt", auch wenn das von der Gewerkschaft so kritisierte Arbeitszeitgesetz die FMTI-Betriebe wenig betreffe. Knill sagte, das Ergebnis sei "am oberen Limit, aber ich bin froh, dass es jetzt endlich vorbei ist."

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Ähnlich sieht dies Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte am IHS. "Wenn man das nächste Jahr sieht, ist der Abschluss sicher am oberen Rand", sagte er auf APA-Anfrage. Nehme man aber auch das abgelaufene Jahr als Maßstab, sei die Einigung sicher verkraftbar. Die Zuschläge von 100 Prozent auf die 11. und 12. Arbeitsstunde entsprächen der "österreichischen Logik" der Arbeitnehmer: "Wir sind durchaus bereit, etwas mehr zu arbeiten, aber dafür wollen wir auch etwas haben."

Gewerkschaften verteidigen Warnstreiks

Während Knill sagt, dass die Warnstreiks nur Geld gekostet hätten und für die Verhandlung unwichtig gewesen seien, glaubt Wimmer, "nur so, mit diesem Druck, mit diesen Warnstreiks, mit diesen vielen Versammlungen, ist es wirklich erst gelungen hier Bewegung hineinzubekommen". Besonders wichtig seien die Erhöhung der untersten Einkommen um 4,3 Prozent und die Verbesserungen im Rahmenrecht mit Zuschlägen von 100 Prozent ab der 11. Stunde, "weil, wenn wir schon gezwungen werden länger zu arbeiten, elfte und zwölfte Stunde, dann wollen wir auch ein ordentliches Geld haben".

Zahlreiche weitere KV-Verhandlungen stehen an

Wimmer sieht sich als "Schneepflug" für andere Branchen und das wird auch die spannende Frage bei anderen KV-Verhandlungen in den nächsten Wochen. Traditionell haben seit der Auftrennung der verschiedenen Bereiche der Metaller in getrennte KV-Verhandlungen alle Fachverbände praktisch mit dem gleichen Ergebnis abgeschlossen. Es bleibt abzuwarten, ob das heuer auch so sein wird.

Die Branche im Überblick:

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Aber auch andere Branchen dürften sich das FMTI-Ergebnis genau anschauen - auch wenn vermutlich kein ganz so hoher Abschluss herauskommen wird. Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft Vida, gratulierte den Metallern gleich einmal, auch er hat in den Bahn-KV-Verhandlungen, die diese Woche in die achte Runde gehen, wie die Metaller ursprünglich 5 Prozent mehr Lohn und Verbesserungen in den Rahmenbedingungen gefordert.

Hofer erwartet jedenfalls nicht, dass Branchen wie der Handel ebenfalls eine Lohnerhöhung von 3,5 Prozent aushandeln können, denn dort schlagen Lohnerhöhungen viel stärker auf die Kosten durch, als in der kapitalintensiven Metallbranche. Sollte es in den anderen Branchen zu Abschlüssen von zwei bis drei Prozent kommen, dann sei auch kein Druck auf die Inflation zu erwarten. Nur wenn es gesamtwirtschaftlich zu 3,5 Prozent Lohnerhöhung käme, könnte das zu Preisdruck führen.

Details 1: Nettolöhne: Ein Plus von weniger als drei Prozent

Die liberale Denkfabrik Agenda Austria verweist auf den tatsächlichen Anstieg der Nettolöhne. Alle KV-Abschlüsse betreffen immer den Bruttolohn. Netto bringe dieser Abschluss einem Arbeiter mit Durchschnittslohn nur 2,8 Prozent mehr am Lohnzettel, kritisiert die Agenda Austria auf Basis eigener Berechnungen. Die Abgaben und Steuern würden dagegen um 4,2 Prozent steigen. "Hauptgewinner ist also der Staat", so der Schluss der Agenda Austria.

Details 2: Zuschläge bei Gleitzeit nur nach Anordnung - keine Zuschläge bei 50 Arbeitsstunden in der Woche

Wer einen Gleitzeitvertrag hat, bekommt Zuschläge für Überstunden nur, wenn sie vom Chef angeordnet wurden. Wer ohne Anordnung elf oder zwölf Stunden am Tag oder über 50 Stunden in der Woche arbeitet, bekommt keine Zuschläge, stellt die Bundessparte Industrie klar.

Wird die Anordnung zur Mehrarbeit innerhalb der Normalarbeitszeit getroffen, so gebührt - wie bisher - für die 9. und 10. Arbeitsstunde ein Zuschlag von 50 Prozent und für die 11. und 12. Überstunde ein Zuschlag von 100 Prozent. Hat jemand hingegen schon ohne Anordnung zehn Stunden gearbeitet und wird dann aufgefordert noch eine elfte und zwölfte Stunde weiterzumachen, sind für diese beiden Stunden 50 Prozent Zuschlag fällig. Für die 51. – 60. Arbeitsstunde gibt es im Rahmen der Gleitzeit niemals 100 Prozent Zuschlag.

Details 3: Etwas mehr Geld für Lehrlinge

Für Lehrlinge im ersten Lehrjahr wird die Lehrlingsentschädigung von 619 auf 719 Euro angehoben. Die Lehrlingsentschädigungen im zweiten Lehrjahr steigen von 830 auf 920 Euro, im dritten Lehrjahr von 1.124 auf 1.204 Euro und im vierten Lehrjahr von 1.520 auf 1.590 Euro.

"Das bedeutet einen kräftigen Anstieg ihres Einkommens von bis zu 16 Prozent, den wir für die Lehrlinge erreichen konnten", sagt Josef Rehberger, Bundesjugendvorsitzender der Gewerkschaft Pro-Ge.

Regierung: "Das ist der bewährte österreichische Weg"

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ) begrüßten die Metaller-Einigung in einer gemeinsamen Stellungnahme. "Der Lohnabschluss zeigt, dass es mit Verantwortung und Dialogbereitschaft immer gelingen kann, eine Lösung am Verhandlungstisch zu erzielen", so Kurz, damit würden Interessen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber gewahrt. Strache schreibt: "Es ist wichtig und richtig, dass alle vom Aufschwung gleich fair profitieren. Das ist der bewährte österreichische Weg, der die letzten Jahre leider zu oft verlassen wurde."

Opposition: Rendi-Wagner begrüßt positiven Lohnabschluss

Die designierte SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner hat den positiven Lohnabschluss der Metaller "sehr begrüßt". Am Rande eines Pressegesprächs verwies Rendi-Wagner darauf, dass die Metaller doch eine männlich dominierte Branche sind und äußerte den Wunsch, dass auch frauenspezifische Branchen wie etwa der Handel oder die Pflegeberufe nachziehen.

WKÖ: "Tragfähiges Gesamtpaket"

WKÖ-Präsident Harald Mahrer nannte den Abschluss ein "tragfähiges Gesamtpaket". Die Lohn- und Gehaltserhöhung halte die Belastungen für Unternehmen "noch in Grenzen" und gebe den Betrieben "weiterhin Spielraum für zukünftige Entwicklungen". Das Ergebnis sei für beide Seiten vernünftig und habe "die Kompromissfähigkeit der Sozialpartner unter Beweis gestellt".

(red mit apa und ots)