Mineralölindustrie : "Die Welt hat sich gedreht": Chemie statt Barrels bei der OMV

Auch beim Öl- und Gaskonzern OMV hat die Coronakrise wie erwartet tiefe Spuren hinterlassen, Umsatz und Gewinn brachen 2020 um rund ein Drittel ein, dennoch wird die Dividende von 1,75 auf 1,85 Euro je Aktie angehoben. Aufhorchen lässt OMV-Chef Rainer Seele mit einer Kurskorrektur: Das Wachstum soll künftig vor allem aus dem Chemiebereich kommen, das Produktionsziel wird deutlich reduziert, und der Chef der Chemie-Tochter Borealis, Alfred Stern, zieht in den OMV-Vorstand ein.

"Die Welt hat sich gedreht", erklärte der OMV-Chef den Strategiewechsel. "Wir gehen davon aus, dass die Elektrifizierung der Mobilität und des Transports greifen wird. Wir gehen davon aus, dass auch andere Antriebe zukünftig diesen Markt bestimmen werden und erwarten dementsprechend eine Konsolidierung im Raffineriegeschäft, und das global."

Seele lässt das Ziel von 600.000 Barrel am Tag fallen

Deshalb nimmt Seele seine im Jahr 2018 formulierten Ziele für Öl-und Gasproduktion deutlich zurück: "Das langfristige Ziel von 600.000 Barrel am Tag und die Reserven-Verdoppelung wird die OMV strategisch nicht mehr weiterverfolgen", sagte er zur APA. Künftig strebe man ein Produktionsniveau von 480.000 bis 500.000 Barrel am Tag an. Das entspricht etwa dem aktuellen Produktionsniveau.

Umbau bei den einzelnen Sparten

"Chemicals & Materials ist das Wachstumssegment", erklärte Seele - und das soll sich auch in der Zusammensetzung des OMV-Vorstands widerspiegeln. Der bisherige Chef der OMV-Chemietochter Borealis, Alfred Stern (56), wird ab 1. April 2021 in den Vorstand der Konzernmutter einziehen und den gesamten Chemiebereich verantworten. Dazu: Borealis-Chef Alfred Stern kommt in den Vorstand der OMV >>

Der bisherige Bereich Refining & Petrochemical Operations, für den derzeit Thomas Gangl als Vorstand zuständig ist, wird in Refining und Chemicals & Materials getrennt. Gangl bleibt vorerst im OMV-Vorstand - wer künftig die Borealis leiten soll, wollte Seele heute bei der Präsentation der Ergebniszahlen für 2020 noch nicht verraten.

Borealis verkauft die Stickstoffsparte

Die Borealis selbst soll ihr Düngemittel-Geschäft, das mit rund 2.000 Mitarbeitern etwa 15 Prozent des Borealis-Umsatzes erwirtschaftet, noch im Laufe dieses Jahres verkaufen. "Wir haben mit dem Düngemittelgeschäft einfach keine wettbewerbsfähige Größe", sagte Seele zur APA. Die OMV hatte erst vor kurzem ihre Beteiligung an der Borealis um 4,1 Mrd. Euro auf 75 Prozent aufgestockt und den Wert des ursprünglichen 36-Prozent-Anteil in den Büchern deutlich nach oben berichtigt.

Von dem im Vorjahr angekündigten Verkaufsprogramm mit einem Volumen von 2 Mrd. Euro habe man bereits über eine Milliarde abgearbeitet, sagte Seele. Das waren die noch verbliebenen Anteile an der Pipelinetochter Gas Connect Austria (GCA), das Tankstellennetz in Deutschland und die Ölproduktion in Kasachstan. "Das Closing und damit die positiven Cash-Effekte erwarten wir im Laufe des Jahres 2021", sagte Seele. Offen sei nun noch der Verkauf der Tankstellenkette in Slowenien und eben das Düngemittelgeschäft der Borealis. "Über die Tankstellenkette in Slowenien verkaufen wir nicht unser eigenes Benzin und Diesel, deshalb haben wir gesagt, wir reduzieren das."

Erdölförderung 2020 gesunken

2020 ging die Gesamtproduktion der OMV um 5 Prozent auf 463.000 Fass pro Tag (Öl-Äquivalente) zurück. "Wir hatten keine Produktion in Libyen, das ist der Grund, warum wir im letzten Jahr einen Rückgang der Produktion hatten", sagte Seele. "Libyen ist aber im vierten Quartal jetzt wieder zurückgekommen und die Produktion dort läuft stabil, deshalb wird die Produktion im Jahr 2021 ansteigen." Für heuer wird mit einer Tagesproduktion von 480.000 Fass gerechnet.

"Mit der Pipeline an Investitionen, die wir jetzt haben, wollen wir dieses Produktionsniveau halten. Die Verdoppelung unserer Reservenbasis wird nicht mehr verfolgt." Man plane daher auch eine Großakquisitionen von Öl- und Gasfeldern.

Dass dies das endgültige Aus für die einst geplante Beteiligung am den russischen Fördergebieten IV und V der Achimov-Formation im Öl-, Gas- und Kondensatfeld Urengoy (Urengoj) bedeute, wollte Seele heute so klar nicht sagen - das Projekt sei "nicht aufgegeben, sondern eine Option geworden", erklärte er in einer Online-Pressekonferenz. Vorerst denke man nicht an Akquisitionen, sondern an Devestitionen.

Investitionen von 3 Milliarden Euro in Österreich geplant

Für Österreich sind in der Mittelfristplanung laut Seele Investitionen in Höhe von 3 Mrd. Euro vorgesehen, davon ein Drittel für nachhaltige Projekte, "für das Kunststoff-Recycling, für erneuerbare Energie und für die Erzeugung von grünem Wasserstoff". Auch die Eigenproduktion von Öl- und Gas in Österreich werde man nicht vernachlässigen. Laut Upstream-Vorstand Johann Pleininger sollen in Österreich heuer rund 20.000 Fass Öl-Äquivalent produziert werden, das entspreche je einem Zehntel des heimischen Bedarfs an Öl und Gas.

Die Ergebniszahlen für 2020

Der niedrige Ölpreis hat der OMV im Vorjahr schwer zu schaffen gemacht: Der Umsatz ging um 29 Prozent auf 16,55 Mrd. Euro zurück, das um Lagerhaltungseffekte bereinigte CCS Operative Ergebnis vor Sondereffekten halbierte sich auf 1,686 Mrd. Euro, und unterm Strich blieb ein Periodenüberschuss von 1,478 Mrd. Euro (-31 Prozent). Die Chemietochter Borealis erzielte im Vorjahr einen Nettogewinn von 589 Mio. Euro, nach 872 Mio. Euro im Jahr davor.

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Die erste Hälfte des laufenden Geschäftsjahres werde noch immer "sehr herausfordernd" bleiben, sagte Seele. Nach der "ersten Euphorie" über die Impfstoffe nehme jetzt die Verteilung der Impfdosen einen zaghafteren Verlauf als erwartet. Die zweite Jahreshälfte dürfte aber deutlich positiver ausfallen und eine stärkere Wirtschaftserholung bringen.

Man rechne mit einem durchschnittlichen Brent-Rohölpreis von 50 bis 55 Dollar pro Barrel und einem Gaspreis über 10 Euro pro Megawattstunde (MWh). (apa/red)