Stahlindustrie : "Absolute Priorität": Thyssen und Tata schmieden einen neuen Stahlriesen

Trotz massiver Gegenwehr der Arbeitnehmer steuert der deutsche Industriekonzern Thyssenkrupp weiter auf eine Fusion seines europäischen Stahlgeschäfts mit der indischen Tata Steel zu. Die Pläne hätten "absolute Priorität", sagte Vorstandschef Heinrich Hiesinger auf der Bilanzpressekonferenz in Essen.

Hiesinger: Fusion notwendig

Er bekräftigte noch einmal die Notwendigkeit des Zusammenschlusses. "Die strukturellen Probleme in der europäischen Stahlindustrie bestehen unverändert weiter", sagte Hiesinger. Es gebe auch in Europa noch erhebliche Überkapazitäten beim Flachstahl. Man dürfe sich von der aktuell guten Gesamtsituation im Stahlmarkt nicht blenden lassen.

"Wir sind überzeugt, dass die Vereinbarung mit Tata die bestmögliche Lösung ist", erklärte der Manager. Dabei ziele das Unternehmen auf eine einvernehmliche Lösung mit den Arbeitnehmern. Diese reagierten mit Protesten auf die Fusionspläne.

Konzernzentrale wandert in die Niederlande

Personalvorstand Oliver Burkhardt zeigte sich zuversichtlich, eine tragfähige Lösung finden zu können. Nach mehreren Sondierungsgesprächen rechnete er noch für diese Woche mit dem Start der Verhandlungen mit der IG Metall und den Arbeitnehmervertretern.

Diese fürchten den Abbau von deutlich mehr als den vom Unternehmen angekündigten 2.000 Jobs und kritisieren die von Thyssenkrupp anvisierte Verlegung des Sitzes der Stahlsparte in die Niederlande. Daneben fordern sie Arbeitsplatz- und Standort-Garantien.

"Bank Bank" des Konzerns?

SPD-Spitzenpolitikerin Andrea Nahles meinte zu den Plänen vor wenigen Tagen, das fusionierte Unternehmen könnte eine Art "Bad Bank" des Konzerns werden. Heftig kritisierte sie auch die Verlagerung des Firmensitzes in die Niederlande, für die steuerliche Begünstigungen ausschlaggebend seien.

Thyssenkrupp-Stahl-Betriebsratschef Günter Back warf dem Konzernchef vor, trotz aller Risiken an dem Vorhaben festhalten zu wollen. Nach seiner Einschätzung ist es derzeit noch zu früh zur Aufnahme von Verhandlungen. Zeitgleich mit der Bilanzvorlage hatten sich nach Angaben einer IG-Metall-Sprecherin 8.000 Thyssenkrupp-Stahlkocher zu einer Demonstration in Andernach (Rheinland-Pfalz) versammelt.

Vertreter der Mitarbeiter: Keine Transparenz der Gespräche

Mehrere Gewerkschaftsvertreter warfen Thyssenkrupp zu wenig Transparenz vor. Die geschäftsführende deutsche Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagte mit Blick auf die Konzernleitung: "Hosen runter - wir wollen wissen, was sie vorhaben."

Die Zustimmung der Arbeitnehmer zu der Stahlfusion ist jedoch nicht zwingend notwendig. Notfalls könnte Thyssenkrupp den Zusammenschluss auch gegen die Stimmen ihrer Vertreter im Aufsichtsrat durchsetzen. Hiesinger setzt allerdings darauf, eine "gute Lösung" zu finden.

Thyssenkrupp und Tata erhoffen sich durch die Zusammenlegung ihrer Aktivitäten hohe Einsparungen - früheren Angaben zufolge 400 bis 600 Mio. Euro jährlich. An dem Joint-Venture sollen Thyssenkrupp und Tata je 50 Prozent besitzen.

Zu der Frage, wie lange Thyssenkrupp seinen Anteil halten wolle, wollte Hiesinger auch auf Nachfrage keine Stellung nehmen. Der Stahl sei jedoch eine "Wurzel des Unternehmens", betonte er.

Konzentration auf die Industriesparte geplant

Mit der Fusion will sich Thyssenkrupp stärker auf die Industriesparte konzentrieren, die mittlerweile den Löwenanteil des Geschäfts des Konzerns ausmacht. So sorgten etwa die gute Entwicklung bei Komponenten und Aufzügen für einen zweistelligen prozentualen Anstieg der Auftragseingänge und steigende operative Ergebnisse.

Dennoch stand im Ende September abgeschlossenen Geschäftsjahr unterm Strich ein Verlust von 649 Mio. Euro. Hintergrund ist die Abschreibung von 900 Mio. Euro auf das mittlerweile verkaufte brasilianische Stahlwerk, die Thyssenkrupp im ersten Halbjahr vorgenommen hatte. Die Dividende soll unverändert bei 0,15 Euro je Aktie bleiben.

Für das laufende Geschäftsjahr will Thyssenkrupp seinen Wachstumskurs fortsetzen. Hiesinger kündigte ein weiteres operatives Gewinnplus sowie die Rückkehr in die schwarzen Zahlen an. Helfen sollen dabei Einsparungen von 750 Mio. Euro. (dpa/apa/red)

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