Kommentar : ABB übernimmt B&R: Lob für Ulrich

ABB CEO Ulrich Spiesshofer musste sich in den letzten Wochen immer wieder Kritik anhören - von Aktionären, von Buchprüfern und von den Medien. Zuletzt verschwand sogar noch ein Manager mit mehreren Millionen aus der Firmenkasse im Gepäck – peinlich. Heute bekommt Spiesshofer ein Lob, denn er hat den bisher größten Deal seines ABB-Engagements eingefädelt, ein Milliardengeschäft und es ist der richtige Schritt. ABB investiert weiter in die Fabrikautomation und kauft den österreichischen Automatisierer B&R. Spannend: Spiesshofer betont vor allem die digitale Kompetenz des Übernahmekandidaten. Während Wettbewerber für Investements ins Silicon Valley schielen oder sich als StartUp-Finanzierer präsentieren, investiert Spiesshofer in einen bekannten Markt und setzt andere große und mittlere Wettbewerber damit unter Druck.

Die Fachmedienportale in der Schweiz, Österreich und in Deutschland saugten die Meldung dankbar auf, dabei ist diese Übernahme gar nicht so überraschend. Viele Beobachter rechnen schon seit einigen Jahren mit ähnlichen Übernahmen. Warum? Familienunternehmen prägen die Automatisierungslandschaft in Österreich und vor allem Deutschland. Die Gründergeneration aus den 70er und 80er Jahren, der Durchbruch der industriellen Automatisierung, tritt in den nächsten Jahren ab und mancher Inhaber findet keinen Nachfolger - Verkauf des Lebenswerks also nicht ausgeschlossen. In der DACH-Region sind es nicht nur die Großkonzerne, die bei der Digitalisierung und Automatisierung der Industrie den Ton angeben. Das vergessen viele Beobachter zu gerne. Vor allem die Mittelständler aus Ostwestfalen, aus Baden-Württemberg und der Region Nürnberg sind Innovationstreiber und weiterhin heiße Übernahmekandidaten - es kommen noch mehr Übernahmen, ganz sicher. Manchmal übernehmen sogar ganze Autobauer (Tesla) Automatisierungsunternehmen wie Grohmann Engineering, um ihre eigene Fertigungskompetenz zu verbessern und sich externes Wissen einzukaufen

Spiesshofer und ABB haben jetzt viel Arbeit vor sich. Der Konzern eröffnet sich durch die Übernahme auch Zugang zu neuen Branchen - vor allem im Maschinenbau und der Automobilindustrie. Schon seit einiger Zeit positioniert sich der Konzern in der Öffentlichkeit als "Partner des Maschinenbaus" oder als "Komplettanbieter". Mit B&R fällt der Zugang jetzt vielleicht noch ein bisschen leichter.