Tipps für Distressed M&A Transaktionen : Wie Notverkäufe zum Gewinn werden

Rainer Kaspar LL.M. ist Partner bei PHH Rechtsanwälte

Dr. Rainer Kaspar LL.M. ist Partner bei PHH Rechtsanwälte und Experte für internationale Unternehmenstransaktion, M&A und Gesellschaftsrecht.

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Entgegen vielen Prognosen spielen Distressed M&A Transaktionen derzeit noch eine eher untergeordnete Rolle. Doch die aktuellen Herausforderungen – von Energie- und Rohstoffpreisen bis zu Schwierigkeiten in der Lieferkette und der hohen Inflation – könnten an die Substanz so mancher Unternehmen gehen, die sich bisher noch dank der ausbezahlten Wirtschaftshilfen gerettet haben. Viele Unternehmen benötigen jetzt frisches Kapital, um ihre Liquidität zu stärken und Verbindlichkeiten zu bedienen. Sind die klassischen Wege wie Bankkredite oder Umschuldungen ausgeschöpft, dann bietet sich als zusätzliche Möglichkeit noch ein Verkauf von Gesellschaftsvermögen an.

Auf das Timing kommt es an


Prinzipiell gibt es drei zeitliche Abschnitte bei einer Distressed M&A: Vorinsolvenzlich, bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Je früher der Deal stattfindet, desto mehr Spielraum haben sowohl Verkäufer als auch Käufer. Käufer versuchen in der Regel den Prozess so rasch wie möglich durchzubringen, um potenzielle Konkurrenten dadurch auszustechen. Aber auch Verkäufer haben ein Interesse, nicht in letzter Sekunde an den erstbesten Bieter verkaufen zu müssen.

Mag. Wolfgang Guggenberger LL.M. ist Rechtsanwalt bei PHH Rechtsanwälte und auf den Bereich M&A, Gesellschaftsrecht und Unternehmensrecht spezialisiert.

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Achtung vor Schleuderpreisen

Wer rasch verkaufen muss, zieht auch Schnäppchenjäger an. Doch Distressed M&A müssen nicht unweigerlich eine finanzielle Katastrophe für den Verkäufer sein. Wichtig ist eine gute Markteinschätzung und -kenntnis, die Suche nach geeigneten Käufern und schlussendlich auch das Verhandlungsgeschick. Grundlage für den Kaufpreis, aber auch die vertraglichen Absicherungen ist – wie bei jeder anderen Transaktion auch – eine Due Diligence Prüfung, um den Unternehmenswert, den Kundenstock, das Geschäftsmodell und mögliche Risken zu erheben. Wichtig bei Distressed M&A ist zum einen die Prognose, wie sich das Unternehmen entwickeln wird und ein entsprechender Businessplan.

Risken und Absicherungen


Um sich vor Überraschungen zu schützen, enthalten viele M&A Vereinbarungen etwa Haftungshöchstgrenzen, die Verpflichtung zum Abschluss einer W & I Versicherung, aber auch den möglichen Ausschluss von Nachhaftungen. Darüber hinaus ist es auch oft entscheidend, mit dem Verkauf von Tochtergesellschaften oder Unternehmen auch Verbindlichkeiten an den Käufer zu übergeben und auch dadurch die finanzielle Last beim Verkäufer zu reduzieren.

Share Deal oder Asset Deal?


Großen Einfluss auf den Ablauf hat auch, ob ein Unternehmensverkauf als Share Deal oder Asset Deal abgewickelt wird. Während bei einem Share Deal Verbindlichkeiten und Altlasten auf den Käufer übergehen, werden bei einem Asset Deal nur vereinbarte Betriebsteile oder Gegenstände übertragen. Dieses sogenannte Cherry-Picking hat auf den Blick viele Vorteile, kann aber im Fall einer Insolvenz des Unternehmens vom Masseverwalter angefochten, wenn etwa ein unentdeckter Insolvenzgrund vorliegt.

Im Rahmen von Distressed M&A Transaktionen ist es daher wichtig, frühzeitig entsprechende Restrukturierungen innerhalb eines Unternehmens vorzunehmen, um den Verkauf vor späteren Anfechtungen abzusichern und auch innerhalb einer Unternehmensgruppe „gesunde Teile“ von kriselnden Unternehmensteilen zu trennen (Ring-Fencing).

Über die Autoren
Dr. Rainer Kaspar LL.M. ist Partner bei PHH Rechtsanwälte und Experte für internationale Unternehmenstransaktion, M&A und Gesellschaftsrecht.

Mag. Wolfgang Guggenberger LL.M. ist Rechtsanwalt bei PHH Rechtsanwälte und auf den Bereich M&A, Gesellschaftsrecht und Unternehmensrecht spezialisiert.