Ranking Top 1000 Manager : Netzwerkforscher Katzmair: "Völliger Shift der Fundamente"

Aufmacher Katzmair

Harald Katzmair, Gründer und Geschäftsführer FAS Research: "Unsere gesamte westliche Architektur basiert auf der Idee billigen Öls und billigen Geldes"

- © Matthias Heschl

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Katzmair, Putin spielt im Endgame, China verbindet ein autoritäres Herrschaftssystem mit einer revisionistischen Außenpolitik. Und gerade wurde ein neuer Kriegsschauplatz im Nahen Osten eröffnet. Was passiert da gerade aus Systemsicht?

Harald Katzmair:
Neben dem Ozean der Traumen, die es in der Welt schon gibt, hält der Konflikt in Nahost wieder Schmerz und Trauma bereit. Auf der Systemebene zeigt sich noch einmal deutlicher: Unsere gesamte westliche Architektur basiert auf billigem Öl und billigem Geld. Die USA waren das Saudi Arabien des billigen Geldes, der Nahe Osten der Geber des billigen Öls. Jetzt ist diese Gleichung durcheinandergekommen. Wir erleben einen völligen Shift der Fundamente des Systems.

Mit dem die Netzwerkforschung so nicht gerechnet hätte?


Katzmair:
Wir beschäftigen uns seit Jahren mit Prozessen und Zyklen von komplexen Systemen. Der Zusammenhang von Energie und Komplexität war immer ein fundamentaler. In der gesamten Tiefenabhängigkeit unserer Ökonomie war immer klar: Erdöl ist das Hämoglobin des Wirtschaftskreislaufes. In einer Zeit, die für das Ende von billiger Energie und billigem Kapital steht, gibt es massive Auswirkungen auf Systeme. Das kommt aus netzwerkanalytischer Sicht nicht überraschend. Doch jeder von uns muss es erst einmal verarbeiten. Es braucht ein Rendezvous mit der Wirklichkeit.

In der Rangreihung der Top-1000 liefert FAS Antworten auf die Frage systemischer Relevanz. Wo konzentriert sich Macht?

Katzmair: Macht konzentriert sich am Anfang und Ende der Wertschöpfungskette. Basis aller Wertschöpfung bildet die Trias Material-Sourcing, Energie und Informationstechnologien. Wir sehen in allen drei Säulen: Wir sind herausgefordert.

Europa büßt weiter an Souveränität ein...

Katzmair:
Die fast vollständige Abhängigkeit Europas bei fossilen Inputs von externen Playern ist ja nicht zu leugnen. Ebensowenig die Abhängigkeit beim Sourcing. Wir haben keine wesentlichen Minenaktivitäten innerhalb der EU, alles wird importiert. Nicht die beste Ausgangslage für die Transition der Energiesysteme.

Was können Unternehmen optimistischerweise tun?

Katzmair: Österreichs Unternehmen waren nie Frontrunner. Stattdessen haben sie Kreativität an den Tag gelegt. Darin, neues sehr schnell zu implementieren und eigenständig zu formen. Vergleichbar mit einem gut gemachten Coversong.

Was macht Manager anpassungsfähiger als andere?

Katzmair: Führungspersönlichkeiten, deren Unternehmen schon bisher im Kreuzfeuer dieser Wirklichkeiten operierten und hohe systemische Risiken tragen, weisen einen höheren Grad an Anpassungsfähigkeit auf.

Was braucht es dazu in der Organisation?


Katzmair:
Wichtig: Es muss aus einer sehr guten Teamkultur heraus passieren. Nur so lassen sich ingenieursgetrieben einmalige Lösungen entwickeln. Das setzt voraus, effizient zu sein. Wer in der Mitte der Wertschöpfungskette im Commodity-Business ohne Monopolstellung agiert, kann nicht anders, als extrem effizient zu sein.

Wo sind Leader noch gefordert?


Katzmair:
Leadership heißt dreierlei: Man ist fähig, die Komplexität der Wirklichkeit auf ihre Essenz zu reduzieren und Landkarten der Wirklichkeiten zu zeichnen. Zweitens braucht es die Fähigkeit, dieses Lagebild mit Stakeholdern und dem Team zu teilen und ein gemeinsames Bewusstsein - realistische Ambitionen - zu entwickeln. Und drittens muss man es tatsächlich auf den Boden bringen.

Teures Kapital und teure Energie: Kommt jetzt die Konsolidierungswelle?

Katzmair: Viele stehen vor dem Dilemma, sich zu konsolidieren. Begleitet vom Fachkräftemangel werden die Kosten auf der Personalseite jedoch teils innovativ durch KI substituiert werden können. Erforderlich wird eine höhere Form von Agilität. Die wird nur erreicht, wenn in den Zusammenhalt investiert wird. Es braucht die Erkenntnis, zusammen auf einer brennenden Plattform festzusitzen. Dort bleibt gar nichts anderes übrig, als sich zu koordinieren und zu kooperieren.