Künstliche Intelligenz : Was haben wir vom Hype um Künstliche Intelligenz?

Industry 4.0 AI KI

Für die Anforderungen unterschiedlichster Branchen fehlen noch passende Modelle, Kapazitäten und Datensätze.

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Und dann war sie auf einmal da, die Künstliche Intelligenz (KI). Seit Ende November kann die Welt ChatGPT nutzen, eine KI Anwendungen auf Basis des Large Language Models (LLM) des amerikanischen Unternehmens OpenAI. Über 180 Millionen Nutzer, die am schnellsten wachsende Online-Anwendung jemals. Alleine Microsoft hat 13 Milliarden US-Dollar investiert und nutzt das Sprachmodell auch als Teil seines KI Copilot für Cloud-Kunden. ChatGPT bekommt die mit Abstand größte mediale Aufmerksamkeit weltweit.

Dabei gibt es viele andere Modelle und Mitbewerber wie etwa von Meta/ Facebook und Alphabet/ Google. Europa versucht mit Startups wie Aleph Alpha aus Deutschland, das bisher 500 Millionen Euro Investment einsammeln konnte, und Mistral aus Frankreich, momentan mit einer Firmenbewertung zwischen 2 und 5 Milliarden und aktuell anscheinend wieder auf Investorensuche, zumindest ein wenig gegen die amerikanische Übermacht mitzuhalten. Bisher liegt China im KI-Rennen auf Platz 2. Auch politisch ist das Thema daher nicht ohne. Doch: Was haben etablierte Unternehmen von dem Hype?

ZUR AUTORIN

Carolin Desirée Töpfer ist Unternehmerin, Digitale Nomadin, Diplom-Politologin, Datenschutzbeauftragte, Ansprechpartnerin für IT & IoT Sicherheit. Im Sommer 2020 ist sie nach Estland ausgewandert, um dort ihr Cybersecurity Startup Cyttraction zu gründen. Seit 2023 lebt sie in Wien.

1. Das erste Date mit der KI

„Guck, ich hab hier jetzt 3 Minuten auf meinem Laptop mit der kostenfreien Web-Version von ChatGPT rumgespielt und brauche keinen Texter oder Grafik-Designer für meine Instagram-Posts mehr!“ Bei meinem Erst-Kontakt 2022 hatte ich um 10 Motivations-Sprüchlein gebeten, die ich dann als Datensatz heruntergeladen und in mein Grafik Programm eingefügt habe, um daraus in Minuten und komplett automatisiert ansprechende Social Media Bildchen zu erstellen. Mittlerweile nutze ich dieses und andere KI Werkzeuge fast täglich für Marketing Aufgaben und Übersetzungen. Für alles, was keine personen-bezogenen Daten oder Firmen-Interna beinhaltet und sowieso für die Öffentlichkeit gedacht ist.

Denn die erste Meldung zu einem sensiblen Datenleck ließ nicht lange auf sich warten. Gleich drei Samsung Ingenieure hatten Firmen-Interna in die verfügbare Beta-Version von ChatGPT eingetragen. Das Ergebnis war eine Diskussion, welche Eingabe-Daten eigentlich bei welchen Large Language Modellen für den weiteren Lernprozess genutzt werden. Später verbot Samsung seinen Mitarbeitern die Nutzung von ChatGPT und verkündete die Entwicklung eines eigenen LLM.

Wer sich mit der neuen Kollegin erst einmal anfreundet, merkt recht schnell, wie sie tickt, welche Anweisungen sie versteht, was sie kann und woran sie scheitert. Und damit auch, warum wir uns alle spätestens jetzt viel mehr mit KI beschäftigen müssen, es durchaus mehrere LLMs benötigt und da noch einiges an Geschäfts-Potential auch für kleine Unternehmen möglich ist – und das ganz ohne Milliarden-Investment.

Die erste Herausforderung besteht wohl darin, sich von der hyper-dynamischen Entwicklung, zu der es zeitweise gefühlt jeden zweiten Tag neue bahnbrechende Erkenntnisse gibt, nicht entmutigen zu lassen.

Darauf sollten Sie achten

  • Keine personen-bezogenen Daten, Vertraulichkeiten oder Firmen-Interna mit der KI teilen, ggf. neue zusätzliche Mail-Adresse für die Nutzung einrichten!
  • Auf die Suche nach neuen KI Funktionen in bereits genutzter Software gehen – gerade in der Bild- oder Videobearbeitung lassen sich schon viele KI Werkzeuge finden!
  • Diese und auch textbasierte Assistenten wie ChatGPT einfach einmal ausprobieren und schauen, was schon alles möglich ist – und dann dranbleiben!

2. Freunde sein?

Dabei ist die junge Kollegin eigentlich ein alter Hase. Bereits seit dem 19. Jahrhundert konnten Experten sich vorstellen, dass Maschinen mehr können, als nur stumpfe Berechnungen durchführen. 1956 ist dann erstmals die Sprache von Künstlicher Intelligenz. Seit 2011 nutzen wir Sprach-Assistenten und im gleichen Jahr hat IBMs Supercomputer Watson die Quizshow „Jeopardy!“ gewonnen. Im Dezember 2015 wird ChatGPT Entwickler OpenAI gegründet. Knappe 7 Jahre später folgt dann der weltweite „Über-Nacht-Erfolg“.

Das was wir an KI heute sehen und nutzen können, wird vor allem durch Revolutionen im Hardware-Bereich ermöglicht. Oft ein unsichtbarer Faktor sind dabei Server und Rechenzentren, das eigentliche Herzstück der LLMs. OpenAI Gründer Sam Altman hat zuletzt für Verwirrung gesorgt, ob er allen Ernstes 7 Billionen US-Dollar, also in etwa das Bruttoinlandsprodukt von Deutschland und Frankreich zusammen, von Investoren für Datenzentren und Hardware einwerben wolle. Es war wohl nur ein Gedanken-Experiment, zeigt aber in welche Richtung die ganze KI Branche in den nächsten Jahrzehnten wachsen könnte – sofern die Sache mit der Hardware klappt.

Von der oft beschriebenen „Magie“ sind die heutigen Angebote noch weit entfernt. Zwar lässt sich bei einigen Standard-Aufgaben die Arbeits-Effizienz mit Hilfe von KI laut McKinsey Studie um bis zu 40% steigern. Für Anforderungen verschiedener Branchen fehlen noch passende Modelle, Kapazitäten und Datensätze. Mein erster Versuch, mit einer Bild-KI etwas Brauchbares für eine Präsentation rund um IT Sicherheit zu produzieren, endete immer wieder mit schwarzen Badeschlappen. Auch auf einige Recherche-Fragen antwortet die KI kaum oder gleich mit Schwachsinn. Bildfehler können im Auge unangenehm werden. Gut, wer da eigene Expertise mitbringt und der künstlichen Kollegin nicht blind vertraut. Aktuell warte ich gespannt auf die Veröffentlichung von OpenAIs Text zu Video Werkzeug Sora, das bereits eine große Diskussion um Urheberrechte losgetreten hat.

3. Intelligent Geld verdienen!

Neben den großen und aufwändig trainierten LLMs gibt es noch die sogenannten „Wrapper“. Kleinere Anwendungen, die Schnittstellen der großen Anbieter nutzen und für spezifische Aufgaben eingesetzt werden können. Diese sind wesentlich kostengünstiger in der Entwicklung. Im Januar 2024 eröffnete OpenAI für Entwickler solcher Anwendungen den eigenen GPT Store, vergleichbar mit dem Apple App Store oder Google Play Store. Entwickler haben bereits mehr als 3 Millionen Spezial-GPTs gebaut, Unternehmen haben ihre eigenen erstellt. Zu welchen Konditionen Entwickler in Europa entlohnt werden, ist bisher noch abzuwarten.

Falsche Vorstellungen in Bezug auf KI und regulatorische Fettnäpfen sind wohl in den nächsten Jahren das größte Geschäftsrisiko. Die Technologie ist weder geeignet, eine verschlafene Digitale Transformation zu überspringen, noch können Mitarbeiter automatisch mit Kollegin KI zusammenarbeiten. Dazu braucht es stetige Weiterbildung, Vorgaben, Freiräume – und auch ein bisschen Frustrationstoleranz. Und das nicht nur in den eigenen Reihen.

Wer eine eigene Anwendung entwickeln möchte, sollte dies nicht an den heutigen Fähigkeiten der potenziellen Nutzer vorbei tun. Viele können etwa die „Prompts“, die konkreten Anweisungen für die KI, noch gar nicht so schreiben, dass am Ende tatsächlich eine Arbeitserleichterung dabei herumkommt. Eine Lösung bietet das Startup AIPRM eines Wiener Unternehmers an. Über 2 Millionen Nutzer bedienen sich dort bereits in der Prompt Bibliothek oder teilen ihre eigenen Befehle für die KI mit ihrem Team. Individuelle Nutzertests durchzuführen, sowohl vor der internen Einführung als auch wenn KI zur neuen Einnahme-Quelle werden soll, kann ich trotzdem empfehlen.

Für mein Projekt WhiteHatBuddyAI habe ich dadurch einiges gelernt. Hier geht es darum, einen niederschwelligen Wrapper zur Verhinderung von Cyberangriffen zu bauen, der IT Administratoren ohne spezifische Vorkenntnisse bei der Behebung von kritischen Schwachstellen in IT Systemen unterstützt. „Kannst du das auch so aufsetzen, dass internationale Regierungen es nutzen können?“ Klar! Aber gut, dass die Anfrage zu Beginn der Entwicklung kam. Nicht zuletzt, um die zahlreichen regulatorischen Anforderungen auch über den umstrittenen EU AI Act hinaus einzuarbeiten.

Wer nicht unbedingt etwas Neues bauen möchte, aber noch viele gut gepflegte Altdaten hat, kann auch diese zu Geld machen. Denn ein Risiko für die KI besteht darin, dass sie sich irgendwann selber frisst, LLMs mit zu viel KI-generierten Inhalten gefüttert werden. Während ChatGPT mir erzählt, dass es auch Bücher gerne mag, wurde OpenAI bereits von der New York Times wegen Urheberrechts-Verletzungen verklagt, da Millionen ihrer Artikel zum Training des Modells genutzt wurden. Der Axel Springer Verlag schlägt da eine andere Richtung ein und lässt sich lieber mehrere Millionen pro Jahr für die Nutzung des eigenen Archivs bezahlen.

Darauf sollten Sie achten

  • Anstatt über Milliarden-Investments nachzudenken, lieber erst mal versuchen einen Wrapper zu bauen!
  • Altdaten und Branchenwissen sind dafür Gold wert!
  • Nutzertests machen und Feedback während der Entwicklung einholen!

4. Zusammen in Richtung Zukunft

Wer im Unternehmen bereits einen Datenschatz liegen hat oder ein ordentliches Wissensmanagement aufgesetzt, kann ja mal bei den Anbietern nachfragen, was da so finanziell möglich wäre. Ansonsten ist spätestens jetzt ein guter Zeitpunkt, um mit einer qualitativen Dokumentation von Nischen-Wissen anzufangen und Spielraum für Neues zu schaffen.

Kurse, Coaches und Berater für KI sprießen gerade wie Pilze aus dem Boden. Wirklich spannend – und lehrreich – wird es aber, wenn sich Mitarbeiter oder Teams zunächst ein eigenes kleines Projekt mit klarer Zielsetzung ausdenken, dadurch in die tiefere Recherche gehen, sich mit anderen Entwicklern austauschen und so Schritt für Schritt die notwendigen technischen Fähigkeiten beibringen. Die Bereiche Marketing und Training sind für solche Test-Projekte prädestiniert. Wer ein eigenes LLM aufsetzen und entsprechend investieren möchte, kann das ja später immer noch tun.

Für Unternehmen stellen sich erst einmal drei Herausforderungen: klare Rahmenbedingungen zu schaffen und ausreichend Zeit für Weiterbildung einräumen. Wer sich schon vorher mit Projekten aus dem Bereich Digitale Transformation schwergetan hat, sollte allerdings vorher auch noch einmal IT Infrastruktur, Datenqualität und Berechtigungs-Management auf Aktualität kontrollieren.

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In einer Welt, in der ein Großteil der Mitarbeiter nicht einmal die Standard-Programme einwandfrei beherrscht, ist zwar schon absehbar, dass einige Geschäftsprozesse und Jobprofile demnächst gleich ganz umgekrempelt werden. Wer Arbeitsentlastung und Effizienzsteigerung hinbekommt, kann alleine durch Einsparungen sein bestehendes Geschäftsmodell neu strukturieren. Für viele etablierte Unternehmen ist es aber ein langer Weg bis dahin und die bestehenden Mitarbeiter wollen mitgenommen werden. Jetzt mehr denn je!

Darauf sollten Sie achten

  • Datenschätze im eigenen Unternehmen aktiv suchen!
  • Datenqualität und Berechtigungs-Management noch einmal anschauen!
  • Mitarbeiter mitnehmen und Freiräume für unternehmerisch gedachte KI Projekte schaffen!