In diesen Tag jährt sich ein Ereignis, das die Industrie in Europa verändert hat. Die Robotik am Fraunhofer IPA in Stuttgart feiert in diesen Tagen ihr 50-jähriges Jubiläum. In den 70er Jahren kamen die ersten Roboter nach Europa und der Hype damals um die Maschinen ist vielleicht vergleichbar mit dem KI-Hype der Gegenwart. Das deutsche Nachrichtenmagazin Spiegel titelte 1978 mit einem stilisierten Roboter Titelbild: „Fortschritt macht arbeitslos.“ Die Befürchtungen, der „Kollege Roboter“ übernehme alle Aufgaben, trat nie ein. Ganz im Gegenteil. Die Länder mit der größten Roboterdichte wie Japan, Südkorea oder Deutschland hätten auch die höchsten Beschäftigungszahlen, heißt es am IPA. Und mittlerweile würden auch Gewerkschafter fordern: Bringt mir die Roboter, so Dr. Werner Kraus, der heute die Robotik am Fraunhofer IPA verantwortet.
Das IPA strahlt über Stuttgart hinaus – bis nach Österreich
Die Vordenker für die Robotik in Stuttgart und damit für ganz Europa waren Prof. Dr. Hans-Jürgen Warnecke und Prof. Dr. Rolf Dieter Schraft. Sie zählten zu den ersten Europäern, die in den USA den ersten Industrieroboter Unimate bestaunen durften und schrieben später das Standardwerk „Industrieroboter. Handbuch für Industrie und Wissenschaft.“ 1971 reisten beide nach Chicago und zwei Jahre später stand ein Unimate in Stuttgart und die Robotik am Fraunhofer IPA war geboren. Heute ist von der Industrierobotik in den USA nichts mehr übriggeblieben. Robotik in den USA konzentriert sich vor allem auf mobile Robotikanwendungen wie AMRs, Software und humanoide Ansätze.
Aber auch in Deutschland gibt es keinen großen Industrierobotikhersteller mehr. Kuka gehört mittlerweile einem chinesischen Unternehmen. Trotzdem spielt die Robotik eine wichtige Rolle in Europa denn zahlreiche Zulieferer, Komponentenlieferanten und Robotikunternehmensgründungen haben ihren Sitz hier. Und in Österreich: Keba, Agilox, TGW oder Knapp entwickeln für, profitieren von und verdienen mit der Robotik. Einige Startups sitzen in der Alpenrepublik. Dazu kommen die vielen Anwender. Auf 10.000 Menschen kommen 205 Roboter. Das ist international gesehen Platz 14. Deutschland kratzt an den 400.
Das Fraunhofer IPA entwickelte nie selbst Roboter, sah sich immer als Mittler zwischen Industrieanwender und Robotikanbieter und war Pilgerort für robotikbegeisterte Unternehmer. Anwendungsforschung war und ist das Ziel. Den Anfang machten die Industrieroboter, dann kam die Servicerobotik, die kollaborative Robotik (Mensch und Maschine arbeiten zusammen), der Open Source Ansatz Industrial ROS und heute das Zusammenspiel von KI und Robotik beispielsweise mit dem Griff in die Kiste. Doch neben der Anwendungsforschung gewann ein weiterer Bereich in den letzten Jahren an Bedeutung: Die Ausgründung von Unternehmen. Im Bereich Robotik sind vor allem die Unternehmen drag and bot (gehören mittlerweile zur Keba-Unternehmensgruppe), Premium Robotics (Lidl setzt auf die Greiferlösung), Assemblio (Montageplanung), Node Robotics (Software für mobile Robotik) und 4am Robotic (Servicerobotik) bekannt.
Das Zusammenspiel von Software, Robotik und der KI wird in Zukunft auch die Arbeit am Fraunhofer IPA weiter bestimmen. Davon sind die Beteiligten überzeugt. Und am Bodensee im Dreiländereck folgen die Entwicklerinnen und Entwickler von Fruitcore Robotics genau diesem Trend. Vor einigen Wochen schlossen die Gründer eine Serie B-Finanzierungsrunde ab und konnten 23 Mio. Euro frisches Kapital einsammeln (dieses Magazin berichtete). Das Geld fließt auch in das Betriebssystem horstOS mit dem integrierten AI Copiloten.
Was kann der?
Der Anwender kann mehr als Bedienungsanleitungen zusammenfassen. Ob bei der Einrichtung des Roboters und weiterer Komponenten, bei der Fehlerbehebung oder beim Vorschlagen von Programmbausteinen oder gar dem Schreiben ganzer Programme, der AI Copilot ermöglicht es Anwendern, Lösungen für ihre Anwendungen zu finden und den Betrieb reibungslos aufrechtzuerhalten. Möchte der Anwender beispielsweise erfahren, wie er dem Roboter die von der Kamera ermittelte Teileposition übergeben kann, kann er diese Frage per Text-Prompt an den AI Copiloten richten und erhält innerhalb weniger Augenblicke den entsprechenden Code-Baustein. Das erleichtert den Einsatz der Robotik – vor allem bei vielen kleineren Unternehmen.
Fruitcore Robotics nutzt die API von ChatGPT als LLM, das auf eigenen Daten trainiert wurde. Kundendaten gehen nicht an OpenAI, das ist den Machern wichtig. Die Entwicklerinnen und Entwickler wählen im Vorfeld die wichtigsten Komponenten rund um den Roboter aus und trainieren das Modell. Wichtig: Es muss nicht unbedingt ChatGPT von OpenAI sein. Fruitcore Robotics probiert sich auch an LLaMA und anderen, kleineren, lokalen LLMs aus. Aber: Safety-relevante Anwendungen werden nicht berührt oder vom LLM/ und den AI-Features unterstützt.
Liegt die Zukunft der Robotik in LLMs?
In der Bedienung, in der Konfiguration vielleicht. Aber für viel Aufmerksamkeit sorgte vor einigen Tagen ein neues Paper von Deep Mind. Die These: Roboter sind großartige Spezialisten, aber schlechte Generalisten. Normalerweise muss man für jede Aufgabe, jeden Roboter und jede Umgebung ein eigenes Modell trainieren. Wenn man nur eine einzige Variable ändert, muss man oft bei null anfangen. Deep Mind will das ändern. Zusammen mit Partnern aus 33 Labors (aus dem deutschsprachigen Raum war die Universität Freiburg dabei) haben die US-Amerikaner Daten von 22 verschiedenen Robotertypen zusammengetragen, um den Open X-Embodiment-Datensatz und das RT-X-Modell zu erstellen. Das Ergebnis: Generalisierte Modelle performen oft besser als Spezialentwicklungen. Das wird die Robotikbranche aufrütteln – nicht heute, aber mit einer neuen Generation von Hardware.
Und die Software? ROS – das Open Source Framework für die Robotik gewinnt immer mehr an Bedeutung. UR, Yaskawa, Intrinsic, Magna, ABB, Keba oder Bosch Rexroth sind dabei und öffnen sich dem Thema Open Source in der Robotik. Denn viele wissen, die Innovationsgeschwindigkeit der Open Source Community sucht ihres gleichen. Mittlerweile arbeiten Gruppen schon am Zusammenspiel von EtherCAT und ROS. Die Robotik erfindet sich neu – in der Software liegt bei vielen der Unterschied, die Bedienung verändert sich und doch braucht es immer noch Überzeugungsarbeit beim Mittelstand. Die Aufgabe: Weg von komplexen Lösungen, hin zu Robotikprodukten, Baukästen.