Künstliche Intelligenz : AI in der Industrie: Denk-Maschinen
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Werner Faulhaber muss sich, wenn es um KI in der Industrie geht, keine Gedanken um Steuerungen oder MES-Systeme machen. Was anderen Maschinenbauern oft lange Diskussionen abfordert, ist für ihn nie ein Problem gewesen. Faulhaber ist Bereichsleiter Entwicklung beim Spritzgussmaschinenbauer Arburg. Der Maschinenbauer hat seine eigene Steuerung, sein eigenes IIoT Gateway, seine eigene Plattform und sein eigenes MES. Darüber hinaus gehören die Arburg Ingenieure seit Jahren zu den Verfechtern von OPC UA – sprich die Datenqualität ist auch gesichert. Bessere Voraussetzungen für KI in der Industrie gibt es wohl kaum.
Tipp der Redaktion: Vertiefungen zum Thema Digitalisierung und KI lesen Sie in unserem Industriemagazin Kontext.
Doch die Herausforderungen im Kunststoffspritzgießen sind im Gegensatz zur Werkzeugmaschine größer, anders. Es geht vor allem um das Prozesswissen. Darüber hinaus fahren Kunden auf den Maschinen viele unterschiedliche Prozesse mit immer komplexeren Werkzeugen. Dazu kommt: Der Kunststoff muss in einem Kreislauf genutzt werden. Und es mangelt an erfahrenen Maschinenbedienern. Fachkräfte sind Mangelware. KI soll jetzt helfen.
"Der Aufwand zur Erforschung neuronaler Netze war damals immens."Werner Faulhaber, Bereichsleiter Entwicklung, Arburg
Federated Learning als Zukunftsperspektive
Schon vor 20 Jahren dachten die Arburg Entwickler an neuronale Netze und forschte mit ihnen. Eine zusätzliche CPU in der Maschine war schnell verbaut, Modelle für einzelne Prozesse entwickelt. „Der Aufwand war sehr groß. Wir haben analoge Daten umgewandelt und die Rechenleistung war zu gering“, erinnert sich Faulhaber im Podcast KI in der Industrie. Heute sieht es anders aus und Faulhaber und sein Team arbeiten an einem Basismodell für die Kunden.
Der Vorteil von Arburg: Die Verantwortlichen kennen die Prozesse, haben seit vielen Jahren Prozessdaten erfasst und können diese jetzt nutzen. Das Basismodell soll dem Kunden helfen, seine Prozesse besser zu fahren. Es basiert auf den unterschiedlichen Prozesstypen und den unterschiedlichen, wiederverwandten Materialien. Das bedeutet, der Anwender spielt das von Arburg entwickelte Modell auf die Steuerung und der unerfahrene Bediener wird ein stückweit an die Hand genommen. Mit mehr Erfahrung schärft der Anwender das Modell auf der Edge weiter, trainiert es für seine Bedürfnisse, lernt und verbessert seinen Prozess. Die Hoffnung wäre dann im nächsten Schritt, dass der Kunde das trainierte Modell wieder an Arburg zurückspielt. Federated Learning ist das Zauberwort.
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„Blech und Bildverarbeitung, das war immer schwierig.“Jens Ottnad, Head Data & AI, Trumpf
Das Prinzip klingt einfach. Kunde und Anbieter tauschen keine Daten mehr aus, sondern nur noch die trainierten Modelle. Dank des Kundenmodells kann der Anbieter auch sein Basismodell verbessern, hat aber keinen Einblick in die für das Training genutzten Datensätze. So entwickelt der Maschinenbauer ein mächtiges Modell, das immer wieder von neuen Teilmodellen der Kunden profitiert. Zukunftsmusik, aber die Planungen laufen.
Doch nicht nur bei Arburg denken die Ingenieure in neuen, digitalen Prozessen. „Blech und Bildverarbeitung, das war immer schwierig“, erklärt Jens Ottnad, Head Data & AI bei Trumpf im Podcast KI in der Industrie. Doch er und seine Kolleginnen und Kollegen haben es geschafft, haben Blech und Bild miteinander versöhnt. Sorting Guide heißt die Anwendung und Ottnad und seine Mitstreiter haben für das Assistenzsystem Bilder und Geometrien „zusammengepackt.“
KI-Assistenzsystem
Die KI-Lösung Sorting Guide erkennt den Entnahmevorgang und stellt dem Werker automatisch alle notwendigen Informationen für die Intralogistik zur Verfügung. So stellt es zusammengehörende Blechteile in verschiedenen Farben übersichtlich dar, etwa anhand des Auftrags, des Kunden oder des nachfolgenden Bearbeitungsschritts. Auf diese Weise ersetzt die Lösung Begleitpapiere, spart Zeit und hilft, Fehler zu vermeiden. Um an diese Erfolge anzuknüpfen, setzen die Partner die strategische Kooperation fort. „Das Ende der Zettelwirtschaft“, freut sich Ottnad.
Das System erkennt dank einer KI-Lösung, welches Teil der Bediener entnommen hat und zeigt ihm alle notwendigen Informationen auf einem Bildschirm an. Diese Informationen beinhalten zum Beispiel den Folgeprozess. Insbesondere bei Blechtafeln mit vielen unterschiedlichen Aufträgen steigert der Sorting Guide die Effizienz an der Schnittstelle zwischen Laserschneidmaschine und Intralogistik. Er unterstützt den Bediener bei der Optimierung der eigenen Abläufe, indem er beispielsweise auf dem Bildschirm Teile des gleichen Auftrags farblich markiert. Gleichzeitig ermöglicht er dem Bediener, am Palettenwechsler den Maschinenstatus und optional auch den Maschineninnenraum im Blick zu haben. So kann er auf Störungen unmittelbar reagieren.
Nachzählen der Teile entfällt.
Der Sorting Guide erfasst jedes entnommene Teil automatisch. Aufwändiges Nachzählen der Teile und händische Rückmeldungen ins Leitsystem gehören der Vergangenheit an. Die digital erfassten Daten im Leitsystem bilden damit in Echtzeit den realen Produktionsfortschritt in der Fertigung ab. Der Bediener sieht auf einen Blick, welche Teile bereit sind für die Weiterverarbeitung und wo er gegebenenfalls die Nachproduktion einleiten muss. Der Sorting Guide steigert die Produktivität im Arbeitsalltag und erhöht die Effizienz der Laserschneidmaschine. Bis zu 20 Prozent mehr Effizienz seien machbar, heißt es in der Branche.
Das Assistenzsystem besteht aus einer Kamera und einem Industrie-PC mit intelligenter Bildverarbeitung. Sein neuronales Netz erkennt, welche Teile der Maschinenbediener bereits von der Blechtafel entnommen hat. Im Gegensatz zu herkömmlichen Bildverarbeitungs-verfahren lässt sich dieses Netz durch kontinuierlich gesammelte Daten weiter trainieren und verbessern. Darüber hinaus dient die Datenbasis dazu, künftig weitere Optimierungspotenziale für die Anwender zu erschließen.
Noch mehr Hidden Champion als Trumpf oder Arburg ist die Witzenmann-Gruppe mit ihren 4600 Mitarbeitenden aus Pforzheim. Sie produzieren flexible, metallische Elemente. Mit einer Vielzahl von Hochlohnstandorten im Produktionsnetz hat die durchgängige Prozessautomatisierung eine hohe Bedeutung.
Die Kontrolle und Verpackung von Bauteilen werden derzeit durch manuelle und damit kostenintensive Arbeit durchgeführt. Die Automatisierung dieser End-of-Line-Prozesse bietet daher ein hohes Potenzial. Bisher sind am Markt jedoch keine standardmäßigen Lösungen für die flexible durchgängige Automatisierung dieser Prozesse vorhanden. Gemeinsam mit dem Fraunhofer IPA entwickelten die Verantwortlichen zunächst einen Projektplan, ein Demonstrator folgt jetzt.
Automatisierte Qualitätskontrolle.
Durch die Methoden der KI ist es vorstellbar, die visuelle Qualitätskontrolle mithilfe gelabelter Datensätze zu automatisieren, heißt es bei den Forschern. Die erkannten Fehler werden in einer Produktionslinie automatisch durch maschinelle Lernverfahren klassifiziert. Die Verpackung der Bauteile ist durch einen Echtzeitabgleich des Packbildes denkbar. Das automatisierte, füllgradoptimierte Beladen von Ladungsträgern ohne gegebenes Packmuster wird durch maschinelle Lernverfahren umgesetzt. Für eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung sollen die Kontrolle und Verpackung von flexiblen zylindrischen Bauteilen ganzheitlich und prozessübergreifend automatisiert werden.
Durch die Kombination von Bauteilhandling und Qualitätsprüfung von anspruchsvollen Bauteilen ergibt sich die Möglichkeit zur prozessübergreifenden Automatisierung von Produktionsprozessen. Diese Automatisierung bietet für Witzenmann die Chance, den wirtschaftlichen Betrieb diverser Produktionsprozesse in Hochlohnstandorten zu sichern und eine höhere Flexibilität der Produktionsprozesse zu erreichen. Die Lösung dieser Problemstellung bietet neue Möglichkeiten zur Automatisierung in der gesamten Zulieferindustrie.
Die Elemente der angestrebten Lösung sollen in Form eines Baukastensystems mit offenen Schnittstellen vorliegen, sodass sie in bestehende Produktionsprozesse integriert und skalierbar eingesetzt werden können. Sollte die technische Machbarkeit erwiesen werden, sind Prototypen zunächst in einem internen Laborversuch zu erproben, um diese anschließend in die Produktionsprozesse zu integrieren. Hierzu wird ein firmeninternes Digital-Labor aufgebaut, welches die Möglichkeit bietet, Datenaufnahme, Tests und Roboterversuche im Rahmen des Projekts durchzuführen. Ohne die Produktion zu beeinträchtigen, können Lösungen im Labor bis zur Einsatzreife erprobt werden. Vor diesem Hintergrund kann auch bestehende Kameratechnik im Rahmen des Projekts genutzt werden.