Elektromobilität : Keba-Energy-Automation-CEO Knogler: "Dann ist das Ladeproblem im Alltag erstmal gelöst"
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Knogler, Wallbox-Lösungen sind am Vormarsch. Aber wie interessant sind diese für Industrieunternehmen?
Christoph Knogler: Sehr interessant. Man könnte von einem sich anbahnenden Hygienefaktor sprechen. Die Zulassungsstatistiken sprechen eine klare Sprache. Elektromobilität ist nicht länger nur etwas für Enthusiasten oder Freunde sportlicher Fahrzeuge. Elektromobilität geht Dank der Verfügbarkeit entsprechender Fahrzeugmodelle, die nun auf unterschiedliche Käuferschichten zugeschnitten sind, in die gesellschaftliche Breite. Entsprechend bereiten sich mehr und mehr Unternehmen auf diese neue Ära der Mobilität vor. Viele sind allerdings auch noch in Warteposition.
Welche Abwägungen spielen eine Rolle?
Knogler: Ein Vergleich mit der Umstellung auf PCs am Arbeitsplatz, mit der Einführung des Internets oder mit Mobiltelefonen für Mitarbeiter ist nicht ganz abwegig. Wird es sich denn durchsetzen? Lohnt sich die Investition? Auch in den genannten Fällen gab es Vorreiter und Nachzügler. Optimisten und Pessimisten. Am Ende setzt sich sinnvolle Technologie durch. Das war wohl schon immer so. Und Elektromobilität ist schon alleine wegen dem unvergleichlich hohen Gesamtwirkungsgrad der Fahrzeuge eine sinnvolle Technologie.
Sind adäquate Lademöglichkeiten schon Bringschuld des Arbeitgebers?
Knogler: Während man sich als Elektromobilist zuhause selbst um die Ladeinfrastruktur kümmert, ist die Erwartungshaltung am Arbeitsplatz eine andere. Dort wird es immer stärker eine Erwartungshaltung an den Arbeitgeber. Während man ein Unternehmen als Mitarbeiter oder Gast wohl nicht nach der Möglichkeit gefragt hätte, Benzin oder Diesel für das eigene Fahrzeug zur Verfügung gestellt zu bekommen, wird die Frage nach der Verfügbarkeit eines Ladepunktes immer häufiger gestellt. Viele Unternehmen möchten durch e-Mobilität ihre eigene Ökobilanz in Bezug auf die eigene Flotte aufbessern. Schließlich stehen CO2- und Klimaabgaben zur Debatte. Somit ist die Installation von Ladeinfrastruktur für Mittelständler und die Industrie oftmals eine win/win Situation für alle Beteiligten.
Wie gehen Unternehmen am besten vor?
Knogler: Ladeinfrastruktur ist ein beratungsintensives Thema. Was ist die passende Lösung? AC oder DC? Wallboxen oder Schnellladesysteme? Lastmanagement - ja oder nein? Lokale Systeme oder ein Charge Point Operator Service? Am Ende ist die Antwort für Unternehmen meistens ähnlich: (AC Ladepunkte als Wallbox am Parkplatz mit Typ2 Anschlussmöglichkeiten, 11-22kW Ladeleistung und Lastmanagement - entweder autark und Lokal oder über einen CPO. Aber da das Thema noch sehr neu ist, gibt es bei Entscheidungsträgern oft noch wenig Klarheit zu Beginn der Diskussion. Hier stehen wir mit unseren Partnern mittlerweile mit einem breiten Schulungs- und Beratungsangebot bereit.
Wie spiegelt sich das anziehende Interesse in den Verkaufszahlen wieder?
Knogler: Insgesamt ist die Nachfrage nach Ladesystemen, wie unserer Keba KeContact P30 aktuell auf einem all-time High - Tendenz weiter steigend. Wir freuen uns über den guten Auftragseingang und vor allem darüber, dass wir uns frühzeitig darauf einstellen konnten. Trotzdem sind auch unsere Lieferzeiten heute länger, als sie das noch vor einem Jahr wahren. Die angespannte Situation am Halbleitermarkt zieht auch an uns nicht ganz spurlos vorbei. Mit eigenen Elektronikfertigungs- und Assembling Linien in Linz sind wir jedoch glücklicherweise als Keba weitgehend unabhängig und nehmen die Skalierung selbst in die Hand.
Wir sehen einen nachhaltigen Bedarf. Mittelfristig sind wir davon überzeugt, dass ein großer Teil der Parkplätze bei Firmen, Hotels, Shopping Centers und Restaurants mit Ladepunkten ausgestattet sein wird. Norwegen zeigt hier vor, wie die Zukunft auch bei uns aussehen wird.
Welche Ladeszeanrien findet man in der Industrie?
Knogler: Vorweg: Wenn man in der Firma laden kann, so ist bei den aktuellen Reichweiten das Ladeproblem im Alltag erstmal gelöst. Für alles weitere gibt es mittlerweile ausreichend öffentliche Ladeinfrastruktur - auch mit Schnelllademöglichkeit - sogenannten High Performance Chargern (HPC) mit bis zu 300kW Ladeleistung. Jedenfalls sehen wir, dass lokale, einfach zu nutzende Lösungen gefragt sind, die es den Betreibern der Ladestationen, also auch den Unternehmen, ermöglichen, entnommene kWh exakt zuzuordnen und. ggf. zu verrechnen. Beim Mitarbeiterladen sollte es zB ohne Probleme möglich sein, die konsumierte Energie über die Lohn- bzw. Gehaltsabrechnung möglichst automatisch und natürlich transparent zu verrechnen. An einer solchen easy-to-use Lösung, die sich mit unseren lokalen Lastmanagementsystemen kombinieren lassen, arbeiten wir aktuell. Hier steht demnächst eine Erweiterung unseres Portfolios an.
Unterscheiden sich die Herausforderungen industrieller Lösungen von jenen im Wohnbau?
Knogler: Die Herausforderungen sind jenen im Wohnbau sehr ähnlich. Es gibt eine max. verfügbare Netzanschlussleistung. Es gibt mehr als einen Ladepunkt. Dies bedeutet, dass wir von Netzwerken mit Lastmanagement-Controller sprechen. Es gilt teure Lastspitzen zu vermeiden und gleichzeitig die max. verfügbare Leistung zu nutzen. Somit führt an dynamischem Lastmanagement kein Weg vorbei. Weder mit den eigenen Produktionsanlagen, noch mit dem Parkhaus möchten Unternehmer teure Lastspitzen riskieren. Hinzu kommt die bereits erwähnte Thematik der kWh-Abrechnung. Eine gewisse Zeit lang wird es für Unternehmen noch darstellbar sein, den Strom kostenlos zur Verfügung zu stellen. Auch steuerlich ist dies sachbezugsfrei möglich. Dies wird aber nicht ewig so bleiben. Somit braucht es möglichst einfache Möglichkeiten für die Abrechnung. Charge Point Operators bieten das bereits heute als Service u.a. mit unseren OCPP-fähigen KeContact P30 Geräten an. Die Alternative dazu sind einfache lokale Lösungen im eigenen Unternehmensnetzwerk.
Was wird sich mittelfristig durchsetzen – die eigene Stromtankstelle am Firmensitz, Wallboxlösungen – oder eine Kombination aus beidem?
Knogler: Unser Zukunftsbild ist selbstverständlich sehr Wallbox-lastig. Wir haben selbst mit öffentlichen Stromtankstellen begonnen und im Laufe der Zeit festgestellt, dass die sinnvollste Ladeinfrastruktur jene ist, die mit wenig Ladeleistung immer dort zum Einsatz kommt, wo das Fahrzeug eine mittlere bis lange Verweildauer hat, d.h. alles größer ca. 2 Stunden. So werden die bestehenden Netze nicht überfordert und die Batterien der Fahrzeuge geschont, d.h. deren Lebensdauer verlängert. 11-22kW max. Ladeleistung am Ladepunkt reichen absolut aus.
Dass es speziell bei Fuhrparks, wie beispielsweise Taxiunternehmen oder Lieferservices zusätzlich zu den Wallboxen sinnvoll sein kann, einen sogenannten HPC (High-Performance-Charger) zu installieren, ist durchaus denkbar. Wobei die Investition im Vergleich zur Nutzung öffentlicher HPC-Infrastruktur trotz höherer kWh-Kosten beim öffentlichen Laden genau überlegt sein sollte. Langfristig sehen wir zusätzlich zu den Wechselstrom-Wallboxen auch die Gleichstromtechnologie. Vehicle-to-Grid (V2G) ist hier das Schlagwort, das mittlerweile nicht nur Insidern ein Begriff ist. Die Nutzung der vielen Millionen kWh, die die große Schwarmbatterie, bestehend aus Tausenden Fahrzeugen speichern und bei Bedarf auch wieder abgeben kann.
Wie sind Kebas Weichenstellungen beim Kommunikationsstandard OCPP 1.6 (Freier Ladepunkt Kommunikationsstandard) sowie der Mitgliedschaft bei der Open Charge Alliance zu interpretieren – generiert man daraus maßgeblich Nutzen?
Knogler: Ganz allgemein ist es optimal, dass sich mit OCPP ein gemeinsamer Kommunikationsstandard durchgesetzt hat, den sämtliche Charge Point Operators nutzen und auch in die Breite getragen haben. Da es sich hier im wesentlichen um Software handelt, ist es allerdings kein statisches Thema. Auch OCPP entwickelt sich weiter und wir freuen uns, hier mit unseren Produkten und in unserem Netzwerk am Puls der Zeit zu sein. Somit ein Bekenntnis unsererseits zu OCPP.
Außerdem beschäftigt uns das Ökosystem rund um die Ladepunkte. Vor einiger Zeit hätten wir beispielsweise noch behauptet, dass man für eine Wallbox keine herstellerseitige App braucht, solange die Nutzer mit den Apps ihrer Fahrzeuge alles in und um das Thema Laden steuern können. Diese Überzeugung hat zuletzt beim diesjährigen ADAC-Wallbox Test (den der ÖAMTC hierzulande 1:1 übernimmt), bei dem das Vorhandensein einer Herstellerapp als Teilnahmekriterium definiert wurde, dazu geführt, dass wir als europäischer Top-Hersteller mit mehr als 250.000 gelieferten Wallboxen im Feld (Stand April 2021) nicht berücksichtigt wurden. Hier werden wir uns neu positionieren.
In einem also ziemlich hart umkämpften Markt?
Knogler: Der Wettbewerb schläft nicht. Waren es anfangs noch die Schaltschrankbauer, die sich am Thema Elektromobilität versucht haben, ist es heute ein bunter Blumenstrauß aus Start-ups, kleineren Playern, etablierten Herstellern wie Keba und seit einiger Zeit nun auch Weltkonzernen, die sich ihr Stück vom Kuchen sichern wollen. Auch eine gewisse Konsolidierung hat bereits eingesetzt. Wir stehen der weiteren Entwicklung jedoch sehr zuversichtlich gegenüber. Wir befinden uns in einem starken Wachstumsmarkt. Somit ist der Kuchen aktuell jedenfalls groß genug. Wir selbst konnten unseren Platz unter den europäischen Top-Playern bisher behaupten und wollen das auch weiterhin tun. Mit in Österreich produzierten Lösungen, die damit auch heimische Arbeitsplätze sichern. In Leonding wird in den kommenden Jahren etwa ein neuer Keba-Fertigungsstandort entstehen, an dem zukünftig eben auch unsere Ladestationen produziert werden.
Wie international ist Ihr Geschäft?
Knogler: Wir sind historisch sehr stark im DACH-Raum und in Nordeuropa positioniert. Technologisch spielt Nordeuropa eine ganz wesentliche Rolle. In der Branche gilt noch immer die Weisheit, dass nordische Länder wie Norwegen in puncto E-Mobilität doch einige Jahre voraus sind. Wir durften mit unseren lokalen Partnern hier laufend dazulernen, was sich in unserem Portfolio heute widerspiegelt. Geografisch erstreckt sich unser Vertriebsgebiet allerdings über den ganzen Globus.
Als wie zufriedenstellend sind die Fördermöglichkeiten für Unternehmen betreffend E-Tanken zu interpretieren?
Knogler: Mittlerweile gibt es in den meisten europäischen Ländern entsprechende Fördermöglichkeiten. Und wie das so ist, gibt es auch hier je nach Land Stimmen, die behaupten, es wäre zu viel und andere, die behaupten, es wäre zu wenig. Aus unserer Sicht, sind die aktuellen Förderungen allesamt begrüßenswert, da sie dazu beitragen das Henne-Ei Problem zu lösen. Was zuerst: das E-Auto oder die nötige Infrastruktur? Grundsätzlich muss sich das Thema allerdings auch ganz ohne Förderungen darstellen lassen. Förderungen sind jedoch ein guter Beschleuniger um schneller auf klimaneutrale Mobilität umsteigen zu können.
Wir werden übrigens immer wieder auf den Effekt angesprochen, den der Wegfall von Förderungen für Photovoltaik in Deutschland auf die dortige damals boomende Solar-Branche hatte. Wir sehen hier keine Parallelen. Die Solaranlage am Dach ist gut und richtig - im Sinne der Energiewende auch sehr wichtig. Aber es geht auch ohne. Wenn die sich die Automobilhersteller im nächsten Jahrzehnt vom Verbrennungsmotor hin zum Elektroantrieb wenden, dann gibt es keine Alternative zum Ausbau der Ladeinfrastruktur. Man braucht sie - ob mit oder ohne großzügiger Förderungen.