Stockende Antriebswende : Holger Fastabend, GG Group: "Auf Flexibilität getrimmt"

GG Group Shopfloor

GG Group: Produktion von Hochvolt Leitungssätzen in Baltí, Republik Moldau

- © GG Group

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Fastabend, die Elektrowende stockt. Was heißt das für Zulieferer?

Holger Fastabend:
Getrieben durch den kurzfristigen Auslauf von Incentives für BEVs in Deutschland, ist seit Anfang 2024 am gesamten europäischen Markt eine teilweise Ernüchterung bzw. Markteintrübung bemerkbar. Neueste Ankündigungen wie z.B. seitens Tesla weisen auf ein geringeres Wachstum in 2024 hin, Start-Ups wie Rivian und andere kommen aktuell stark unter Druck...

Es ist zum Verzweifeln?


Fastabend:
Nicht unbedingt. Die Preise für elektrifizierte Neufahrzeuge und Gebrauchtwagen sinken sukzessive weiter ab, um Umsätze zu generieren und auch um im Wettbewerb mit den konventionellen Fahrzeugen (ICE) an Attraktivität zu gewinnen. Das globale Wachstum bleibt, getrieben durch China, dennoch unverändert stark. Aktuelle Forecasts und Analysen gehen von einer kurzfristigen Abflachung des Marktwachstums aus und sehen keine grundsätzliche Abkehr von der Elektrifizierung des Verkehrs. Dennoch sorgen die aktuellen, unsicheren Rahmenbedingungen dafür, dass einige OEMs bereits verabschiedete “Electric Only” Strategien auf den Prüfstand stellen und sich, zu Gunsten längerer Laufzeiten von Verbrennern, auf einen flacheren Anlauf von BEVs in der EU einstellen.

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Aus dem Blickwinkel der Zulieferindustrie stellt die weiterhin volatile Volumensentwicklung und die generell fehlende Planungssicherheit mit Sicherheit die größte Herausforderung dar. Vorinvestitionen in Entwicklung und die Schaffung entsprechender Kapazitäten für automatisierte Produktion müssen sich amortisieren und die Ressourcenplanung der Zukunft muss auf höchste Flexibilität getrimmt sein, um Bedarfsschwankungen ausnivellieren zu können.

Die Zeiten sind also herausfordernd.


Fastabend:
Die Automobilindustrie ist im Umbruch und erfindet sich gerade mit rasanter Geschwindigkeit neu. Viele Parameter, die seit Jahrzehnten als gesetzt galten, verändern sich: Kundenpräferenzen, globale Marktanteile, Lieferketten, Technologien … das alles befindet sich momentan „im Fluss“. Ein dynamisches Spielfeld mit hohen Anforderungen und volatilen Einflüssen – an sich ein Risiko, aber auch eine Chance für jene Player, die dem gewachsen sind und sich entsprechend resilient aufstellen.

Wir bei GG sind generell auf die Energie- und Datenübertragung im Fahrzeug fokussiert. Im Bereich der E-Mobilität sind das die Bereiche der Versorgung mit 12V/48V Applikationen sowie im HV-Bereich die Umfänge für die Traktion (Antriebsstrang), die Ladeleitung sowie der Nebenaggregate (Hochstromverbraucher). Wir stellen uns hier einem durchaus beachtlichen internationalen Wettbewerb in der automotiven Zulieferbranche und haben überlappende Portfoliobereiche mit einer Vielzahl von Unternehmen.

Worin kann man sich zum Mitbewerb unterscheiden?

Fastabend:
Seitens GG differenzieren wir uns klar zum Wettbewerb durch die vertikale Integration unserer Produkte und Kompetenzen – wir nutzen unseren eigenen Leitungen, Verbindungstechnologien und Komponenten. Zusammen mit unserer traditionell starken Kompetenz für Aluminium, Entwicklung und Simulation können wir unseren Kunden maßgeschneiderte Lösungen anbieten die Gewicht-, CO²- und obendrein Kostenvorteile bieten.

Darüber hinaus haben wir bereits vor Jahren erkannt, dass die Etablierung von Partnerschaften und Kooperationen ebenfalls ein großer Erfolgsfaktor ist und uns dementsprechend aufgestellt. Auch im Bereich der Produktionstechnologie und Automatisierung sehen wir uns als innovativen Partner unserer Kunden. In den neusten Kundenprojekten im Bereich der E-Mobilität konnten wir durch die Bank neue Maßstäbe in der Automatisierung der Produktion setzen. Mit diesem Setup sind wir am Markt unique und gut aufgestellt im internationalen Wettbewerb.

Wie stellen Sie sich entwicklungsseitig auf?


Fastabend:
Es ist keine generelle Frage mehr, ob E-Mobility kommt oder sich durchsetzen wird, es ist nur noch nicht sicher wie schnell und in welchen Bereichen. Trotz der erstmalig vollständigen Umstellung auf 48V im Niedervoltbereich bei Tesla – Stichwort “Cybertruck” - ist technologisch in den nächsten Jahren weiterhin von einer Kombination von 12V und 48V Niedervoltsystemen und 400-800V bzw. 1000V Hochvoltsystemen auszugehen. Fahrzeuge mit mehreren Spannungsebenen, haben einen höheren Bedarf an Kabeln und Kabelsätzen mit unterschiedlichen Anforderungen.

Insbesondere der Ladepfad stellt, aufgrund rasanter Fortschritte im Bereich der Speichertechnologien (Zellchemie zur Erhöhung der Reichweite/Energiedichte, Schnellladefähigkeit und Sicherheit) und der damit einhergehenden Anforderungen an das “System Leitungssatz”, erhebliches Innovationspotential dar. Wir arbeiten hier bereits mit verschiedenen Partnern an konkreten, innovativen Lösungen für die zukünftigen Anforderungen.

Wie lautet Ihre Prognose für die kommenden Jahre?


Fastabend:
In den nächsten Jahren, mindestens bis 2035, gehen wir deshalb weiter von einer vielschichtigen Marktsituation aus: Wir erwarten einen Mix aus einem schrumpfenden Markt für Verbrenner, einem stabilen Markt im Bereich PHEV sowie einem wachsenden Markt für BEV. GG hat hier jedenfalls große Wachstumspotenziale. Zum einen läuft unser bestehendes Business mit Starter- und Generator-Leitungssträngen nun länger als ursprünglich erwartet und die neu gewonnen Aufträge in der E-Mobilität laufen parallel ebenfalls an.

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Durch den höheren Lieferanteil unseres Portfolios am Gesamtfahrzeug - vor allem im Bereich der E-Mobilität - wird der Umsatz pro Fahrzeug / Content erheblich steigen. Auch fragen unsere Kunden immer stärker nach unserer Kompetenz bei Versorgungsleitungssträngen aus Aluminium. Dies betrifft bereits jetzt alle Segmente, zukünftig möglicherwiese auch den Marktbereich der Nutzfahrzeuge, wo wir ebenfalls viel Potential für zusätzliches Wachstum sehen.
Holger Fastabend CSO CTO GG Group
Holger Fastabend, CSO/CTO GG Group: "Mit diesem Setup sind wir am Markt unique" - © GG Group