Cryogas : Cryomotive-CTO Christian Forstner: Mr. Wasserstoff
Sein neuer Dienstort klingt anmutig, fast so, als wäre er nur für den Zweck einer grünen Gründerstory erfunden worden: Grasbrunn, eine 7000-Seelen-Gemeinde knapp 15 Kilometer außerhalb vom Münchner Zentrum, kommt, großzügig mit Wald, Wiesen und Äckern gesegnet, der Vorstellung eines Naturidylls schon ziemlich nah. Christian Forstner, der bis Oktober bei der Salzburger Aluminium AG den Innovationsarm leitete, setzte die Prioritäten bei der Wahl seiner nächsten beruflichen Wegmarke freilich nicht nur nach diesem Gesichtspunkt. Wichtiger ist Forstner die Vision, mit der das Startup zur Entwicklung und Produktion von Wasserstoffspeicher- und Betankungstechnologien, Tochter der ebenfalls in Grasbrunn domizilierten Hynergy, für Nutzfahrzeuge antritt: Vom früheren Leiter des BMW-Brennstoffzellenprogramms Tobias Brunner und Christiane Heyer gegründet, will Cryomotive mit Partnern aus der Fahrzeugindustrie die kryogene Wasserstofftechnologie für schwere Nutzfahrzeuge "sehr zielstrebig", wie Forstner sagt, zum Durchbruch verhelfen.
2023 wird es ernst
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, was das bayrische Technologie-Start-up unter zielstrebig versteht, reicht ein Blick in dessen Planungshorizont: 2023 soll mit einem Partner aus der Riege europäischer Lkw-Hersteller ein Fahrzeugprototyp in die Vorserientests mit dem neuen Speicherkonzept für Cryogas und einem darauf ausgelegten Betankungssystem gehen.
Der Wasserstoff wird dabei an der Tankstelle sehr effizient aus dem flüssigen Zustand heraus komprimiert und als tiefkaltes Gas mit sehr hoher Dichte in den Tank gefüllt. 800 bis 1.000 Kilometer Reichweite - also Szenarien für die Langstrecke - sollen mit einer Tankladung realisiert werden können, die Tankstelleninfrastruktur soll - so die Vision - an den Hauptrouten und großen Verkehrsadern verortet werden.
"Bei alledem führt an Tieftemperatur-Flüssiggasspeichertanks wohl kein Weg vorbei", heißt es bei Cryomotive. Ein Szenario mit Hochdruckspeichern hätte aus derzeitiger Sicht wohl nur Außenseiterchancen. 2024 oder 2025 soll die Serienfertigung der Technologiemodule für schwere Nutzfahrzeuge, also für jene Branche, in der der ökologische Nutzen einer grünen Technologie bei entsprechend lückenloser Versorgungskette derzeit wohl am größten ist, anlaufen. Die Vorkehrungen im Projekt wurden - wie jüngst mit der Bestellung von Forstner zum CTO - sehr sorgsam getroffen. Etwa bei der Co-Entwicklung mit dem Partnerunternehmen, in der gerade in den letzten Wochen das Tempo anzog.
Aufbau einer Produktion zur Jahresmitte
Rückt mittelfristig die Skalierung der Technologie insden Fokus, stehen sehr zeitnah vorgelagerte Aufgaben, die auch erst einmal gehoben werden müssen, an. Etwa der Aufbau eines Maschinenparks an einem noch final zu bestimmenden Produktionsstandort für die Prototypenfertigung wie etwa der inneren Druckbehältnisse.
"Mitte des Jahres wollen wir soweit sein", sagt CTO Forstner. Das Umfeld für derlei Innovation sei in Deutschland jedenfalls hervorragend, findet der Österreicher. "Es gibt hier eine klare Strategie und Mittel für Wasserstoffprojekte", sagt er.
Pufferbare Energieform
Dass die Wasserstofftechnologie ihren Weg machen wird, dessen ist sich Forstner sicher. Das bestechende der Technologie sei ja gerade, dass sich dessen Erzeugung von seiner Nutzung entkoppeln lässt. "Flüssiger Wasserstoff lässt sich wunderbar puffern und Anwendungen zeitlich entzerren", sagt Forstner. Zugleich ließe sich mit der flüssigen Wasserstoff-Vorkette bis zur Tankstelle ein einheitlicher Betankungsstandard für Langstrecken-Lkw schaffen "und bei Bedarf könnte man damit auch leichte Nutzfahrzeuge mit konventioneller 350 bar Betankung mitbedienen", sagt er.
Wie es auch kommen mag: Forstner glaubt, dass die wirtschaftliche Erzeugung des grünen, flüssigen Wasserstoffs in großem Stil außerhalb der EU erfolgen wird. Aber auch dezentral in kleineren Anlagen erzeugter grüner Wasserstoff ist sinnvoll, wenn der Verbrauch auch regional erfolgt, beispielsweise in Stadtbussen oder im Lieferverkehr. Dass das funktioniere, beweise ein Projekt in der Schweiz. Dort würde die für den Betrieb von Hyundai-Brennstoffzellen-Lkw notwendige Energie von erneuerbaren Quellen wie Wasserkraft oder Sonnenenergie geliefert.