Felsners Faktencheck : Werner Faymann im Münchhausen-Test

Felsners Faktencheck
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Lieber Herr Faymann,

vorab herzliche Gratulation zur stimmenstärksten Partei bei den Nationalratswahlen. Wie Sie offen zugeben müssen, verdanken Sie Ihre Titelverteidigung als Kanzler allerdings nicht zukunftsweisenden politischen Neuerungen sondern vielmehr einem senil wirkenden Ex-Unternehmer und einem grundsätzlich verantwortungsbewussten Vorschlag Ihres Koalitionspartners.

Ihre Kollegen aus der ÖVP wollten die vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsalters auf 65 diskutieren. In Ihren Reihen freute man sich wortwörtlich über diesen „aufgelegten Elfmeter“, den Sie mit einer klaren Absage auch perfekt verwandelt haben. Als Retter der Pensionsprivilegien haben Ihnen letztendlich die aktiven Rentner mit überwältigender Mehrheit ihre Stimme geschenkt und Sie zur weiterhin stärksten Kraft im Land gemacht.

Tatsächlich kann sich die SPÖ nicht vorwerfen lassen, an den stark reduzierten Pensionsleistungen für die nach 1955 geborene Generation maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Die dafür maßgebliche Gesetzgebung erfolgte zwischen 2003 und 2005 von der schwarz/blauen Regierung. (Regierungs-)Verantwortung zu übernehmen, bedeutet auch, unpopuläre aber notwendige Entscheidungen zu treffen. Veraltete Privilegien zu erhalten und Reformen zu verpassen, kann wie beim SPÖ-nahen Konsum zur Pleite führen.

Es ist wahrscheinlich auch gar nicht notwendig, das – politisch äußerst heiße – Eisen der Anhebung des Rentenalters anzugreifen. Man kann das Problem auch über die Höhe der Abschläge bei vorzeitigen Pensionierungen steuern. Mit dem Sparpaket 2012 haben Sie mit der ÖVP beschlossen, dass die Abschläge für die Früh(Korridor)pension von 4,2 % auf 5,1 % pro Jahr erhöht werden. Diese Rentenform ist ab dem 62. Lebensjahr möglich. 5,1 % pro Jahr x 3 = 15,3 % Abschlag. Theoretisch.

Wenn ich meinen eigenen Pensionsanspruch durchrechne, würde ich mit 62 um EUR 9.506,- pro Jahr weniger an Rentenleistung erhalten, meine Pension mit 65 wäre um 27,77 % höher. Das liegt vordergründig daran, dass ich zwischen 62 und 65 natürlich auch noch Pensionsversicherungsbeiträge bezahle und diese natürlich meine Rente noch erhöhen, während mit 62 von einer geringeren Basis 15,3 % abgeschlagen werden.

Wäre ich ein Schwerarbeiter, könnte ich mit 60 in Pension gehen. Ein schönes und sicherlich gerechtfertigtes Privileg, wenn man ein Leben lang am Hochofen geschuftet hat. Die Abschläge wären hier nur 1,8 % pro Jahr. Klingt gut. Meine Pension würde aber um EUR 13.622,- geringer als mit 65 ausfallen. Geringerer Abschlag aber 5 Jahre weniger Beitragsleistung. Übrigens: Dass man künftig 45 Versicherungsjahre für die Schwerarbeitspension benötigt (also mit 15 schon zu arbeiten beginnen muss), um mit 60 gehen zu können, macht die Sache nicht einfacher.

Wie wir beide, Ihre Parteigenossen und Ihre Pensionistenvertreter wissen, werden nur wenige Österreicher tatsächlich bis 65 arbeitsfähig sein. Für manuell tätige Menschen wie Maurer, Fliesenleger, Schichtarbeiter oder auch Krankenschwestern ist die Korridor/Frühpension kein „nice to have“, sondern die einzige Möglichkeit, nach Dahinschwinden der Arbeitskraft an gesetzliche Leistungen zu kommen. Sobald ein (Früh-)Pensionsanspruch erworben wurde, gibt es kein Arbeitslosengeld mehr. Diese Menschen werden also künftig mit sehr niedrigen Renten abgespeist werden. Kein Vergleich zu derzeit, wo Abschläge noch nicht wirklich ein Thema sind und die Pensionshöhe noch nach viel günstigeren Kriterien berechnet wird.

Zum Frauenpensionsalter 60 noch eine Anmerkung. Für sozial gut abgesicherte Frauen in einer Ehe mit berufstätigem Mann sicherlich ein schönes (Wahl-)Zuckerl, schon mit 60 eine Rente ohne Abschläge zu bekommen. Sozial schwachen Frauen (z. B. Geschiedenen) dagegen vorzugaukeln, sie hätten sich auch das frühe Rentenalter verdient, ist völliger Schwachsinn. 5 Jahre kürzer als Männer zu arbeiten und in der Regel weniger im Erwerbsleben verdient und damit Beträge bezahlt zu haben, führt zu eklatant geringen Pensionen. Diese Frauen sollten bzw. müssten daher eigentlich weiterarbeiten. Dem Arbeitgeber gibt man allerdings mit dem Rentenalter 60 die Möglichkeit, diese Frauen durch günstigeres, jüngeres Personal zu ersetzen und eine Anstellung über das 60. Lebensjahr hinaus zu verweigern.

Lieber Herr Faymann, wir müssen für die Stabilität der Pension und der Kaufkraftsicherung der künftigen Rentner etwas tun. Die finanzielle Verantwortung kann der Staat alleine nicht mehr übernehmen. Wir brauchen eine staatliche Grundsicherung, und der Rest muss teils freiwillig teils durch entsprechende „Zwangsbeiträge“ in betriebliche oder private Vorsorgen sichergestellt werden. Doch zuerst muss die Regierung den Mut haben, allen Betroffenen reinen Wein einzuschenken.

Derzeit wirken Sie auf mich wie ein Lehrer, der jetzt schon weiß, dass die halbe Klasse durchfallen wird, mit dieser Information aber noch bis zur Zeugnisverteilung wartet. Geben Sie den Betroffenen die Chance zu reagieren.

Ronald Felsner ist Geschäftsführer der 4 sales development KG, Lehrbeauftragter an der Donauuniversität Krems und Trainer für die Finanzbranche mit Schwerpunkt gesetzliche Sozialversicherung.

www.sales-development.at