Stahlindustrie : Washington gegen Europas Stahlindustrie: Sechs wichtigste Antworten

Die Regierung Trump kündigt wegen angeblichen Dumpings Strafzölle gegen ausländische Stahlhersteller an. Genannt wird ausdrücklich die Voestalpine in Linz sowie Salzgitter und Dillinger Hütte. Während Voestalpine-Chef Wolfgang Eder relativiert, kommen aus Deutschland deutliche Worte.

(1) Worum geht es?

Die US-Regierung will scharf gegen Dumpingpreise ausländischer Stahlhersteller vorgehen - darunter auch die Linzer Voestalpine sowie gegen den zweitgrößten deutschen Stahlhersteller Salzgitter und das im Saarland beheimatete Unternehmen Dillinger Hütte.

Laut den Berechnungen aus Washington verkaufen auch Konzerne aus Frankreich, Belgien, Italien, Japan, Südkorea und Taiwan Stahlerzeugnisse unter ihrem "fairen" Wert.

(2) Was genau ist mit dem Vorwurf des Dumping gemeint?

Dumping-Raten bezeichnen den Prozentsatz, mit dem die Verkäufe unter einem fairen Preis liegen. Washington meint damit den Prozentsatz, um den nach Ansicht der USA der Preis unter die Herstellungskosten gedrückt worden ist.

Den Berechnungen liegen Regeln der Welthandelsorganisation zugrunde. Dazu hat sich die deutsche Bundesregierung im Vorfeld ihrer Festlegung mit der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström dafür eingesetzt, dass die WTO-Regeln als Berechnungsgrundlage eingesetzt werden.

(3) Wie sieht aktuell die Linie Washingtons aus?

US-Handelsminister Wilbur Ross hat jetzt angekündigt, dass US-Präsident Donald Trump noch diese Woche zwei Dekrete unterzeichnen werde, um dem Handelsdefizit der USA "Land für Land und Produkt für Produkt" auf den Grund zu gehen.

Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg wirft er dabei Stahlkonzernen aus mehreren Ländern Preisdumping vor - mit Margen von 3,62 bis 148,02 Prozent. Insgesamt geht es demnach um einen Untersuchungszeitraum ab 2015 und dabei um Einfuhren im Wert von umgerechnet 682 Millionen Euro.

Und so soll es weitergehen: Das Handelsministerium will den Zoll- und Grenzschutz anweisen, auf Basis dieser Zahlen Barsicherheiten von den Unternehmen einzutreiben. Diese Mittel sollen einbehalten werden, bis die Bundesbehörde International Trade Commission am 15. Mai abschließend über den Fall entscheidet. Sollte das Verfahren dann eingestellt werden, würde das Geld zurückgezahlt. Mit dem Vorgehen riskieren die USA einen internationalen Handelsstreit.

Pikant ist dabei ein Detail am Rande: Der jetzige US-Handelsminister Ross war selbst erst Anfang März von seinem Posten als Aufsichtsratsmitglied beim Stahlriesen ArcelorMittal zurückgetreten.

(4) Inwiefern betreffen die Vorwürfe die Voestalpine?

Der oberösterreichische Stahlkonzern sei "aktuell mit einer Menge von weniger als 20.000 Tonnen betroffen", sagt Konzernchef Wolfgang Eder. Bei den jetzt ausgesprochenen Vorwürfen handle es sich eigentlich um "bereits im vergangenen Jahr angekündigte Importzölle auf Grobbleche und Spezialgüter im Stahlbereich".

Zwar sei das Preisdumping-Verfahren in den Augen des Voestalpine-Chefs "schwer nachvollziehbar", da es sich dabei "um Stahlqualitäten handelt, die teilweise in den USA nicht zu bekommen sind".

Entsprechend ist Eder um Relativierung bemüht: "Das Verfahren stellt für die Voestalpine keine massive wirtschaftliche Bedrohung dar." Ausführlich dazu: Washington droht direkt der Voestalpine - wieder einmal >>

(5) Was wirft Washington den deutschen Stahlriesen Salzgitter und Dillinger vor?

Die US-Regierung unterstellt der Salzgitter AG, dem zweitgrößten deutschen Stahlhersteller nach Thyssenkrupp, "Dumping-Raten" von 22,9 Prozent. Damit gemeint ist der Prozentsatz, um den nach Auffassung der US-Regierung der Preis unter die Herstellungskosten gedrückt worden ist.

Dabei geht es offenbar um Grobblech, mit dem ein eigenes Rohrwerk von Salzgitter in den USA versorgt wird. Kleine Mengen seien auch außerhalb dieses Rohrwerks in den USA verkauft worden, so der Hersteller. Salzgitter bezeichnet die Vorwürfe als "haltlos".

Die im westdeutschen Bundesland Saarland ansässige Dillinger Hütte hat ihre Lieferungen in die USA bereits eingestellt. Die Vorwürfe an Dillinger betreffen Walzwerke in Dillingen sowie im französischen Dünkirchen. Ausführlich dazu: Deutsche Stahlkonzerne weisen Dumpingvorwürfe entschieden zurück >>

(6) Wie reagiert Berlin?

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel, SPD, hat das Vorgehen der USA scharf kritisiert. Das geplante Vorgehen gegen die Stahlbetriebe nehme er "nur mit großem Unverständnis zur Kenntnis". Die Vorwürfe seien mit Methoden berechnet worden, die den Regeln der Welthandelsorganisation widersprechen würden.

Die neue US-Regierung sei offenbar bereit, eigenen Unternehmen "unfaire Wettbewerbsvorteile gegen europäische und andere Unternehmen zu verschaffen, auch wenn das gegen internationales Handelsrecht verstößt". Ausführlich dazu: Scharfe Kritik aus Berlin an Dumpingvorwürfen gegen Europas Stahlindustrie >>

Der Industrieverband BDI verweist auf allgemeine Kommunikationsmängel der Regierung in Washington. Vieles, was "wir über 140 Twitter-Zeichen an politischen Botschaften wahrnehmen", sei schwer interpretierbar, so BDI-Präsident Dieter Kempf. "Aber es ist möglicherweise auch deshalb schwer verständlich, weil der Absender noch nicht alle Hintergründe verstanden hat".

(red mit Material von Reuters, dpa, AFP, APA)

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