Hintergrund : Warum die deutsche Wirtschaft Verliererin der US-Wahl sein könnte

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Noch ist unklar, ob nun Donald Trump oder Joe Biden die US-Präsidentenwahl gewonnen hat. Aber egal, ob der Republikaner im Amt bleibt oder sein demokratischer Herausforderer übernimmt - die deutsche Wirtschaft muss sich wohl auf schwierige Zeiten einstellen. Ein großes neues Konjunkturpaket für den wichtigsten deutschen Exportkunden USA erscheint selbst bei einem Sieg Bidens in naher Zukunft fraglich.

Biden könnte im Falle seines Siegs wohl nicht durchregieren. Er hätte entweder eine republikanische Mehrheit im Senat gegen sich, die wichtige Vorhaben blockieren könnte. Oder er müsste mit einer knappen, unsicheren Mehrheit regieren. "Damit drohen viele wichtige Entscheidungen in der Schwebe zu bleiben", warnt der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), der Österreicher Gabriel Felbermayr. Dazu zählt ein neues Konjunkturpaket in Billionenhöhe, auf das die weltgrößte Volkswirtschaft nach Einschätzung der Zentralbank Fed nach der Coronarezession mit Millionen Jobverlusten angewiesen ist, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. Das noch vor der Amtseinführung des neuen Präsidenten im Jänner geplante Paket könnte scheitern, warnt Felbermayr: "Solche Unsicherheit ist schädlich für die US-Konjunktur und damit auch für die Weltwirtschaft."

Das schätzt das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) ganz ähnlich ein. "Der absehbare, erbitterte Streit um den Wahlausgang wird eine Kompromissfindung für solch ein Paket auch ins nächste Jahr hinein erschweren", sagt dessen wissenschaftlicher Direktor Sebastian Dullien. "Am Ende dürfte ein Konjunkturpaket herauskommen, das weniger wirksam und kleiner ist, als es im September von den Demokraten vorgeschlagen war."

Das würde Deutschland als Exporteuropameister besonders spüren. Zumal die USA ihr größter Absatzmarkt ist: Waren im Wert von 190 Milliarden Euro setzte deutsche Firmen 2019 dort ab. Zwölf Prozent aller deutschen Kfz-Exporte gingen in die USA, bei den Pharma-Exporten sogar 18 Prozent. Fallen die Vereinigten Staaten als Impulsgeber für die Weltwirtschaft aus, würde das die Nachfrage nach Waren "Made in Germany" dämpfen. Zudem sind in den USA etwa 5.400 deutsche Unternehmen präsent, die dort einen Kapitalstock von rund 470 Milliarden Euro aufgebaut haben. Auch sie hoffen auf eine rasche Konjunkturerholung.

Ungemach droht der deutschen Wirtschaft aber auch, sollte Trump vier weitere Jahre im Weißen Haus bleiben. "Das dürfte zu einer neuen Eskalation der transatlantischen Handelskonflikte führen, wobei auch Strafzölle auf Autos und Autoteile aus Deutschland und der EU wieder wahrscheinlich werden, die die deutsche Automobilindustrie in einer kritischen Phase treffen würden", warnt Dullien. Sie steht nach dem Dieselskandal und mit der Umstellung auf alternative Antriebe wie dem Elektromotor ohnehin schon unter Druck, auch wenn sie sich in den vergangenen Wochen nach der Coronarezession wieder erholt zeigt.

Die Zölle auf Stahl, Aluminium, Waschmaschinen, Sonnenkollektoren und diverse Waren aus der Europäischen Union führten bis 2. September zu 12,2 Milliarden Dollar (10,4 Mrd. Euro) an Strafen. Der Außenhandelsverband BGA geht davon aus, dass es in der Handelspolitik schwierig bleiben dürfte. "Eine Kursänderung in Handelsfragen ist nicht zu erwarten", betont BGA-Präsident Anton Börner. "Jeder Präsident wird die Interessen der Vereinigten Staaten voranstellen."

Der muss aber erst noch ermittelt werden. Es droht womöglich ein juristisches Tauziehen. "Es zeichnet sich ein unklarer Wahlausgang ab, ein endgültiges Ergebnis könnte noch längere Zeit auf sich warten lassen", warnt der Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Christoph Schmidt. "Auch für US-Handelspartner wie Deutschland ist dies eine schwierige Situation, die von großer Unsicherheit geprägt ist." (reuters/apa/red)