Online versus stationär - Handelsformen im Spannungsfeld : Vertriebliche Möglichkeiten des Herstellers

Die überwiegende Zahl der Produzenten wählt den indirekten Vertriebsweg und beschränkt sich somit auf die Produktion ihrer Produkte, während vor allem der Vertrieb an die Konsumenten von Handelspartnern durchgeführt wird. Nun sind im indirekten Vertriebsweg Hersteller auch auf deren Händler und ihre Vertriebsanstrengungen angewiesen, auch wenn es um Aufbau und Pflege des Markenimages geht, was natürlich in erster Linie für Markenhersteller relevant ist. Vor allem durch die Präsentation der Produkte und das Umfeld wird den Konsumenten signalisiert, dass der Hersteller durch Investitionen in seine Marke eine Selbstbindung aufgebaut hat. Auch leisten die Händler mittels Vertriebsanstrengungen regelmäßig einen Beitrag zum ideellen Image der Produkte.

Vor allem beim Qualitätsimage, des wohl wertvollsten Gutes einer Marke, benötigt der Hersteller zumindest ein gewisses Maß an Einflussmöglichkeit über Vertriebswege und Vermarktungsmaßnahmen. Der Markenartikelhersteller muss also auf den gesamten Produktionsprozess seiner Produkte Einfluss nehmen können, um die hohe Qualität seiner Markenartikel sicherzustellen. Gerade Konsumenten können Produkte nur anhand der letzten Ebene der Wertschöpfungskette beurteilen, wodurch Zweifel an der Produktqualität durch eine unangemessene Präsentation des Produktes entstehen können, ohne dass der Hersteller darauf Einfluss nehmen kann. Hier entstehen gerade beim indirekten Vertrieb Spannungsfelder.

Eine andere – im Grunde genommen von der Wahl der Marktbearbeitung unabhängige – Dimension der Marktbearbeitung betrifft den Vertriebskanal. Traditionellerweise wählten Produzenten primär den stationären Handel wie Fachhändler, Supermärkte, Warenhäuser, Discounter und alle anderen Filialformen als bevorzugten Vertriebsweg. Mittlerweile hat sich der Online-Kanal allerdings gut etabliert und immer mehr Online-Shops sorgen für ein sehr breites Produktangebot im Internet.

Die Verschränkung der beiden Vertriebskanäle in den verschiedensten Ausprägungen gilt als Format der Zukunft. Die erste Evolutionsstufe ist der Multi-Channel-Handel, unter dem man ein hybrides Mehrkanalsystem versteht. Zwar sind die Kanäle voneinander getrennt, die Produkte, Preise und andere Faktoren werden jedoch konsistent gehalten. Demgegenüber werden im Cross-Channel-Handel die Vertriebskanäle verknüpft. Bei Media Markt kann zum Beispiel der Kunde online bestellen und das gewünschte Produkt in einem Markt seiner Wahl abholen – dieser Vorgang bezeichnet man als Click-und-Collect.

Wichtig für Hersteller ist es auch zu wissen, dass sich mit dem Einzug des Online-Vertriebs der Kaufprozess der Konsumenten radikal geändert hat. Im stationären Handel folgt nach dem Kaufimpuls zunächst eine Anbieterauswahl: Der Kunde entscheidet sich, ob er zum Baumarkt, Supermarkt oder Elektrohändler geht. Erst beim Anbieter werden die Produkte angesehen und auf Basis dessen eine Produktauswahl getroffen. Im Online-Bereich trifft der Konsument jedoch zunächst eine Produktauswahl, da der Kaufimpuls meist bereits spezifischer ist. Die Anbieterauswahl erfolgt dann gemäß den kundenspezifischen Kriterien wie Preis, Service, Geschwindigkeit oder Sicherheit.

Diese Veränderungen im Kaufprozess führen zu einer Abnahme der Kunden-Loyalität vor allem gegenüber Händlern, aber teilweise auch Produzenten, da die jeweiligen Produkteigenschaften im Vordergrund stehen. Das bedeutet vor allem für den Produzenten, dass die Online-Produktpräsentation zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor wird, bei dem sich der Hersteller keinesfalls auf die E-Commerce-Fähigkeiten seiner Händler verlassen kann und soll. Die Herausforderung für Hersteller besteht nun darin, sich den Kaufgewohnheiten der Konsumenten anzupassen und gleichzeitig die Zusammenarbeit mit dem stationären Handel neu zu definieren. Hier gilt es nach der Festlegung der eigenen Strategie, die richtigen Handelspartner mit einer ähnlichen Strategie zu identifizieren und anzusprechen beziehungsweise auch Veränderungen in der bestehenden Vertriebslandschaft vorzunehmen.

Hersteller müssen sich eine Vielzahl an Fragen stellen, um für sich und ihr Produktsortiment individuell die richtige Entscheidung hinsichtlich der passenden Vertriebsstrategie zu treffen. Hierbei ist es wichtig herauszustreichen, dass es, wie bei allen strategischen Entscheidungen, keine Standard-Lösungen gibt. Vielmehr gilt es, jene Strategie auszuwählen, die sich harmonisch in das restliche Unternehmensumfeld einfügt. Und bei der Auswahl die rechtlichen Möglichkeiten prüfen zu lassen, um sich keiner Gefahr auszusetzen. Erfahren Sie dazu mehr im letzten Teil der Artikelserie.

Dr. Thomas Ollinger ist Geschäftsführer der österreichischen Niederlassung eines deutschen Industrieunternehmens und Unternehmensberater. Darüber hinaus lehrt er zu den Themen Strategie, Handel und Marketing. Zusammen mit seiner Frau Nina Ollinger hat er das Buch "Online versus stationär: Zwei Handelsformen im Spannungsfeld" zu vertrieblichen und rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Online-Vertrieb veröffentlicht.