Asamer Baustoffgruppe : Unter Brüdern

Asamer
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Dass ihm der Tauschhandel im Blut liegt, darauf ist Hans Asamer stolz. Nur überragt von der riesigen Birkenfeige, die seit Jahrzehnten hinter seinem Schreibtisch gedeiht, sitzt der 72-jährige Patriarch des Asamer- Clans in seinem Ledersessel und zählt an den Fingern ab: „Maschinen für Gebäude, Grundstücke für Unternehmensteile oder Ideen für Kontakte - ich habe in meinem Leben immer viel getauscht.“ Dass der Bauernsohn seine Wendigkeit zumeist zu seinem Vorteil nutzte, versteht sich von selbst. Wie damals, vor rund 20 Jahren, als er von einem Geschäftspartner zwei Dutzend Luxuskarossen der Marke Mercedes im Tausch für hochwertige Baugründe erhält. Eine Verwendung für die überdimensionierten Schlitten hat Asamer nicht – aber längst eine Idee: Seine drei Söhne – allesamt Studenten der Betriebswirtschaft – sollen ihre Semesterferien dazu nutzen, die Autos an den Mann zu bringen. „Ich wollte ihnen damals beibringen: So verdient man wirklich Geld“, sagt Hans Asamer und lehnt sich zufrieden in seinen Ledersessel zurück. Heute – die Dimensionen des Unternehmen sind längst den Möglichkeiten des primitiven Tauschhandels entwachsen – führen die drei Söhne Manfred, Andreas und Kurt das Unternehmen. Der Senior hat sich, so geht die Mär, auch deshalb beruhigt zurückgezogen, weil die Söhne die väterliche Feuertaufe dereinst mit Bravour bestanden haben. Schon Mitte jener Sommerferien in den 80er Jahren waren alle Wägen mit ansehnlichem Gewinn verkauft und jeder der Söhne durfte den erlösten Wert behalten. Große Gruppe. Ohlsdorf ist ein 5.000-Seelen-Fleck in Oberösterreich. Ein hübscher Dorfplatz mit einer Kirche, eine Bank und ein Friseur drängen sich im Kern der Ortschaft. Eine der Schänken, die seit Generationen das Dorfbild prägen, trägt einen prominenten Namen: „Zum Asamer“ steht in Schreibschrift auf einem kleinen gelben Häuschen. Hier trifft man sich seit Jahrzehnten auf ein Achterl zum Backhendelsalat. Die Tische sind blank poliert, der Stammtisch reserviert und der Ton rustikal. Wer hier einkehrt, zieht das Bodenständige dem Feudalen vor. Doch „Zum Asamer“ ist weit mehr als ein Ort biederer Geselligkeit. Es ist auch das Spiegelbild einer Familie, die sich innerhalb einer Generation von der Bauernsippe zur Baustoffdynastie hochgearbeitet hat. Die Asamer Holding AG mit Sitz in Ohlsdorf setzt heuer mit 5.500 Mitarbeitern weltweit rund 650 Millionen Euro um. Ohlsdorf ist den Asamers dabei nie zu eng geworden. Hier ist ihre Heimat, hier leben sie ihren Erfolg hinter fest verschlossenen Türen. Pionier. Möglich gemacht hat den Wohlstand der Familie ihr Oberhaupt, Hans Asamer. Den Sohn einer Bauersfamilie lockten weder Felder noch Viecher. Er wollte mit der Tradition brechen – und kaufte sich einen Lkw. Damit fuhr er den Schotter durch die Gegend, den sein Bekannter Johann Hufnagl für andere ausbaggerte. „Das funktionierte so gut, dass wir uns zusammengetan haben“, sagt Hans Asamer und lehnt sich entspannt in seinen ledernen Schreibtischstuhl zurück. „Dann haben wir ein Kieswerk in Ohlsdorf gekauft“, sagt der Senior. Der ersten Investition folgen weitere und so entsteht bis Ende der 80er Jahre ein ansehnliches Baustoffunternehmen. Der Umsatz beläuft sich auf rund 200 Millionen Schilling, in Österreich ist man als verlässlicher Partner bekannt. Dann trennen sich die Wege der Gründer – gezwungenermaßen: Hufnagl, um einige Jahre älter, setzt sich zur Ruhe. Und da dessen Kinder kein Interesse haben, das Lebenswerk ihres Vaters fortzuführen, erhält der leidenschaftliche Förster Waldgebiete und Geld. Asamer, damals Mitte 50 und voller Tatendrang, holt sich Sohn Manfred ins Unternehmen. Einige Jahre später stößt auch Kurt dazu – und dann folgt Andreas. „Wenn die Kinder nicht in den Betrieb wollen, dann ist der Betrieb krank oder die Erziehung war falsch“, sagt Hans Asamer. Der Bodenständige. Dass die Erziehung seiner Söhne nicht falsch war, kann man gleich im Büro neben Hans Asamer besichtigen. Der Arbeitsraum von Filius Manfred, dem ältesten der Söhne, ist eine gediegene Kombination aus Holzmöbeln und Glaselementen. Von seinem Schreibtisch aus managt Manfred Asamer das Kies-, Stein- und Schottergeschäft in Österreich, dem wichtigsten Markt des Unternehmens. Es gibt zwar Länder in Osteuropa, für die er ebenfalls zuständig ist. Doch die meiste Zeit hält er sich in vertrauten Gefilden auf. War sein Vater noch Bürgermeister im Ort, fungiert Manfred Asamer heute als Gemeinderat. Und er, den seine Brüder als grundsolide und bodenständig beschreiben, ist nie aus seinem Elternhaus ausgezogen. Vater Hans und auch seine Brüder leben mit ihren Familien im weniger dörflichen Gmunden. Doch die Neigung der Asamers zum Understatement zeigt sich nicht im Lebenswandel des ältesten Bruders. Die Familie vermeidet es tunlichst, ihren Reichtum zur Schau zu stellen. Man trägt Anzüge, die nicht übertrieben edel aussehen, fährt Autos, die nicht protzig wirken, selbst der Firmenflieger steht auf dem Flughafen in Linz an einem abgelegenen Plätzchen. Der Detailverliebte. Andreas, der Jüngste, ist auch für Kies, Stein und Schotter zuständig, aber ausschließlich im Osten. Seine Geschäfte führen ihn nach Tschechien, Polen, Rumänien, Kroatien, Bosnien, die Slowakei und die Ukraine. Das macht ihn zum geschäftlichen Globetrotter, der in der Sache als kompromisslos gilt. Beide Brüder beackern zwar unterschiedliche Gebiete, aber die Herausforderungen ähneln sich: Investitionsentscheidungen, Baustellenplanung, Vorgabenkontrolle. Dafür braucht es kluge Köpfe mit einer großen Liebe zum Detail. Der Weltmännische. Detailverliebtheit ist kein Attribut, das die Brüder Andreas und Manfred ihrem mittleren Bruder zuordnen. Kurt denkt in großen Zusammenhängen – und diese bietet im Familienunternehmen das Zementgeschäft. Mit rund 180 Millionen Euro trägt es knapp ein Drittel zum Gruppenumsatz bei. Dabei geht es um riesige Fabriken, internationale Kontakte und viel Geld. Wer hier mitmischt, diniert beim Edelitaliener – und nicht im Wirtshaus.

Maculan-Deal. Der Generationenwechsel bei den Asamers – im Jahre 1996 und damit im Jahr des 60. Geburtstages ihres Vaters – verlief weitaus einfacher, als die Söhne erwartet hatten. Zwar hatte der Vater ursprünglich eine Aufteilung des Unternehmens vorgesehen, aber Manfred, Kurt und Andreas wollen gemeinsam Verantwortung übernehmen. „Wenn wir getrennt marschieren, sind wir weitaus risikoanfälliger“, lautet ihr Hauptargument. Das akzeptiert der Vater, der längst an einer gerechten Filetierung des Unternehmens gebastelt hatte, ohne Murren – und überträgt jedem Sohn einen Viertelanteil an seinem Unternehmen. „Das ist eine der großen Qualitäten des Vaters, dass man ihn überzeugen kann“, sagt Manfred, der Älteste. Aber die Söhne setzten sich noch in einem anderen Punkt durch. Der Vater musste sich vollständig aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Denn so offen der Patriarch für neue Ideen ist, so leicht es ihm auch fällt, loszulassen – so schwierig ist es, neben ihm an Projekten zu arbeiten. Der Bauernsohn – und damit ist er sein Leben gut gefahren – vertraut seinem Instinkt mehr als wohltemperierten Vereinbarungen. Das ist auch beim Maculan-Deal der Fall. Mitte der 90er Jahre schlittert das Bauimperium Maculan mit Verbindlichkeiten von elf Milliarden Schilling in eine der größten heimischen Nachkriegspleiten. Ein enger Freund und Berater des Bauunternehmers ist der Linzer Wirtschaftsanwalt Gerhard Wildmoser, der seinem Bekannten Hans Asamer den Tipp gibt, dass auch ein Zementwerk in der Slowakei zum Verkauf steht. Der ist Feuer und Flamme, rechnet aber damit, dass in zwei, drei Tagen alle Mitbewerber davon Wind bekommen haben. Also setzt er sich sofort ins Auto, fährt in die Slowakei und kauft die Anlage für 350 Millionen Schilling. „Das war ein Deal auf drei Tage“, erinnert sich Kurt. Fade Veranstaltung. Kurt, der zu Zeiten des Maculan-Deals noch auf der Rückbank des väterlichen Familienwagens Platz nehmen musste, pilotiert sich heute mit dem firmeneigenen Flieger selbst durch die Welt. Denn die Zementfabriken der Gruppe liegen nicht mehr nur in der Slowakei, sondern auch in Bosnien, Serbien und neuerdings Libyen. „Es ist nicht einfach, an neue Werke heranzukommen“, sagt Kurt Asamer. „Man muss sich Länder suchen, in denen noch keine Privatisierungen stattgefunden haben.“ Aber das Wissen allein reicht nicht aus. Es müssen auch die entsprechenden Kontakte vorhanden sein. Doch wo lernt ein Ohlsdorfer Manager Entscheidungsträger aus Tripolis kennen? In diesem Fall musste Kurt Asamer dafür nach Bosnien fahren und eine besonders langweilige Veranstaltung besuchen. Und dort kam es dann zu einem Deal, den selbst sein Vater nicht geschickter hätte ausbaldowern können. „Mir war so langweilig, dass ich mit meinem Sitznachbarn ins Gespräch gekommen bin.“ Ferdinand Heilig, als Umweltökonom auf internationale Klimaschutzprojekte spezialisiert, kennt die richtigen Leute bei der OPEC – und stellt für Kurt den Kontakt her. Der wiederum ist an Klimaschutz nicht uninteressiert und beauftragt Heilig mit Projekten zur CO2-Reduktion in Ägypten, Chile und Russland. Libyen. Doch auch in Sachen Beharrlichkeit steht Kurt seinem Vater um nichts nach. Mehr als vier Jahre muss er mit den Libyern verhandeln, bis der Vertrag unter Dach und Fach war. So lange hält kein anderer Interessent durch, dabei beteiligte sich anfangs das Who’s who der europäischen Zementindustrie am Privatisierungsprozess. Seit Juni dieses Jahres ist die Asamer-Gruppe über ein Joint Venture an drei ehemals staatlichen Fabriken beteiligt. Die Werke produzieren mit drei Millionen Tonnen mehr als die Hälfte der in Österreich hergestellten Zementmenge, befinden sich allerdings in einem miserablen Zustand. Da jahrzehntelang nicht investiert wurde, liegt die Auslastung derzeit weit unter den Möglichkeiten. Doch selbst wenn in den nächsten Jahren mehr produziert wird, lässt sich der Zementhunger des heruntergewirtschafteten Landes nicht stillen. Straßen müssen gebaut und Gebäude hochgezogen werden. Kurt Asamer plant daher, in einen weiteren Standort zu investieren. „Wir haben jetzt sechs Zementwerke in drei Ländern – und das ist ein gutes Fundament“, sagt der Vater. Glücksspielstadt. Der Senior kommentiert das Treiben aus der Distanz. Sein Büro liegt im alten Trakt der Firmenzentrale. Hier ist die Atmosphäre rustikaler. Die Wände sind mit dunklem Holz verkleidet, Teppichboden dämpft die Schritte. Mehrere Damen queren die Gänge, tragen Aktenordner, machen Kopien. „Mein Bereich ist der Immobilien- Bereich“, sagt Hans Asamer. Von Salzburg bis Budapest besitzt er Hotels, Gewerbeparks und Grundstücke. Doch derzeit interessiert ihn eigentlich nur ein Projekt: Euro-Vegas, eine Glücksspiel- und Entertainment-Stadt, die er auf brach liegenden Äckern im verschlafenen nordungarischen Städtchen Bezenye in der Nähe der österreichischen Grenze errichten will. „Die Umsetzung war zum Greifen nah“, sagt er. Doch dann bricht die Finanzkrise aus – und der Aufsichtsrat des am Kauf interessierten Konsortiums – mit James Packer ist einer der reichsten Medienunternehmer Australiens an Bord – sagt nein zu Euro-Vegas. Das gefällt diesem jedoch überhaupt nicht. Denn längst ist Euro-Vegas für ihn mehr als ein gewöhnliches Geschäft. Es geht auch um seinen Ruf als erfolgreicher Unternehmer. Denn floppt das größte und sicher schillerndste Projekt seiner Karriere, müsste er auf seine alten Tage mit viel Spott und Häme rechnen. Wirtshaus. Und so setzt Hans Asamer alles daran, doch noch Glamour nach Nordungarn zu bringen. „Wir haben selber zwei Flugzeuge“, erzählt er. „Wegen Euro-Vegas bin ich sicherlich in den vergangenen zwei Jahren ein Dutzend Mal in die USA geflogen.“ Dort sitzt auch sein neuer Interessent, mit dem er derzeit intensiv verhandelt. An Kontakten hat es Hans Asamer aber noch nie gemangelt. Er ist gut vernetzt –in Österreich und in der weiten Welt. Immerhin – so sagt man – kennt er den Vater von Michael Jackson. Früher, als er noch der Schotterchef war, reichte ein Gang ins Wirtshaus. „Dort habe ich die besten Geschäfte gemacht“, sagt er. Eines war besonders lukrativ. Dazu verhalf ihm ein alter Bekannter, den er Anfang der 80er Jahre – selbstverständlich im Wirtshaus – auf ein Achterl traf. „Der war gerade dabei, Maschinen nach Saudi-Arabien – damals ein Land mit enormen Aufholbedarf – zu liefern“, sagt er. Die geschäftlichen Möglichkeiten ließen Hans Asamer hellhörig werden. Und so entschied er sich kurzerhand, sich ein Bild davon vor Ort zu machen. Heute betreibt Asamer dort ein erfolgreiches Transportbeton-Joint-Venture. Und auch in Sachen Nachwuchspflege ist er engagiert. Seine Enkel – zwei Mädchen und fünf Buben – gehen bei ihm ein und aus. Der Älteste – ein BWL-Student von 21 Jahren – darf den Opa auch schon mal in dessen Jaguar nach Linz kutschieren. Wer lernt da nicht die süßen Früchte des Unternehmerdaseins zu schätzen. Vanessa Voss