Pensionskontonachricht : Ungleiche Paarung

Günter Pichlbauer und Herfried Schreiner (Name von der Redaktion geändert) geht es wie fünf Millionen anderen Österreichern: Sie haben heuer erstmals ihre gesetzliche Pensionskontonachricht erhalten – und stehen vor einigen Fragen. Die spannendste ist jene der Pensionshöhe. Für Pichlbauer, Jahrgang 1979, geschäftsführender Miteigentümer eines steirischen Metallverarbeitungsbetriebs, stehen laut Kontonachricht 3.696 Euro an Jahresbruttopension zu Buche.

Sein angestellter Betriebsleiter, ebenfalls Jahrgang 1979, kommt mit 6.205 Euro auf eine um zwei Drittel höhere Summe. Und das, obwohl der Vergleich der bislang angesammelten Sozialversicherungsmonate um exakt 2,5 Jahre zugunsten des Firmeneigners ausfällt.

Weiteres Ungemach

„Das neue Pensionsrecht zielt bei der Errechnung der Rentenhöhe nur noch auf die Höhe der sozialversicherungspflichtigen Einkünfte und nicht mehr auf die Anzahl der Versicherungsmonate ab“, sagt Christian Wagner, Leiter Produktmanagement HDI Lebensversicherung AG. Zudem droht ihnen jetzt auch noch weiteres Ungemach. Geschäftsführer, die sich bislang Jahresgehälter im abgabenoptimierten 19.000-Euro-Bereich ausgezahlt haben, zählen zu den großen Verlierern der Pensionsreform. Wer nichts einzahlt, soll zukünftig auch wenig bekommen.

Bedingte Aussagekraft

Grundsätzlich gilt: Die versandten Pensionskontonachrichten sind nur sehr bedingt aussagekräftig. „Die angeführten Werte stellen nur die bislang erworbene Bruttopension zum gesetzlichen Antrittsalter dar. Unsere Beratungssoftware ermittelt auf dieser Basis nicht nur die tatsächlich zu erwartende Nettorentenhöhe, sondern auch krankheitsbedingte und Hinterbliebenenpensionsleistungen“, sagt Hermann Forster, Leiter Außendienst Vertrieb in der Allianz Versicherung.

Und diese Hochrechnungen bringen noch dramatischere Ungleichgewichte zu Tage. Während sich für den angestellten Betriebsleiter zum 65. Lebensjahr eine monatliche Nettopension in Höhe von 2.048 Euro errechnet, hat der Firmeneigentümer nur magere 960 Euro zu erwarten. Auch bei den anderen gesetzlichen Sozialversicherungsleistungen (siehe Kasten) kann der Angestellte aufgrund seiner deutlich höheren Beitragspflicht gegenüber seinem Chef in etwa einer doppelten Leistungshöhe entgegensehen.

„Bis vor kurzem konnten geschäftsführende GmbH-Gesellschafter mit geringen Gehältern zugunsten höherer Gewinnentnahmen ihre Sozialversicherungsbeiträge sehr gering halten. Diese Option wurde nun aber vom Sozialversicherungsträger stark eingeschränkt“, sagt Thomas Röster, Steuerberater Accurata Wirtschaftstreuhandgruppe.

Geschätzte 50 Prozent aller geschäftsführenden GmbH-Gesellschafter in Österreich hatten bis dato ihr Gehalt relativ moderat im Bereich von abgabenoptimierten 19.000 Euro jährlich angesetzt und besserten ihre private Liquidität durch Gewinnentnahmen entsprechend auf.

Vorteil dieser Konstruktion: Für die Gewinnentnahmen waren keine Sozialversicherungsbeiträge aufzuwenden. „Eigentlich waren Gewinnentnahmen in Ergänzung zu den Geschäftsführerbezügen bis zur Höchstbeitragsgrundlage auch in der Vergangenheit bereits sozialversicherungspflichtig.

Die Sozialversicherung hat diese Regelung bis vor kurzem allerdings nicht exekutiert“, sagt Steuerberater Thomas Röster. Doch seit dem Vorjahr verlangt die Sozialversicherung plötzlich die Offenlegung der entnommenen Gewinne und möchte dafür auch entsprechende Beitragsleistungen sehen.

„Wir empfehlen grundsätzlich die Daten nach Aufforderung durch die Sozialversicherung bekannt zu geben, um Strafen zu vermeiden“, sagt Röster. So wie es derzeit aussieht, dürften bis in das Jahr 2011 Beiträge rückwirkend zu entrichten sein. Geschäftsführer, welche weiterhin möglichst geringe Sozialversicherungsabgaben entrichten möchten, bleibt nur, die Gewinne möglichst lange im Unternehmen zu thesaurieren und dann eine möglichst hohe Summe in einem einzigen Jahr abzuschöpfen.

Einkauf lohnt nicht

Speziell nach dem alten Pensionsrecht war es für GmbH-Geschäftsführer mit einer zielgerichteten Gestaltung der Sozialversicherungsbeitragsgrundlagen sehr einfach, mit verhältnismäßig niedrigen Zahlungen zu einer hohen Alterspension zu kommen.

„Bis zur Pensionsreform aus dem Jahr 2003 wurden die besten 15 Versicherungsjahre für die Berechnung der Rentenhöhe herangezogen“, sagt Bernhard Fasching, Sales Manager Österreich, Standard Life Versicherung. Nun gilt allerdings die lebenslange Durchrechnung, jeder Beitrag wird direkt in einen entsprechenden Pensionsanspruch umgerechnet. Ein Höchstbeitragsjahr (maximale Grundlage für Sozialversicherungsabgaben, derzeit 63.420 Euro jährlich) bringt eine Jahrespension von 1.129 Euro.

Ist bzw. war dagegen ein Akademiker wie der heutige Firmeneigner Günther Pichlbauer während des Studiums geringfügig beschäftigt und kaufte sich freiwillig (Beitrag derzeit 55,79 Euro monatlich) in das gesetzliche Sozialversicherungssystem ein, bringt das nur mehr äußerst magere 84 Euro an Jahresbruttopensionsanspruch. Im alten Pensionssystem dagegen wäre – sofern mindestens 15 Jahre Höchstbeiträge vorhanden waren – auch ein derart geringes Versicherungsjahr zur maximalen Pensionshöhe von 1.129 Euro aufgewertet worden.

Nettoreduktion

„Beitragsgrundlagen werden mit einem fixen Faktor von 1,78 Prozent in Jahrespensionsansprüche umgewandelt“, sagt Bernhard Fasching von der Standard Life Versicherung. Bei einer Differenz in den Beitragsgrundlagen von über 44.000 Euro wie bei den beiden steirischen Führungskräften ergeben 1,78 Prozent einen Unterschied von rund 786 Euro an jährlichen Pensionsansprüchen. Unabhängig ob als gewerblich Selbständiger oder als Unselbständiger versichert, wird es künftig für fast alle Anspruchsberechtigten nur noch die Korridorpension als Option für einen vorzeitigen Rentenantritt geben.

„Für die Inanspruchnahme der Korridorpension müssen mindestens 480 Versicherungsmonate und das 62. Lebensjahr erreicht werden“, sagt Hermann Forster von der Allianz Versicherung. Die Abschläge betragen 5,1 Prozent pro Jahr vor dem Regelpensionsalter. Wenn Betriebsleiter Herfried Schreiner mit 62 seinen Ruhestand antritt, würde der maximale Abschlag in Höhe von 15,3 Prozent (3 Jahre vor der Regelpension à 5,1 Prozent) seine Rente gegenüber dem 65. Lebensjahr um netto 357 Euro auf 1.691 Euro reduzieren.

Völlig obsolet wird die Hochrechnung einer potenziellen Alterspensionshöhe, wenn ein schwerer Unfall oder eine plötzliche Krankheit in eine Arbeitsunfähigkeitsrente mündet. Immer mehr Manager aus den Führungsetagen der heimischen Industrie mussten in den letzten Jahren durch das „Burnout- Syndrom“ ihre berufliche Tätigkeit – zumindest temporär – niederlegen. Doch der Weg zur Berufsunfähigkeitsrente ist steinig und äußerst restriktiv.

„Im Jahr 2013 wurden in Österreich 61.787 Anträge auf eine Arbeitsunfähigkeitspension gestellt. 37.681 dieser Anträge wurden von den zuständigen Sozialversicherungsträgern allerdings abgelehnt“, sagt Christian Wagner von der HDI Lebensversicherung AG. Von den 24.116 zuerkannten Pensionen waren im Bereich der Angestellten enorme 46,2 Prozent auf psychiatrische Erkrankungen zurückzuführen. Ist ein Manager für seine beruflichen Herausforderungen nicht mehr fit, aber für seinen Pensionsversicherungsträger noch nicht krank genug, beginnt sich die finanzielle Abwärtsspirale vom Kranken- über Arbeitslosengeld bis zur Notstandshilfe zu drehen.

Freiwillige Einzahlung

Doch selbst die Zuerkennung einer Arbeitsunfähigkeitsrente führt in den meisten Fällen zu existenzbedrohlichen Rahmenbedingungen. Für den angestellten Betriebsleiter Schreiner würde die Rentenhöhe monatlich 1.094 Euro netto betragen. Sein Chef müsste mit gar nur 551 Euro netto pro Monat das Auslangen finden.

„Die Höhe der Arbeitsunfähigkeitspensionen wird aus den durchschnittlichen Beitragsgrundlagen der Vergangenheit ermittelt. Gerade bei jungen Akademikern wirken sich Teilzeitjobs während des Studiums extrem negativ auf die Rentenhöhe aus“, erklärt Christian Wagner von der HDI Lebensversicherung AG. Die Rechnung von Günther Pichlbauer, während seines Studiums und der geringfügigen Beschäftigung im elterlichen Unternehmen selbst Beiträge in das Sozialversicherungssystem einzuzahlen, ist jedenfalls nicht aufgegangen. „Wenn ich damals gewusst hätte, dass meine freiwilligen Beitragszahlungen meine Alterspension nur marginal erhöhen, aber dafür eine etwaige Arbeitsunfähigkeitsrente massiv schmälern, hätte ich sicher nichts eingezahlt“, klagt Pichlbauer.

Bescheidene Speisung

Ebenfalls aus den Einkünften bzw. Beitragsgrundlagen der Vergangenheit werden Hinterbliebenenansprüche im gesetzlichen Pensionssystem abgeleitet. Dementsprechend bescheiden würden im Ablebensfall der beiden steirischen Führungskräfte die Frauen mit 494 Euro bzw. beim Firmeneigentümer mit gar nur 269 Euro netto monatlich abgespeist werden. Für die Kinder käme jeweils die gesetzliche Mindesthalbwaisenrente in Höhe von 315 Euro zum Tragen.

„Grundvoraussetzung für eine Witwer- bzw. Witwenrente ist die Eheschließung bzw eine eingetragene Partnerschaft. Darüber hinaus spielt bei der Berechnung der Höhe auch die Einkommensrelation vor dem Todeszeitpunkt eine wesentliche Rolle. Ist beispielsweise die Witwe normal erwerbstätig und optimiert ein GmbH-Geschäftsführer sein Gehalt abgabenmäßig, könnte seine Frau komplett leer ausgehen“, warnt Christian Wagner von der HDI Lebensversicherung AG.

Die Absicherung biometrischer Risiken ist inzwischen auch im Geschäftsfeld der Firmenpensionen angekommen. „In der Vergangenheit wurden betriebliche Altersvorsorgeverträge hauptsächlich wegen der Steuervorteile als klassische Zusatzpensionen abgeschlossen. Jetzt ist auch die Absicherung der eigenen Arbeitskraft und der Familie ein wichtiges Thema“, sagt Wolfgang Weisz, Leiter betriebliche Altersvorsorge Allianz Versicherung.

Mit derart geringen gesetzlichen Sozialversicherungsleistungen – insbesondere im Krankheitsfall und für die Hinterbliebenen – haben weder der angestellte und schon gar nicht der gewerblich selbständige Geschäftsführer aus der Steiermark gerechnet. Und völlig frustriert nehmen beide zur Kenntnis, dass ihre ersten Erwerbsjahre während des Studiums so gut wie keinen Niederschlag in der Alterspension finden.