IM-Expertenpool: Transformation : Transformation im Finanzressort: Der CFO als Game Changer

Nach der Produktion, dem Vertrieb und der Logistik erfasst die Digitalisierungswelle auch den Finanzbereich. Laut einer aktuellen Studie von Horváth & Partners haben allein zwei Drittel der großen Unternehmen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz in den vergangenen zwei Jahren Initiativen gestartet, um die Digitalisierung ihrer Finanzorganisation voranzutreiben.

Der Druck in Richtung Optimierung qualitativer Datenanalysen und Zukunftsprognosen hat unterschiedliche Gründe. So steht mittlerweile eine ganze Reihe leistungsfähiger neuer Technologien wie Robotic Process Automation (RPA), Cognitive Computing und Advanced Analytics zur Verfügung. Hinter der bereits fortgeschrittenen Digitalisierung in Kernprozessen der Wertschöpfungskette wollen und können die Finanzverantwortlichen nicht länger zurückstehen. Was in der Produktion unter den Stichworten „Industrie 4.0“ und „Internet of Things (IoT)“ schon hochgradig automatisiert läuft, setzt CFOs unter Zugzwang.

Für die über 200 befragten Finanzchefs aus der DACH-Region ist Effizienzdruck – neben anderen Trends – einer der wichtigsten Treiber für die Transformation ihrer Organisation. Erste Erfahrungen zeigen, dass sich mit digitalen Werkzeugen durchaus signifikante Einsparungen realisieren lassen, insbesondere im Datenmanagement und bei transaktionalen Prozessen.

Den Anstoß für die Finanztransformation geben häufig auch Initiativen in anderen Unternehmensbereichen, die übergreifende organisatorische Fragen aufwerfen: etwa wenn es darum geht, ein Kompetenzzentrum für Analytics zu etablieren, weil das Marketing mit modernen Analysemöglichkeiten neue Kunden gewinnen will. Oder wenn zu klären ist, wer Betrieb und Governance einer unternehmensweiten Datenplattform verantwortet.

Mehrwert schaffen

Bei adäquater Weichenstellung bietet die digitale Transformation dem CFO und seinem Team vielfältige Chancen. Denn mit Analytics oder Cognitive Computing, die riesige Datenmengen aus verschiedensten Quellen sekundenschnell auswerten und unterschiedliche Entwicklungen simulieren können, erhalten CFOs und Entscheider in anderen Abteilungen auf Knopfdruck steuerungsrelevante Informationen. Diese sind zudem deutlich genauer und aussagekräftiger als bisher.

Werden die Daten mit modernen Kollaborationstools kombiniert, kann das Management schneller und fundierter entscheiden – was die Leistung des Unternehmens insgesamt beträchtlich steigert. Die Finanzorganisation stellt sich damit viel dynamischer auf und schafft die Basis für proaktive Unternehmenssteuerung.

Risikomanagement abseits von Compliance

Im digitalen Steuerungssystem spielt aktives Risikomanagement eine zentrale Rolle. Nur wer frühzeitig Chancen und Risiken erkennt, kann vorausschauend agieren. Das Risikomanagement beschränkt sich dabei nicht auf Compliance-Gesichtspunkte. Im Wettbewerb profitieren Unternehmen, die das Potenzial der riesigen Datenmengen ausschöpfen.

Setzt die Finanzorganisation die neuen digitalen Werkzeuge und Methoden sinnvoll ein, profitieren alle Abteilungen im Unternehmen. Der CFO hat hier die Chance, sich mit seinem Team als Business Partner zu positionieren und sowohl das Management als auch andere Funktionen, vom Einkauf bis zum Vertrieb, auf Basis umfassenderer und besserer Erkenntnisse zu beraten. Außerdem gewinnt seine Governance-Rolle an Bedeutung. Denn das digitalisierte Unternehmen ist auf einheitliche Systeme, Standards, Methoden und Richtlinien angewiesen, um die erforderlichen Datenplattformen aufzubauen und erfolgreich zu betreiben.

Die digitale Finanzstrategie

In der Praxis sind es drei verschiedene Herangehensweisen, die sich bewährt haben, abhängig von der Unternehmenskultur sowie individueller Anforderungen und Ziele. Man kann mit der digitalen Finanzstrategie starten, oder zunächst die Datenbasis und die zugehörigen transaktionalen Prozesse verbessern. Eine dritte Alternative ist es, konkrete Prototypen für einzelne digitale Anwendungsfälle zu entwickeln. Jeder Weg hat Vor- und Nachteile, manche kombinieren mehrere Ansätze miteinander.

Wer den ersten Weg wählt und eine digitale Finanzstrategie entwickelt, geht ganzheitlich und systematisch vor. Dieser Ansatz betrachtet sämtliche Aspekte der Digitalisierung einschließlich der Prozesse und Verantwortlichkeiten. Unternehmen verschaffen sich so einen umfassenden Überblick über den eigenen Status Quo und erstellen auf dieser Basis ein "Target Operating Model" der künftigen CFO-Organisation samt Fahrplan zum Ziel.

Dieses Vorgehen bietet die Chance, die gesamte Organisation in den Prozess einzubinden, birgt aber die Gefahr, sich zu lange mit abstrakten, wenig wertschöpfenden Grundsatzdiskussionen aufzuhalten. Da digitale Finanzstrategien zunächst keine greifbaren Resultate erzielen, setzen viele Organisationen parallel weitere Projekte auf, etwa die Deutsche Bahn, die ihr Transformationsprogramm „FINANCE 4 DB“ mit konkreten Initiativen in einzelnen Bereichen flankiert hat.

Daten und Prozesse harmonisieren

Der zweite große Digitalisierungsansatz, zunächst die Daten und transaktionalen Prozesse zu optimieren, geht ein Schlüsselproblem vieler Organisationen an. Denn jeder zweite CFO beklagt die fragmentierte, heterogene IT-Landschaft im eigenen Haus. Sie bremst nicht nur die Prozesse, sondern behindert auch Entscheidungen auf Basis konsistenter und valider Informationen. Viele Unternehmen führen daher SAP S/4 HANA ein, eine ERP-Suite, die dank In-Memory-Technologie sehr große Datenmengen in Echtzeit verarbeitet und unternehmensweit einheitlich bereitstellt.

Auf diese Weise die Voraussetzungen für eine proaktiv-prognostizierende Unternehmenssteuerung zu schaffen, ist relativ gut kalkulierbar und bringt enorme Vorteile. Allerdings ist dieser Weg oft langwierig – Projekte dieser Art können bis zu drei Jahre dauern. Daher gehen tendenziell eher größere Konzerne diesen Weg, etwa Bayer. Der Life-Science-Konzern hat unter dem Namen „Data.One“ seine Finanzorganisation auf Basis integrierter Daten, Systeme und Prozesse transformiert und somit für die anstehende Digitalisierung fit gemacht.

Prototypen zum Ausprobieren

Rasch und mit überschaubarem Aufwand zu greifbaren Ergebnissen kommt man mit digitalen Prototypen für spezielle Anwendungsfälle. Da geht es häufig um einzelne Analytics-Szenarien. Der Energieversorger Thüga entwickelte so einen Piloten für die automatisierte Vertriebsplanung, und das binnen weniger Monate. Pilotprojekte liefern Erkenntnisse für die nächsten Schritte und helfen, die Organisation durch kurzfristige Erfolgsbeispiele für weitere Investitionen in die digitale Transformation zu gewinnen. Je besser dabei die Datenbasis ist, desto höher die Erfolgswahrscheinlichkeit der Anwendung.

Übergreifend denken und handeln

Welchen Weg Unternehmen auch beschreiten – sie müssen die organisatorischen Veränderungen berücksichtigen. Wichtig ist, sämtliche Digitalisierungsmaßnahmen übergreifend zu planen und die betroffenen Bereiche einzubinden. Ein Silodenken ist angesichts zentraler, unternehmensweiter IT-Plattformen kontraproduktiv. Zudem integrieren künftig auch ureigene CFO-Aufgaben wie Planung, Reporting und Prognosen sowohl funktionale Daten als auch Finanzinformationen.

Trotzdem: Nicht immer läuft alles so wie geplant. Wer Neuland betritt, erlebt Überraschungen. Dazu kommt, dass die technologische Entwicklung in rasantem Tempo weitergeht, so dass neue Optionen kontinuierlich eruiert werden sollten. Für die Projektsteuerung haben sich agile Methoden bewährt, die der Dynamik der Transformation gerecht werden. Change Management spielt ebenfalls eine Schlüsselrolle. Frühzeitige Kommunikationsmaßnahmen helfen, die Ängste der Mitarbeiter zu verringern und Widerstände zu vermeiden.

Lernen von den Pionieren

Erste Erfahrungen mit Digitalisierungsprojekten im Finanzbereich liegen inzwischen vor. Wer jetzt startet, kann von diesen Pionieren lernen. Auch für Absolventen und junge Fachkräfte sind Unternehmen attraktiver, in denen die modernen Technologien eingesetzt werden, die sie schon aus ihrer Ausbildung kennen. Wer sich jetzt als CFO auf den Weg macht, kann sich zum "Game Changer" seiner Organisation entwickeln und damit im Wettbewerb die Nase vorne behalten.

Peter Schentler ist Principal und Prokurist bei Horváth & Partners Management Consultants.