Start-ups : Start-ups als Auslaufmodell?

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Der letzte Akt fand fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. HelloPlant, ein Wiener Start-up, stellte im November seine Crowd-Funding-Kampagne ein und zahlte das bereits eingenommene Geld an die Investoren zurück. Dabei waren die Firmengründer Peter Honeder und Stefan Oberpeilsteiner eigentlich gut unterwegs: In kürzester Zeit hatten sie mehr als das 1,5-fache des von ihnen ursprünglich geplanten Betrags gesammelt. Die Idee, die sie damit finanzieren wollten, schien durchaus machbar: HelloPlant wollte Pflanzen per Sensor und App mit ihren Besitzern kommunizieren lassen. Auf dem Handy des Nutzers sollten dann bei Bedarf so nette Messages wie „Hallo, hier ist Violetta, deine Rose. Ich brauche Wasser“ erscheinen. Oder: „Stell mich in die Sonne! Oscar, der Rosmarin“.

Dass die Gründer von HelloPlant dann doch die Notbremse zogen, lag nicht daran, dass sie auf einmal Zweifel am Sinn ihres Projekts bekommen hätten. Nein, letztlich erwies sich die Produktion der Sensoren schwieriger als erwartet. Und auch teurer: Die von Honeder und Oberpeilsteiner angesetzten 30.000 Euro für die erste Charge seien laut Angaben des Start-up-Portals Trending Topics jedenfalls deutlich zu niedrig kalkuliert gewesen. Wie viele vor ihnen erlebten Honeder und Oberpeilsteiner, dass die Verbindung von Internetbusiness und Realwirtschaft so ihre Tücken hat.

Mit dem Ausstieg aus einem Geschäftsmodell, das neben einer App auch eine Hardware-Komponente vorsieht, befinden sich die beiden allerdings in einer durchaus illustren Runde, wobei die Großen freilich in etwas anderen Dimensionen scheitern. 2014 hatte Ryan Grepper zum Beispiel für den Coolest Cooler, eine Ausflugs-Kühlbox, die auch mixen, Eis crashen und über USB Musik spielen kann, 13 Millionen Dollar per Kickstarter aufgestellt. Heute warten einige der Unterstützer des Projekts immer noch auf die Auslieferung der vorab bestellten Boxen. Ob das einst als Top- Idee gefeierte Start-up überlebt, ist zweifelhaft.

Sagenhafte Pleiten. Warum Hard- ware-Start-ups scheitern

Bei Juicero, einer internetfähigen Saftpresse, die man auch gemeinsam mit einem Früchte- Abo bestellen konnte, ist der Ausgang inzwischen allseits bekannt: Trotz 120 Millionen Dollar Startkapital schaffte es das Unternehmen auch nach vier Jahren nicht, sich erfolgreich am Markt zu positionieren und sperrte heuer zu. Ähnlich erging es den kabellosen Kopfhörern von Doppler Labs (Startkapital 50 Millionen) oder der mit Pads arbeitenden Teemaschine Teforia (eingesammeltes Kapital immerhin auch 17 Millionen Dollar).

Was den Gründern von Juicero und Co. neben der reichlich schrägen Vorstellung über die eigene Marktrelevanz zum Verhängnis wurde, ist offensichtlich die Tatsache, dass physische Gegenstände deutlich schwieriger zu produzieren und an die Kunden zu bringen sind als reine Apps. Es braucht Produktionsstätten, Transport, Logistik, jede Änderung am Produkt zieht einen ganz anderen Rattenschwanz an Problemen nach sich als das zwar mühsame, aber jederzeit mögliche Umschreiben von Code-Zeilen. Den ambitionierten Weg eines realen Produkts wollte auch HelloPlant gehen. „Nur eine Software oder eine App zu machen, ist schon etwas ausgelutscht“, sagte Stefan Oberpeilsteiner daher auch selbstbewusst bei der Gründung. Möglicherweise wären die HelloPlant-Macher dennoch besser damit gefahren, wenn sie auf das Ausgelutschte gesetzt hätten. Denn absurderweise scheint der sicherste Weg mit einem Start-up zu reüssieren nicht jener, das Neue zu suchen, sondern bereits bestehende Modelle zu kopieren. Für Österreich gibt es keine Daten, doch Zahlen, die der Bundesverband Deutsche Start-ups erhoben hat, belegen diese These eindrucksvoll: Nur jedes fünfte deutsche Start-up-Unternehmen betrachtet seine Geschäftsidee als neu. Dabei gilt Deutschland als grundsätzlich innovationsaffiner als Österreich.

Skalieren als Mantra. Wie Größenwahn die Innovation hemmt

Man kann die Sachlage auch wie Mathilde Ramadier beschreiben: „Ein Großteil macht einfach E-Commerce. Ich weiß nicht, was daran revolutionär sein soll bei den zig Start-ups, die Essen nach Hause liefern oder Schminke, Parfüms und Windeln verschicken.“ „Willkommen in der neuen Welt“ heißt das Buch, das die heute 29-Jährige nach fünf Jahren in unterschiedlichen Positionen bei diversen Berliner Start-ups geschrieben hat und das eine recht ernüchternde Bilanz über die tatsächliche Innovationskraft der Szene zieht.

Doch selbst im Silicon Valley denken viele konservativer, als man es annehmen würde, und probieren eher mit der nächsten App, der nächsten Kommunikationsplattform oder der nächsten Online-Börse den Durchbruch zu schaffen. Der Trend, auf Software statt auf Hardware oder eine Verbindung von beiden zu setzen, wird vom amerikanischen Mindset zusätzlich gefördert: „Ganz egal, welches Produkt Sie dort auf den Markt bringen wollen, die erste Frage, die Sie hören werden, wird sein: Is it scalable? Die digitale Ökonomie ist aber die skalierbarste Ökonomie überhaupt und daher lieben sie die Amerikaner so sehr“, erzählt Harald Katzmair, der Gründer und Geschäftsführer von FASresearch und von Berufs wegen ein exzellenter USA-Kenner.

Den Skalierungseffekt bei möglichst geringem eigenen Entwicklungsaufwand hat auch das bei den Pionieren wohl meistgehasste Unternehmen der New Economy zu seinem obersten Geschäftsprinzip gemacht: Rocket Internet, ein Copycat aus Berlin, der es inzwischen auf satte 2,2 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr bringt. StudiVZ und Zalando, ursprünglich ein ziemlich getreuer Nachbau des US-Webshops Zappo.com, sind die beiden bekanntesten Schöpfungen aus der Klon-Schmiede der Brüder Samwer. Viele andere ihrer Nachbauten erreichten nicht die Popularität des Schuhriesen, brachten aber ebenfalls reichlich Geld ein. Oft weil sie vom kopierten Unternehmen aufgekauft wurden, das sich auf diese Weise einen potentiellen Konkurrenten vom Hals schaffte. Zum Beispiel Alando, ein schon 1999 von Rocket Internet geschaffener eBay-Klon, der den Grundstein für das heutige Imperium bildete. Bereits nach hundert Tagen online ging Alando für 50 Millionen Dollar an eBay weg. Zu billig, wie Oliver, der umtriebigste der drei Samwer-Brüder, heute bedauert.

Kopieren statt konstruieren. Warum Start-ups von der Stange so erfolgreich sind

Inzwischen werden die großen Kopisten allerdings längst selbst kopiert. Denn mittlerweile ist digitales Abkupfern unglaublich einfach geworden. Egal ob Zahlungsfunktionen, Suchverfahren oder die Art, wie Apps bzw. Webshops aufgebaut sind – anders als der Produktpirat in der Realwirtschaft, der zunächst einmal das kopierte Produkt analysieren muss, um es zu fälschen –, kann der digitale Kopist inzwischen unzählige fertige Bausteine von der Stange kaufen und sie mit minimalem Aufwand in seinen Klon integrieren. „Vielfach ist Kopieren geradezu zwingend, weil Kunden beim digitalen Geschäft bestimmte Standards gewohnt sind und sie auch erwarten“, sagt Georg Rainer Hofmann, E-Commerce-Spezialist und Professor an der Fachhochschule Aschaffenburg.

Die leichte Verfügbarkeit von solchen Versatzstücken macht es zwar einfach, ein digitales Start-up auf den Weg zu bringen, fördert aber nicht unbedingt die Innovation. Genauso wenig wie die Tatsache, dass die meisten Investoren vor ihrem Einstieg irgendeine Form von Machbarkeitsnachweis für die Idee, die sie finanzieren sollen, fordern. Und da ist der Verweis auf funktionierende Vorbilder ebenso günstig wie willkommen. Dass es sich dabei dann sehr häufig eben um noch eine weitere App, noch ein cooleres Datingportal oder noch eine Smart-Home-Idee handelt, stört nicht, solange das globale Internet wächst und die Chance besteht, entweder ein neues Stück von dem immer größer werdenden Kuchen abzubekommen oder von jemandem aufgekauft zu werden, der dieses Stück noch dringender haben möchte.

Goldman reloaded. De Gefahr der Start-up-Blase

Weil alle dabei aber mehr oder minder im gleichen Fahrwasser schwimmen, kommt dem Marketing eine Schlüsselrolle zu. Und solange alle paar Jahre mythenbildende Deals zustande kommen, wie der Verkauf von WhatsApp, das damals gerade einmal einen Umsatz von zehn Millionen Dollar machte und von Facebook dennoch für sagenhafte 22 Milliarden gekauft wurde, wird das so bleiben. Kein Wunder daher, dass manche Analysten bereits die nächste Dot.com oder eben Start-up- Blase am Horizont auftauchen sehen. „Wir hatten bislang noch nie den Fall, dass Investoren hunderte Millionen von Dollar in Unternehmen pumpen und ihnen auch noch sagen, es ist uns völlig egal, ob ihr profitabel seid oder nicht“, sagt Bill Gurley, einer der größten Investoren im Silicon Valley durchaus selbstkritisch. Und ein anderer Analyst merkt süffisant an, vor der Finanzkrise sei die Wall Street der einzige Ort der Welt gewesen, wo man immense Summen lukrieren konnte, ohne dafür einen realen Gegenwert bieten zu müssen. Heute laufe Silicon Valley Gefahr, zu einem solchen Ort zu werden.

Zumindest diese Gefahr besteht in Österreich nicht. Als „lieb und nett“ beschreibt der prominenteste heimische Start-up-Investor Hansi Hansmann die hiesige Szene. Zum Teil mag das daran liegen, dass Hansmann den Start-up-Begriff recht puristisch auslegt und ihn nur auf Gründungen anwendet, die tatsächlich ein existierendes Problem auf eine neue Art lösen.

Zum anderen liegt es aber vielleicht auch daran, dass der Hype tatsächlich ein wenig abflaut. Oder zumindest durch aktuelle Zahlen in ein realistischeres Licht gerückt wird. Einer Studie der KMU Forschung Austria zufolge waren im vergangenen Jahr jedenfalls maximal drei Prozent aller österreichischen Unternehmensgründungen Start-ups. Der Rest kann eindeutig dem Bereich der klassischen Ökonomie zugeordnet werden. Erst recht trifft diese Einschätzung auf die Gesamtheit aller österreichischen Unternehmen zu. Die übrigens, gerade im industriellen Sektor, als durchaus innovativ gelten.

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