Thomas Streimelweger / S&T : S&T-Gründer Streimelweger: Insolvenzprüfung am 15. Dezember

Es war eine bizarre Veranstaltung, jene elfte – und möglicherweise letzte – Hauptversammlung der Red-Stars.com Data AG am 2. Juni 2010. Ein Unternehmen, dessen Geschichte als einst gefeierter Ost-Internet-Investor schon kaum Grotesken ausließ. Und das mittlerweile nur mehr existiert, um als Vehikel für die Anteile am IT-Dienstleister S&T, die Thomas Streimelweger zuzurechnen sind, zu dienen. Eine Mischung aus Routine und Resignation liegt in der Luft, als die Anwesenheit von Thomas Streimelweger, 97-Prozent-Eigentümer und Vorstand, sowie Thomas Huber, 0,4-Prozent-Aktionär, ehemaliger Streimelweger-Intimus und Kurzzeit-Geschäftsführer von Red-Stars.com, festgestellt wird. Dass sich Huber, vor seinem Engagement bei Red-Stars.com Vorstand der Billa/Rewe-Gruppe, diese Veranstaltung antut, muss an seiner Leidensfähigkeit liegen. Er wird, wie schon in den vergangenen Jahren, einen Verlust – diesmal in der Höhe von 8,1 Millionen Euro – abnicken müssen. Und wie schon in den vergangenen Jahren gilt es Streimelweger als Vorstand zu entlasten. Ob routiniert oder resigniert: An jenem sonnigen Frühsommertag wird er diese Entlastung verweigern. Überstimmt von den ebenfalls anwesenden Andreas Bergler und Susanna Streimelweger, die zusammen rund 0,9 Prozent der Aktien halten. Streimelweger darf sich mit seinen 97-Prozent-Anteilen nicht selbst das Vertrauen aussprechen. Tagsatzung am 15. Dezember. Frostige Begegnungen mit ehemaligen Weggefährten wie jene mit Thomas Huber sind eine Konstante im Leben des Thomas Streimelweger. Ende November war auch die Stimmung im Aufsichtsrat der S&T auf dem Nullpunkt. Streimelweger, Mitbegründer des börsennotierten Systemintegrationshauses und mit rund 28 Prozent (über Vehikel wie Red-Stars.com gehalten) an der S&T beteiligt, musste auf massiven Druck der Aufsichtsräte als Vorstand abtreten. Dabei sind ihm gewichtige Personen im Aufsichtsrat wohlgesonnen. Etwa der Aufsichtsratschef Andreas Frech, mit dem er gemeinsam in der ST Global Holding investiert ist. Doch das Bekanntwerden eines Konkursantrages der Hypo Alpe Adria gegen das Privatvermögen von Thomas Streimelweger – INDUSTRIEMAGAZIN berichtete exklusiv – und die immer neuen Details seiner Überschuldung haben Streimelweger für den Aufsichtsrat untragbar gemacht. Ein Großteil seiner Aktien ist verpfändet, ein Versteigerungsverfahren über seine Villa in Wien Döbling ist eingeleitet. Als bekannt wird, dass für 15. Dezember am Wiener Handelsgericht eine Konkursprüfungstagsatzung angesetzt ist, lenkt Streimelweger ein. Ein Unternehmen, das selbst händeringend nach Finanzierung sucht, kann unmöglich von einem konkursverfangenen CEO geführt werden. Thomas Streimelweger steht vor den Scherben seiner beruflichen Laufbahn: Aus dem ehemals gefeierten Unternehmer wurde ein überschuldeter Manager, der am 15. Dezember vor dem Konkursrichter steht. Wohin verschwand der zweistellige Millionenbetrag, den Streimelweger aus dem Börsengang der S&T lukrierte – und was passierte mit den 12 Millionen Euro, mit denen Streimelweger heute bei Banken wie der Hypo Alpe Adria, der Investkredit und der Hypo Niederösterreich in der Kreide steht? ... weiter auf der nächsten Seite

Erfolgreichster Börsengang. Ob Penthouse am Wörthersee, Villa im Wiener Luxusbezirk Döbling, eine stattliche Yacht oder der Lamborghini in der Garage: Keine Frage, Thomas Streimelweger hatte sie alle, die Insignien derer, die aus dem Platzen der Dotcom-Blase in der Branche als Gewinner hervorgegangen sind. Sein Aufstieg begann noch vor deren Platzen. 1998 brachte er – dafür zollen ihm selbst kritische Weggefährten Achtung – die S&T erfolgreich an die Börse. Das Unternehmen, in den 90er Jahren mit viel Geschick durch seinen damaligen Kompagnon Karl Tantscher zu einem mittelosteuropäischen Systemintegrationshaus gewachsen, war einer der erfolgreichsten Börsengänge der 90er Jahre. Kolportierte rund 100 Millionen Schilling erlöste Streimelweger damals aus dem Verkauf – und noch viel mehr, zumindest auf dem Papier durch die Kurssteigerungen, die S&T damals am Börsenparkett hinlegte. Mit Siemens gescheitert. Der Erfolg dürfte Streimelweger unvorsichtig gemacht haben: Als er 1999 nach einem schweren Zerwürfnis mit seinem Kompagnon Tantscher aus dem operativen Geschäft ausstieg, versuchte er sich selbst als Unternehmer. Er investierte einen Gutteil der Erlöse aus dem Börsengang in seine IT-Plattform Red-Stars.com. Gemeinsam mit dem 25-Prozent-Partner Siemens wollte man den B2B-Bereich in Osteuropa aufrollen. „Red-Stars muss zehnmal so groß werden wie S&T“, meinte er damals – auf einer Pressekonferenz, in der sogar Siemens-General Albert Hochleitner mit am Podium saß. Triste Existenz. Doch das Vorhaben scheiterte, wie so viele Start-ups dieser Zeit. „Streimelweger hat nie in seinem Leben operativ Unternehmen geführt“, sagt ein ehemaliger Mitstreiter. „Er hatte keine Ahnung vom Computergeschäft. Den operativen Teil der Erfolgsstory S&T hatte ausschließlich Karl Tantscher zu verantworten. Streimelweger war nur für den Finanzbereich zuständig.“ Weshalb Siemens sich auf den Deal einließ, ist unklar. Klar ist, der Konzern stieg nach wenigen Monaten wieder aus – bis zum Exit Ende 2001 hat das Unternehmen rund 15 Millionen Euro versenkt. Heute gibt die triste Homepage der Red-Stars.com (sie hält einige Anteile an der S&T) nur noch vage Hinweise auf „Business Principles“, nach denen das mittlerweile zum Hedgefund umgewandelte Unternehmen investieren würde. Würde – wäre Kapital vorhanden. Neuer Anlauf im Norden. 2006 versuchte sich Streimelweger noch einmal als Unternehmer. Gemeinsam mit dem ehemaligen AUA-Chef Vagn Soerensen und Andreas Frech nahm er 1,5 Millionen Euro in die Hand und gründete die ST Global Holding AG. Diesmal wollte der Norden erobert werden. Eine „Erfolgsstory à la S&T“ sollte es werden, allerdings – Streimelweger ist lernfähig – in Nordeuropa. „Ich konzentriere mich auf den Norden, gehe sicher nicht nach Osteuropa und komme damit der S&T nicht ins Gehege“, sagte er damals der Tageszeitung „Die Presse“. Ein geeignetes Akquisitionsziel war rasch gefunden: Die T-Systems Dänemark, aktiv in ganz Nordeuropa, sollte als ST Denmark SA das Herzstück der Strategie sein. „Es gab schon einen Letter of Intent, doch als sich die Verhandlungen konkretisierten, war man bei T-Systems über das persönliche Vorgehen Streimelwegers schockiert“, sagt ein damals involvierter T-Systems-Mann. Die Deutschen zogen die Reißleine und bliesen den Verkauf ab. Erste Verpfändung. „Er hat eine sehr komplexe Persönlichkeit“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter über Thomas Streimelweger. „Er kann ein charmanter Gesprächspartner sein, mit Handschlagqualität – und im nächsten Moment gilt das vorher Gesagte nicht mehr und die Hackeln fliegen tief.“ Ganz ähnlich dürfte man das bei T-Systems empfunden haben. Die Kosten für den Rechtsstreit fraßen sich tief in die Bilanz der ST Global – und Investition war Mitte 2006 noch immer keine getätigt. Immerhin: Statt den Norden zu erobern erwarb die ST Global Aktien der S&T. Und belehnte diese auch gleich wieder: Für einen Ein-Millionen-Euro-Kredit bei der Hypo Alpe Adria wurden 2007 rund 35.000 der 50.000 gehaltenen Aktien verpfändet. ... weiter auf Seite 3

Hektische Sitzungen. Der Kauf – und auch die Verpfändung – sollten sich bald als schwerer Fehler erweisen: Der Kurs der S&T, deren Anteile ehedem um rund 50 Euro erworben wurde, sank dramatisch. Und damit das Eigenkapital der ST Global. In einer hektisch einberufenen Aufsichtsratssitzung am 12. November 2008 wurden „der Rückgang des Aktienkurses der S&T (der noch immer einzigen Beteiligung der ST Global, Anm.) und Lösungen hinsichtlich des daraus resultierenden negativen Eigenkapitals“ diskutiert. Am 19. November 2008 sitzt man wieder beisammen und warnt vor möglicher Illiquidität, am 15. Dezember zieht der Aufsichtsrat sogar eine mögliche Insolvenz der ST Global in Erwägung. Erst am 12. Mai ist die akute Krise vorüber: Die Hypo Alpe Adria gewährt der ST Global eine Stundung des Kredites, der sich mittlerweile auf über eine Million Euro beläuft, bis 30. Juni 2010. „Nie an die Substanz.“ Mit Pfandkrediten auf seine Anteile an der S&T, sein Penthouse am Wörthersee, die Villa in Döbling – und zuletzt sogar sein Vorstandsgehalt bei der S&T, in die er Mitte 2010 wieder als Vorstand einzog – ließ sich das persönliche Scheitern als Unternehmer lange kaschieren. Immerhin: Streimelweger hat der Versuchung widerstanden, die sich sukzessive anhäufenden Schulden, für die er privat haftete, über die Ausschüttung von Dividenden der S&T zu finanzieren. Mit den hohen Gewinnen, die der Systemintegrator Mitte der 2000er Jahre erwirtschaftete, ist stattdessen die Expansion des Unternehmens vorangetrieben worden. „Es ist Streimelweger hoch anzurechnen, dass er als einflussreicher Aktionär nie an die Substanz der S&T ging“, sagt ein ehemaliger Weggefährte, der selbst Anteile am Unternehmen hält. Streimelweger hätte für seinen Viertelanteil wohl mit Millionenbeträgen rechnen können. Was die Ratio dahinter war, auf der einen Seite Kredite aufzunehmen und andererseits Dividenden nicht abzuschöpfen, darüber kann der Kenner nur spekulieren: „Offenbar hat er sein Geld im Unternehmen besser angelegt gesehen als auf der Bank“, sagt einer. „Es war die Gier, wie sie zwanghaft Spielsüchtige erfasst, wenn sie – trotz sich abzeichnender Verluste – nicht wahrhaben wollen, dass sie nicht mehr mit Gewinn aus dem Geschäft aussteigen können“, sagt ein anderer. Realitätsverlust. Streimelweger – ein Spielsüchtiger jenseits der Realität? Zumindest angesichts einiger Interviews aus dem Sommer dieses Jahres ist solch eine Charakteristik nicht ganz von der Hand zu weisen. Im Juli, als die Banken ob der Privatschulden von Streimelweger unruhig werden, gibt der S&T-Vorstand der Kärntner Tageszeitung ein Interview: Es ging um die S&T-Anteile, die einst der AvW-Fonds kaufte und die jetzt bei Masseverwaltern in Kärnten auf Depot liegen. Der Kernsatz: „Ein Käufer zahlt nur dann einen guten Preis, wenn er Einfluss erhält. Daher muss er sich mit mir arrangieren“, sagt Streimelweger damals. Dem „Format“ diktiert er, es gäbe keinen Anlass für die Gläubigerbanken, ihre gepfändeten Anteile zu verwerten. „Der neue Großaktionär wird sowieso nur an der Mehrheit interessiert sein, also an 75 Prozent und einer Aktie. Dafür würde ich mich von einem Teil eines Pakets trennen, aber nur, wenn ich ein Vielfaches des derzeitigen Aktienkurses bekomme.“ Realitätsverlust? Tatsächlich wurden damals bereits Kredite, für die Streimelweger mit seinen S&T-Anteilen haftete, gestundet. Die Verwertung der Pfandrechte auf Privatimmobilien vorbereitet. Streimelweger ist damals längst nicht mehr Herr über sein Schicksal – nur er scheint es nicht zu begreifen. Banken machen Ernst. Im Herbst geben die beiden Gläubigerbanken Investkredit und Hypo Alpe Adria Streimelweger eine letzte Chance: Sie wollen die Anteile über einen Einstieg von Sanierer Erhard Grossnigg verwerten und suchen nach einer Lösung, auch Streimelweger zu involvieren. Die Idee: Im Zuge einer Kapitalerhöhung sollte Grossnigg Liquidität zuschießen und Streimelwegers Pfandrechte übernehmen. Dieser könnte sie später teilweise zurückkaufen – und derweil mit Grossnigg gemeinsam die Stimmrechte ausüben. Doch knapp nachdem die Presseaussendung, die den Deal verkündet, die S&T verlassen hat, zieht Grossnigg zurück. Nach einer heftigen persönlichen Auseinandersetzung mit Streimelweger, so heißt es aus dem Umfeld von Grossnigg, seien diesem schwere persönliche Zweifel gekommen und er habe den Deal abgeblasen. Grossnigg selbst will mit Streimelweger nichts mehr zu tun haben und zu S&T keinen Kommentar mehr abgeben.Noch so eine frostige Begegnung, wie sie im Leben von Thomas Streimelweger offenbar öfters vorkommen. Eine weitere blüht dem Unternehmer am 15. Dezember. In einer Konkursprüfungstagsatzung soll da am Handelsgericht untersucht werden, ob tatsächlich Konkurs über das Vermögen von Thomas Streimelweger eröffnet wird – INDUSTRIEMAGAZIN berichtete online exklusiv. Sollte sich bis dahin keine Lösung für die offenen Kredite (vor allem deren Besicherung nach dem Absturz der S&T-Aktie von 50 Euro auf unter 5 Euro) abzeichnen, droht der Konkurs. Im Kern gesund. Zumindest für das Unternehmen S&T könnte der Abgang Streimelwegers aus Aufsichtsrat und Vorstand eine gute Nachricht sein: „Jetzt können die Anteile, die derzeit bei den AvW-Masseverwaltern liegen, und jene, die an die Banken verpfändet sind, gebündelt und Investoren auch ohne den Störfaktor Streimelweger als Mehrheit angeboten werden“, sagt ein Insider. „Das Unternehmen ist zwar sanierungsbedürftig, aber im Kern gesund – und echte Interessenten sind vorhanden.“ Rudolf Loidl