Spritzgießmaschinen : Spritzgießmaschinen-Revival: Auf Spritztour

Sibirische Kälte in ganz Österreich: Georg Tinschert hat langsam genug davon. Nicht, weil der Chef des niederösterreichischen Spritzgießmaschinenherstellers Wittmann Battenfeld die Winterszeit nicht mag. Aber diesmal können ihm die ersten Frühlingsboten nicht früh genug kommen: Sobald die Temperaturen in die Höhe klettern, startet in Kottingbrunn ein Projekt mit großer Dimension: Der lange ersehnte Werksausbau. Viel Zeit bleibt nicht: Spätestens im September sollen weitere 3000 Quadratmeter Produktions- und Lagerfläche (derzeit: 15.000 Quadratmeter) bezogen werden – denn die Geschäfte der Niederösterreicher laufen heute, vier Jahre nach der Konkurseröffnung der Battenfeld Kunststoffmaschinen GmbH, gut. „Wir blickten immer nach vorne – und jetzt belohnt uns die positive Auftragslage“, ,meint Tinschert. Rund eintausend Maschinen sollen ab 2013 jedes Jahr das 380-Mann-Werk verlassen. Speziell die kürzlich präsentierten hydraulischen Großmaschinen („MacroPower“) tragen laut Tinschert herkulesartig den Wachtsumskurs: "Sie kommen einfach an“. Veführungskraft Was doch überrascht. Denn manch ein Hersteller rasselte zuletzt nur mehr die Vorteile vollelektrischer Maschinen herunter. Hydraulische Maschinen gerieten – in der Wahrnehmung vieler – immer mehr ins Abseits. „Zu Unrecht“, meint Georg Tinschert. Zwei von drei verkauften Maschinen seien immer noch hydraulische Maschinen. Und servogeregelte Hydraulikantriebe als Ersatz für Asynchronantriebe mit fixer Drehzahl würden sie effizienter denn je machen. Tinschert: „Speziell im Großmaschinenbereich sind hydraulische Maschinen nicht unterzukriegen“.Bei elektrischen Spritzgießmaschinen sind keine Hydraulikkomponenten, also Ventile, Schläuche und Filter, zu wechseln. Das gilt vielen Kunststoffverarbeitern als verführerisch. Auch höhere Präzision und Wiederholgenauigkeit durch den Wegfall schwankender Öleinflüsse sowie geringere Lärmemissionen peppen die Bilanz der vollelektrischen Maschine auf. Außerdem wird weniger Kühlleistung benötigt – und die Maschinen sind rasch einsatzbereit: Im Gegensatz zum Öl müssten die Antriebe nicht erst ihr thermisches Gleichgewicht finden, argumentiert man in einem Kunststoffwerk. Hydraulische Maschinen hingegen würden als “verlässliche Kalkulationsgröße” wahrgenommen, heißt es in der Branche. Also legt Wittmann Battenfeld dort nach. „Wir wollen uns wieder zum Vollsortimenter entwickeln“, erzählt Tinschert. Der Hersteller will an frühere Zeiten anschließen. „Im deutschen Werk Meinerzhagen produzierten wir früher Maschinen mit bis zu 5000 Tonnen Schließkraft“, sagt Tinschert. Ganz so bunt wird man es nicht mehr treiben. Vielmehr schwebt einem das überschaubare Segment von 400 bis 1500 Tonnen Schließkraft vor – dort, wo mehr als 95 Prozent des Geschäftes gemacht werden. Für heuer sei der Launch der Maschinen mit 400 und 500 Tonnen Schließkraft geplant –montiert werden die Maschinen teils „in Kottingbrunn“.
Holmfrei spannen Derzeit wirft die Kunststoffindustrie zwar nicht gerade mit optimistischen Einschätzungen um sich. Mehr als die Hälfte der deutschen Kunststoffmaschinenbauer gehen von einer negativen Geschäftsentwicklung für 2012 aus – nicht gerade ein aufmunterndes Signal. „Erfreulicherweise wachsen wir aber stärker als der Markt“, meint Wittmann Battenfeld-Chef Georg Tinschert. Das mache er neben dem Erfolg der neuen Produkte am Wachstum in Osteuropa, Asien und den USA fest.Doch wie kann man im hydraulischen Bereich gegen Mitstreiter wie den Schwertberger Hersteller Engel – eine Hausmacht – bestehen? Tinschert: „Unsere Großmaschinen aktuellen Datums sind kompakter und einfacher zugänglich“. Das seien schon „handfeste Vorteile für den Anwender“, meint Tinscher. Eine Spitze in Richtung Schwertberg: Bei Battenfeld-Maschinen sei der Werkzeugwechsel praktisch über einen holmfreien Bereich in der Schließeinheit realisierbar. „Werkzeugwechsel ohne Holme sind schon von Vorteil“, räumt Franz Massak, Werkleiter der Banner Kunststoffwerke, ein. Der Betrieb setzt hauptsächlich Engel-Maschinen ein – und arbeitet dann etwa mit Schnellspannsystemen. „Beim Einfädeln des Werkzeugs muss man dabei auf die Verriegelungsholme achtgeben“, so Massak. Würde er nur aus dem Grund den Maschinenlieferanten wechseln? Das sei „schwer vorstellbar“. Er hat aber auch noch nie eine Battenfeld-Maschine in der Produktion gehabt. Vielleicht sollte ihn Tinscher einmal nach Kottingbrunn einladen – nach dem Werksausbau. Daniel Pohselt