Digitalisierung : So digital ist die Produktion der Zukunft

The Race is on – bei diesem Motto des SAP-Forums durfte ein Podiumsgespräch mit Super-Racer Marcel Hirscher nicht fehlen. Eine Demonstration zu Big Data in der Formel 1 auch nicht. 300.000 Datensätze pro Sekunde werten die Techniker von McLaren aus, um die Strategie während des Rennens immer wieder neu zu justieren. Reifen wechseln jetzt oder später? Wird der Motor halten? Taktieren oder angreifen? All das wird heute anhand von Zahlen bestimmt, auch wenn die Letztentscheidung immer noch der Mensch trifft.

Die beiden Keynotes zählten in Linz erwarteterweise zu den absoluten Publikumsmagneten. Doch für SAP-Profis waren die am Forum vorgestellten Showcases nicht minder spannend. Denn sie demonstrierten, wie treffsicher die SAP und ihre Partner auf die aktuellen Anforderungen in der vernetzten Produktion reagieren. Oder mit den Worten von SAP-Österreich-Geschäftsführer Rudi Richter formuliert: „Wenn wir nicht immer fünf bis zehn Jahre vorausdenken würden, dann gäbe es uns als Firma schon lange nicht mehr.“

Und so zeigte zum Beispiel SAP-Partner Informatics gemeinsam mit dem Laserspezialisten Trotec, wie revolutionär Industrie-4.0-Konzepte sein können, wenn sie wirklich auf einen End- to-End-Zugang setzen. „Die Maschinen sprechen ja schon lange mit uns“, sagt Informatics-Geschäftsführer Otto Kitzmüller. „Aber bislang haben wir aus diesen Daten keinen Mehrwert gezogen.“

Sprechende Maschinen

Dabei kann im Lasergeschäft schon ein einzelner Parameter unglaublich erkenntnisbringend sein, wenn er nur durchgehend erfasst wird. Wird bei einer Maschine ein vorab definierter Grenzwert überschritten, setzt das eine ganze Kaskade an Prozessen in Bewegung: Im Fall von Verstopfungen des Filters oder Temperaturabweichungen wird automatisch ein Instandhaltungsauftrag angelegt und der Wartungsverantwortliche erhält die Information per Mail und in der Fiori-App visualisiert. Gleichzeitig werden im ERP die notwendigen Bestellvorgänge der Ersatzteile ausgelöst. Bei einer optimierten Anwendung kommt die Warnung im Sinne von Predictive Maintainance schon im Vorfeld, wodurch Stehzeiten fast gänzlich vermieden werden können.

„Unser Anspruch bei Trotec sind Lasersystemlösungen zu entwickeln, die unsere Kunden profitabler machen. Dabei stehen Produktivität, Flexibilität und geringste Total Costs of Ownership an erster Stelle. Diese neue Möglichkeit der Maschinenkommunikation unterstützt diese Ziele auf voller Linie. Verfügbarkeiten können maximiert, Stillstandzeiten minimiert und die Produktivität dadurch erhöht werden“, erklärt Andreas Penz, Geschäftsführer bei Trotec.

Smart genutzt haben die Daten noch einen weiteren Vorteil: Sie erlauben einen sehr exakten Überblick darüber, wie die Kunden die von ihnen georderten Maschinen tatsächlich nutzen. Bei Befragungen tendieren viele Kunden ja dazu, sich sehr viel Technik zu wünschen. Die Maschinendaten zeigen aber, dass sie im realen Betrieb manche Features dann doch kaum nützen. Wenn man solche Diskrepanzen auswertet, helfe das, Maschinen zu bauen, die genau das bieten, was der Kunde wirklich braucht – auch wenn er es selber vielleicht noch gar nicht weiß. Oft kommt am Ende dann ein besseres, reduziertes Produkt heraus.

Smart Watch 4.0

Auf Reduzierung sind auch der Verpackungsprofi Lenze und der SAP-Partner Itsdone aus. In ihrer Kooperation nutzen sie eine handelsübliche Smart Watch, um die Mitarbeiter durch den Produktionsprozess zu leiten. Der Ansatz dabei: Benachrichtigungen kommen auf die Smart Watch, werden per Knopfdruck bestätigt, wo- rauf der anstehende Arbeitsschritt auf einem Monitor über der Arbeitsstelle angezeigt wird. Ist er vollendet, drückt der Mitarbeiter erneut den Bestätigungsknopf und der nächste Schritt erscheint am Display. Gerade bei der riesigen Vielfalt an spezifischen Verpackungen, die erforderlich sind, ist das ein unschätzbarer Gewinn für Lenze.

Die Vorteile einer Smart Watch sind dabei evident: Die Akzeptanz fällt viel höher aus als bei einer Datenbrille; die Uhr kann durch die Vielzahl weiterer Funktionalitäten individuell eingesetzt werden; der Anschaffungspreis ist moderat, die Bedienung intuitiv. Und die Uhr kann problemlos ins SAP-System eingebunden werden. „Das Schöne an dieser Idee ist außerdem, dass sie sich schnell umsetzen und ausprobieren lässt. Dieser Zugang des Minimal Prototyping hat uns von Anfang an sehr gut gefallen“, so Alfred Ritirc von Lenze.

Hubert Schwarz-Malle, Geschäftsführer bei Itsdone Applications, denkt daher bereits über weitere Möglichkeiten nach, Smart Watches im Industrie-4.0-Umfeld einzusetzen. So könnte die NFC-Funktion dazu genutzt werden, bei Fehlgriffen einen Alarm auszulösen, die Pulsfrequenzmessung etwa, um Gefahrensituationen zu überwachen, etwa wenn in Lagern mit reduziertem Sauerstoffvorrat gearbeitet wird.

Gedankensteuerung

Doch weil die Entwickler von Itsdone in einem Teil ihres Herzens große Buben sind, die gerne spielen, experimentiert das Team auch mit Dingen, die heute fast noch futuristisch anmuten: etwa mit Gedankensteuerung oder Mimik-Kennung. Die Möglichkeit, statt über ein Eingabegerät per Augenzwinkern einen Computer zu bedienen, würde gerade an Verpackungsstationen große Vorteile bringen, erklärt Hubert Schwarz-Malle, weil die Mitarbeiter dann stets beide Hände frei hätten.

Dass das prinzipiell funktioniert, hat Itsdone in Linz ebenfalls vorgeführt. „Für einen Einsatz in der industriellen Produktion gibt es im Moment aber noch zu viele technische Hürden“, sagt Schwarz-Malle. „Wir bemühen uns dennoch, jede neue Technologie so früh wie möglich zu testen, um unsere Kunden beraten zu können, ob ihr Einsatz aktuell sinnvoll ist oder nicht.“

Und wer weiß, vielleicht sieht die Sache mit der Gedankensteuerung bei einem der nächsten SAP-Foren schon wieder ganz anders aus.