Produktionsmanagement : SIMEA: Vorführeffekt

Alles, was er braucht. Das hat Stefan Petsch am Siemens-Standort in Wien-Floridsdorf in Reichweite. Das österreichische Werk erreicht Petsch, CEO der auf die Elektronikfertigung und Entwicklung spezialisierten SIMEA, in drei Minuten leicht zu Fuß. Und selbst Sibiu, zweiter SIMEA-Standort in Rumänien für die Produktion von SITOP-Stromversorgungen, ist für Petsch nur einen Mausklick entfernt. Sein Computerbildschirm liefert ihm via Fertigungsinformationssystem jederzeit den vollen Durchblick: In welchem wertschöpfenden Prozess befinden sich die Produkte gerade? Und wer liegt im Produktivitätsvergleich vorn – die Wiener oder die Rumänen? Damit befinden sich die beiden Standorte in einer ziemlich ungewöhnlichen Konstellation. Denn normalerweise werden Werke im Osten eher als Werkbank in die Dienerrolle gedrängt. Bei Siemens ist der Ost-Standort nahezu gleichberechtigt. „Nur so bekommen wir die Prozessqualität auf unser gewohntes Niveau“, begründet Petsch den Schritt zu mehr Autonomie in den Partnerwerken. Im Zuliefererparadies eingecheckt Und über die Qualität des rumänischen Werks lässt sich nicht streiten. 2005, erzählt Petsch, stellte der Elektronikkonzern das Werk in Sibiu auf die grüne Wiese. Der Standort schien schon damals perfekt: Neben einer direkten Fluganbindung überzeugte das Gewerbegebiet auch durch die gut ausgebauten Strukturen: Die Stadt in Siebenbürgen ist ein Dorado für TIER-2-Zulieferer aus der Automobilindustrie. „Auch das Ausbildungsniveau an der hiesigen Universität ist großartig“, erzählt Stefan Petsch im Wiener Büro. Topleute wurden angeworben: Das Werk ist ähnlich dem Wiener Pendant als Hightech-Produktionsstandort konzipiert. Mit dem Unterschied, dass am rumänischen Standort der Schwerpunkt klar auf handarbeitsintensiven Produktionsprozessen und Produkten liegt. Wo viele Relays oder Trafos von Hand zu setzen sind, sind die Rumänen also begünstigt. Stromversorgungs-Baugruppen mit einer hohen Zahl von kleinen und kleinsten elektronischen SMD-Bauelementen bleiben die Domäne der Wiener.Lesen Sie weiter: Strenge Auditoren aus Sibiu

Davon abgesehen sind die Gemeinsamkeiten der beiden Produktionen (Wien: 5500 Quadratmeter, Sibiu: 4000) verblüffend: Da wie dort bringen moderne Maschinen auf Leiterplatten Lotpasta auf, bevor die Komponenten gesetzt und miteinander verbunden werden. Nach der anschließenden Montage und finalen Qualitäts- und Funktionsprüfung verlassen aus beiden Standorten fertige Produkte das Werk. Den Fußboden gegen elektrostatische Aufladung, über den man im Wiener Werk huscht, gibt es auch in Sibiu. „Und über beide Werke ist dasselbe Fertigungsinformationssystem gespannt“, schildert Petsch. Kurze Regelkreise Das macht deshalb Sinn, weil das Werk in Sibiu alles andere als eine verlängerte Werkbank ist. Es ist – wie das Wiener Werk – entlang der gesamten Wertschöpfungskette stark. Der operative Einkauf sitzt hier genauso wie Teile des Auftragsmanagements. Auch die Lieferungen aus Sibiu an ein zentrales Siemens- Lieferzentrum in Nürnberg werden hier abgewickelt. „Lokale Verantwortung und Kompetenzen verhindern lange und teure Regelkreise“, begründet Petsch. Die vielleicht möglichen Kosteneinsparungen durch die Reduktion der Aufgaben in Sibiu würden niemals die Mehrkosten für Logistik und die Behebung von Qualitätsproblemen aufwiegen, „wäre Sibiu nur unsere verlängerte Werkbank“, so der CEO. Nicht abgeschottet Und trotzdem ist Sibiu keine isolierte Welt. Die beiden Werke stehen dauernd unter weltweitem Verbesserungsdruck und entwickeln auch ihren Ehrgeiz im gegenseitigen Vergleich. Wegen der Softwarestandardisierung wird hier wie dort mit haargenau denselben Qualitäts- und Prozessdaten gearbeitet. Auch deshalb kam das rumänische Werk, damals noch mit österreichischem Produktionsleiter, extrem schnell in die Gänge. Ein Know-how-Austausch durch das gemeinsame Produktionssystem – etwa in der Instandhaltung – fand statt. Eher schnell als langsam waren die Rumänen an die Wiener Standards herangerückt. Auch die Tatsache, von den Wienern ernst genommen zu werden, „war für das Schwesterwerk extrem motivierend“, sagt Petsch. Anfängliche hohe Durchlaufzeiten reduzierten sich in Sibiu recht bald um bis zur Hälfte. Sogar Projektanläufe finden „schon autonom statt“, sagt der CEO. Strenge Auditoren Das Kopf-an-Kopf-Rennen in Sachen Produktivität und Auslastung, von dem in Wien ein gutes Gefühl zu bekommen ist, lässt aber auch einen anderen Schluss zu. Nämlich den, dass auch die Wiener Produktionstruppe noch dazulernen kann. So war Sibiu Vorreiter bei der Einführung einer cleveren Klebetechnologie für elektronische Bauelemente, die anschließend von den Wiener Kollegen übernommen wurde. Auch sind Mitarbeiter aus Sibiu längst strenge Auditoren bei Qualitäts- und Umweltmanagement-Audits in Wien. Petsch erklärt, was ihn an den Rumänen fasziniert: „Ihre ungeheure Flexibilität.“