Strategie : Siemens krempelt sich um

Im Siemens-Konzern rumort es, da alle Geschäftsfelder auf dem Prüfstand stehen und neue gefunden werden wollen. So ist etwa vom einstigen Zukunftsfeld wie der Telekommunikation nichts mehr übrig. Nächstes Jahr wird es recht deutlich, dass Siemens-Chef Joe Kaeser sein Haus immer stärker auf Software ausrichtet, berichtet der Trend, denn Siemens soll zum Technik-Anbieter für Industrie 4.0 werden. Dafür wurden für insgesamt etwa neun Milliarden Euro zahlreiche spezialisierter Firmen übernommen, die meisten aus den USA. Die Hälfte des Geldes ging allein in den letzten Zukauf Mentor Graphics.

Mit den Zukäufen und dem Umbau will Siemens die Nase vorn haben und Unternehmen wie Cisco oder Accenture nicht zwischen sich und seine Kunden lassen. Denn diese haben bereits begonnen, die Produktion von Industrieunternehmen zu digitalisieren - und Siemens will hier mitmischen.

Mut zur Digitalisierung

Währenddessen plädiert die Siemens-Personalchefin Janina Kugel dafür, dass Deutschland die Digitalisierung mit Mut und Tatkraft angehen solle. "Jede industrielle Revolution hat zu Ängsten geführt, und keiner hat die Glaskugel, um vorauszusagen, wie die Zukunft ganz genau aussehen wird", so Kugel.

"Realität ist, dass wir in Deutschland und auch in vielen anderen Ländern unterm Strich nicht zu weniger Beschäftigung gekommen sind durch die Entwicklung und Weiterentwicklung der Industrie." Es komme darauf an, den Wandel mit Offenheit zu gestalten. Wenn Deutschland die Chancen der Digitalisierung nicht nutze, würden sie von anderen ergriffen.

Auch künftig biete der Arbeitsmarkt den unterschiedlichsten Berufsgruppen Jobchancen - vom Softwareingenieur bis zum Mechaniker, Elektroniker und Mechatroniker. "Die Beschäftigung bleibt, die Jobs werden sich ändern", sagte Kugel. Statt etwa Werkstücke durch Fräsen und Feilen zu bearbeiten, würden diese künftig zunehmend per 3D-Druck erstellt. Allerdings bedürfe es gemeinsamer Anstrengungen, um allen in der Gesellschaft die Teilnahme an der Digitalisierung und Globalisierung zu ermöglichen. "Das kann nicht erfolgreich passieren, wenn wir dasitzen, lamentieren und nichts tun", sagte Kugel.

Bessere Ausbildung, mehr Flexibilisierung

Für die Arbeitnehmer bleibe die wichtigste Voraussetzung die berufliche Qualifizierung. Siemens als Hochtechnologie-Unternehmen werde auf längere Sicht kaum noch un- oder angelernte Mitarbeiter beschäftigen können. Umso wichtiger sei daher, dass alle Jugendlichen, ungeachtet ihrer Herkunft oder ihres familiären Backgrounds, die Chance auf einen qualifizierten Schulabschluss und eine Berufsausbildung bekämen.

Zugleich sei eine weitere Flexibilisierung der Arbeitswelt nötig. Es gebe viele Unternehmen aller Größen, "die immer noch komplett auf das Thema Präsenzkultur abfahren", sagte Kugel. Den Mitarbeitern werde es teils gar nicht ermöglicht, einen Teil ihrer Arbeit von zu Hause zu erledigen.

Kritisch sieht Kugel auch die vorgeschriebene Ruhezeit von elf Stunden. Zwar werde es immer Arbeiten geben, in denen die Ruheregelung nötig ist, etwa bei Schichtmodellen. "Aber es gibt Menschen, für die das eher eine Einschränkung ist." Als Beispiel verwies sie auf Eltern, die nachmittags mit ihren Kindern Zeit verbringen und dann abends noch einmal arbeiten wollen, wenn der Nachwuchs im Bett ist, die aber gleichzeitig kein Problem damit hätten, morgens um 8.00 Uhr wieder im Büro zu sein.

Auch in ihrem Vorstandsressort will Kugel künftig zunehmend auf digitale Lösungen setzen. Bei der Vorauswahl von Bewerbern dürfte künftig auch künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, sagte die Managerin kürzlich der "Süddeutschen Zeitung". Davon verspricht sich Kugel auch einen neutraleren Auswahlprozess. (red/apa/dpa)