Entsorgung : Saubermacher: Alarmstufe Roth

Saubermacher Hans Roth
© Max Wegscheidler

Als Hans Roth vor knapp einem Jahr den eher als Sanierer in der Medienbranche bekannten Horst Pirker zum CEO seiner Saubermacher Dienstleistungs AG machte, war die Überraschung groß. Über das Verlagshaus Styria, das er jahrelang prägte, bis an die Spitze des Red-Bull-Medienimperiums hat Pirkers bisheriger Berufsweg geführt. Jetzt sitzt Pirker im 2011 errichteten hochmodernen ECCOPORT-Gebäude von Saubermacher, der Blick geht auf die Landebahn des Grazer Flughafens, von dem alle paar Stunden ein Flugzeug abhebt. Davor picken Vögel auf einem abgeernteten Maisfeld nach Würmern: Landidylle mit Landestreifen.„Kein Verwaltertyp“Doch Pirker ist kein Mann des ländlichen Biedermeiers. „Ich bin sicher nicht der Richtige, um ein Unternehmen in einer Gleitphase zu führen. Ich bin kein Verwaltertyp“, sagt er. Dass er jetzt beim Grazer Entsorger Saubermacher die Fäden zieht, habe zwar primär familiäre Gründe, die ihn von Red Bull zurück in die Steiermark gezwungen haben, der Moment bei Saubermacher einzusteigen sei dennoch ideal gewesen. Denn das Unternehmen, einer der drei großen österreichischen Entsorger, stehe, diagnostiziert Pirker, vor einem Umbruch. „Wir machen mit unserem Traditionsgeschäft heute gute Gewinne, aber dieses Kerngeschäft hat seinen Zenit überschritten. Es wird vielleicht noch das Morgen finanzieren, aber nicht mehr das Übermorgen bezahlen.“ Deshalb, sagt Pirker, brauche der Saubermacher einen neuen Kick. Und deshalb, das sagt er nicht, meint es aber wohl, habe Roth ihn an die Spitze geholt.Neues GeschäftsfeldAlte Unternehmensmodelle für obsolet zu erklären, zu prophezeien, dass man innerhalb kürzester Zeit den Anschluss verliert, wenn man sich nicht immer wieder radikal neu erfindet, ist eine fast schon obsessive Konstante in Pirkers Denken. Das hat er nahezu von Anfang an bei der Styria gezeigt und damit auch gehörig Widerstand geerntet, das war auch der Motor seiner Zusammenarbeit mit Red Bull. Wie er den Saubermacher neu positionieren will, lässt Pirker im Moment allerdings nur in Andeutungen erkennen. Er spricht von der Pflege der vorhandenen Stärken des Unternehmens, die aber um neue Bereiche ergänzt werden müssen. Auf Nachfrage lässt er sich immerhin so viel entlocken: „Es wird ein neues Geschäftsfeld im Umweltbereich sein, das aber keine Verbindung zu bestehenden Geschäftsfeldern hat.“ In ungefähr einem Jahr soll die Idee reif für eine umfassende Präsentation sein.Wertvolle RohstoffeEtwas Neues auf den Markt bringen, würde für den Saubermacher gut passen. Was Sammelsysteme und Wege, um aus Abfall Rohstoffe herauszulösen, betrifft, war das Unternehmen schon oft der Konkurrenz einen kleinen Schritt voraus. Das hat, so sieht es jedenfalls Firmengründer und Vorsitzender des Aufsichtsrats Hans Roth, letztlich zum heutigen Erfolg geführt. Hier geht´s weiter

Auch wenn man keine riesige Forschungsabteilung unterhalte, so arbeiten bei Saubermacher doch rund hundert Personen daran, über neue Technologien nachzudenken: „Der generelle Trend in der Branche geht in Richtung Nische, etwa beim Elektronikschrott. Früher hat es gereicht, die Leiterplatten auszubauen, und die wurden dann zum weiteren Zerlegen in ein Werk nach Deutschland geschickt. Heute sind die in Leiterplatten erhaltenen Rohstoffe so wertvoll, dass ein Entsorger gut beraten ist, selbst Anlagen zu haben, die ein sauberes Zerlegen der Platten ermöglichen, um etwa das darin enthaltene Kupfer einer stofflichen Verwertung zuzuführen.“ Zurzeit beschäftigt man sich bei Saubermacher mit Möglichkeiten, Lithium-Ionen-Batterien stofflich zu verwerten. „Natürlich zwingt mich niemand dazu, aber das Thema wird eher früher denn später aktuell und dann wollen wir von Anfang an dabei sein.“Alles Forschungstrieb?Reiner Forschungstrieb steckt hinter dem Versuch, auch aus kompliziertem Abfall Rohstoffe möglichst sortenrein herauszulösen, natürlich nicht. „Je sauberer ein Rohstoff aus Abfall herausgeholt wird, desto höher ist dann der Erlös für den Rohstoff. Am Ende profitiert davon auch unser Kunde, weil wir die Entsorgung dann günstiger anbieten können“, sagt Roth. Rund 4.200 Mitarbeiter beschäftigt Saubermacher zur Zeit, wobei nicht ganz 1.000 auf die Stammfirma Saubermacher Dienstleistungs-Aktiengesellschaft entfallen, der Rest auf die 75 Beteiligungen im In- und Ausland, wobei in dieser Zahl auch die Beteiligungen der Tochter einberechnet sind. Für die Saubermacher Dienstleistungs AG weist das Firmenbuch 2011 einen Umsatz von knapp 146 Millionen Euro und ein EGT von minus 4,92 Millionen Euro – eine Folge von Abschreibungen in Kroatien, wo Saubermacher längere Zeit aktiv war, sich aber aufgrund der unklaren Rechtslage zurückgezogen hat. Konsolidiert und unter Berücksichtigung aller Beteiligungen schrieb Saubermacher 2011 einen Umsatz von 294 Millionen und ein EBT von plus 3 Millionen. Ohne die Abschreibungen in Kroatien wäre es laut Firmenangaben gar ein Plus von 13,7 Millionen gewesen. Während man das Kroatien-Geschäft zurückgefahren hat, prägt Saubermacher nach wie vor das Entsorgungsgeschäft in Ungarn und Slowenien, mit der rumänischen 100-%-Tochter Saubermacher Romania und einer Mehrheitsbeteiligung an der tschechischen Rumpold s.r.o. ist man auch in Rumänien und Tschechien vertreten. Rund 40 Prozent der Saubermacher-Geschäfte entfallen heute auf das Ausland.Big PlayerIn Österreich ist Saubermacher bei der Entsorgung kommunaler Abfälle mit 1.600 betreuten Kommunen der Marktführer, im Bereich Gewerbe- bzw. Industriemüll gehört er mit 40.000 Kunden neben der A.S.A. und der AVE zu den drei Big Playern. Wobei Konkurrent AVE in jüngster Zeit ein wenig ins Strudeln geraten ist. Gerüchte um einen vollständigen Verkauf der Auslandsbeteiligungen der AVE machen genauso die Runde wie jene über einen strategischen Investor oder gar über einen vollständigen Verkauf. Das Problem der Oberösterreicher besteht im Wesentlichen darin, dass bei sinkenden Erlösen aus dem klassischen Entsorgungsgeschäft neue Ideen fehlen. „Wer den Paradigmenwechsel in der Entsorgungswirtschaft nicht mitmacht oder nicht mitmachen kann, bekommt Schwierigkeiten“, kommentiert Saubermacher-CEO Pirker.„Kalte Enteignung“Freilich, mit einem Teil der Probleme, die die AVE hat, muss sich auch Saubermacher auseinandersetzen. Allen voran die Situation in Ungarn, wo die Regierung von Viktor Orban plant, ab 2014 nur noch jene Entsorger zum Zug kommen zu lassen, an denen die öffentliche Hand die Mehrheit hält. Von einer „kalten Enteignung“ spricht in diesem Zusammenhang Saubermacher-Vertriebsvorstand Frank Dicker und sieht durch die Orban-Pläne Umsätze in der Höhe von 50 Millionen Euro gefährdet. Hier geht´s weiter

Dass Saubermacher ein Subunternehmen seiner ungarischen Tochter Saubermacher Magyaroszag, die Saubermacher Pannonia, an die westungarische Stadt Nagykanizsa verkauft hat, wird in der Branche als ein Hinweis gewertet, dass man in der Grazer Konzernzentrale Orbans Pläne durchaus nicht als eine leere Drohung sieht. Geändert hat sich das Geschäft aber auch in Slowenien. Konnte man in Slowenien, wie in anderen ehemals sozialistischen Staaten, bislang davon ausgehen, dass die Wachstumsraten in der Abfallwirtschaft aufgrund des niedrigen Startniveaus doppelt so hoch sind wie jene in der Gesamtökonomie, so neigt sich die Goldgräberzeit inzwischen dem Ende zu. „Wir spüren die Krise in Slowenien zwar nicht dahingehend, dass Umsätze wegbrechen würden. Wir merken aber, dass es rauer wird, etwa daran, dass Kunden Mühe haben, Zahlungsziele einzuhalten“, sagt Hans Roth.Neue VerwertungsanlagenUm etwaigen Umsatzeinbußen im Südosten vorzubeugen, vor allem aber um für den von CEO Pirker beschworenen „Paradigmenwechsel in der Entsorgungswirtschaft“ gerüstet zu sein, investiert Saubermacher derzeit massiv in neue Verwertungsanlagen. Heuer, sagt Hans Roth, sollen es rund 20 Millionen Euro sein, und er verweist auch darauf, dass sein Unternehmen trotz der getrübten gesamtwirtschaftlichen Lage mit einer Eigenkapitalquote von 38 Prozent stabil dasteht. Nicht umsonst hat man 2008 als Ersatz für den aufgrund der Finanzkrise abgesagten Börsengang die Piceno Netherlands BV, eine UBS-Tochter, an Bord geholt, die mit 27,8 Prozent am Unternehmen beteiligt ist. Der De-facto-Mehrheitseigentümer bleibt aber nach wie vor Hans Roth, der über die Roth-Privatstiftung 72,2 Prozent kontrolliert.Roth im FirmenlogoAußerhalb des Saubermacher-Imperiums existieren allerdings noch weitere Firmen, die den Namen Roth im Firmenlogo tragen, etwa Roth-Heizöle. Darin spiegelt sich die Familiengeschichte der Roths wider. Die Eltern von Hans Roth und fünf weiteren Geschwistern betrieben im oststeirischen Gnas eine Gemischtwarenhandlung mit allem, was so dazugehörte: Buttersemmeln, Kleider, Trafik, Tankstelle, Zement und immerhin zwanzig Angestellte. Als Ältester hat Hans Roth die Tankstelle übernommen, daraus die Roth-Heizöle gemacht und später seinen Bruder Rudi, damals Torwart beim GAK, als Grazer Niederlassungsleiter an Bord geholt. Das Geschäft ging gut, allein: Hans Roths Frau Margret wollte etwas Eigenes machen, gerne ein bisschen abseits des Familienclans. Und so entstand 1979 die „Roth Umweltschutz GmbH“, später: Saubermacher. Mit drei Mitarbeitern und rund 5.000 Euro Startkapital. Und mit der Vereinbarung der Eheleute, dass Margret, die Berufsschullehrerin, sich am Nachmittag um die neue Firma kümmert, weil Hans ja mit den Heizölen zu tun hatte.Familien-TrafikNach rund fünfzehn Jahren war Saubermacher dann so groß, dass Hans Roth sich ab 1994 ausschließlich dem Entsorgungsgeschäft widmete, die Heizöle führte Rudi weiter. Von da an titulierten ihn bunte Gazetten gern als den „steirischen Ölbaron“. Auch als Präsident des GAK machte er Schlagzeilen, zuerst weil er dabei die Öffentlichkeit nicht gerade scheute, später auch wegen der GAK-Pleite. Heute sind Roth-Heizöle nicht mehr in Roth-Besitz, auch wenn Rudis Sohn Jürgen nach wie vor als Geschäftsführer im Unternehmen werkt. 99,8 Prozent des Unternehmens gehören der ungarischen MOL, 0,2 Prozent der slowakischen Slovnaft. Nach wie vor steht die Familie hingegen hinter dem Roth Handel & Bauhandwerkerservice, inzwischen geleitet von Margret Roth und dem Modehaus Roth in Gnas. Der jüngste Roth-Bruder betreibt in Gnas übrigens auch noch die Familientrafik. „Zeit des Umbruchs“ Saubermacher-CEO Horst Pirker, einst Medienzampano bei Styria und Red Bull, über die Zukunft der Branche.INDUSTRIEMAGAZIN: Styria, Red Bull und jetzt der Entsorger Saubermacher. Worin liegt Ihre aktuelle Herausforderung?Horst Pirker: Die Styria war, wenn Sie so wollen, das Kapitel Medien und Menschen. Bei Red Bull ging es um den Eros der Marke. Bei Saubermacher, einem Unternehmen, das wie Red Bull sehr stark von der Persönlichkeit des Gründers geprägt ist, bin ich auf eine ganz andere Art und Weise gefordert. Da geht es ganz klar um Unternehmertum, um Betriebswirtschaft.Weil die Zeiten schlechter werden?Pirker: Nein, weil die Branche gerade einen Paradigmenwechsel erlebt. Es ist eine Zeit des Umbruchs. Wir werden vom Entsorger immer mehr zum Rohstoffbewirtschafter. Wer da nicht mitmacht oder mitmachen kann, bekommt Schwierigkeiten. Das frühere Entsorger-Kerngeschäft wird vielleicht noch das Morgen finanzieren, aber nicht mehr das Übermorgen bezahlen.Deshalb sprechen Sie oft von neuen Geschäftsfeldern, die Saubermacher braucht. In welche Richtung soll es gehen?Pirker: In ungefähr einem Jahr kann ich Ihnen das Konzept ganz detailliert präsentieren. Vorerst nur so viel: Es wird ein neues Geschäftsfeld im Umweltbereich sein, das aber keine Verbindung zu bestehenden Geschäftsfeldern hat.