Manager-Autotest : Privattermin: Christian Rosner und der Mercedes SLS AMG

Rosner
© Waldner

Was macht man mit so einem Gerät? 571 PS aus acht Zylindern, 1600 Kilogramm – ein Leistungs/Gewichts-Verhältnis wie ein Tourenwagen. Man sucht jemanden, der mit einem schnellen Boliden umzugehen versteht und ihn ohne letalen Schaden an seine Grenzen bringt. Soll das nicht nur in der Eigenwahrnehmung zutreffen, dünnen sich die Reihen der potenziellen Testfahrer ganz schnell aus. Stehen blieben dabei Christian Rosner. Der ehemalige S&T-Vorstand fuhr bis 2000 in der GTP-Klasse, später Rallye und brachte es in diesem erwerbslosen Hobby vor zwei Jahren zum Staatsmeister bei der Castrol Historic Rallye. Das klingt nach Weisswandreifen und gemütlicher Landschaftsbeschau, wird aber zum Beispiel mit einem ausgeräumten Porsche mit 250 PS und 1040 Kilo Eigengewicht gefahren. „Ich kann mich für alles was Räder hat und mit Bewegung zu tun hat begeistern“, sagt der 53 jährige Manager. Zeit zum Motocrossfahren, Mountainbiken und surfen hat er derzeit. Nach sieben Jahren Expansionsarbeit hat er im Juli sein Mandat als Vorstandschef beim IT-Dienstleister S&T zurückgelegt. Als er kam, machte das Unternehmen 160 Millionen Euro Umsatz, als er ging über 400, im besten Jahr 2008 sogar über 500. Rosners Job macht nun Thomas Streimelweger. Der als durchaus komplexer Charakter bekannte Firmen-Mitgründer lebte - wie man hört - scheinbar seine Rolle als „aktiver Aufsichtsrat“ mit etwas übetriebener Verve aus. Nach einem ausgiebigen Urlaub berät Rosner derzeit einen russischen und einen österreischischen Konzern und prüft Optionen. „Es gibt derart viele interessante Projekte, ich merke schon wieder, wie mir die Zeit ausgeht“, sagt der umtriebige Manager. Gewöhnungsbedürftig. Zum Glück haben wir Rosner gerade noch in der richtigen Lebensphase getroffen. Der SLS entzückt Passanten mit seinen Flügeltüren, für seine Passagiere ist der Einstieg gewöhnungsbedürftig. Der praktische Nutzen der Andersartigkeit entzieht sich uns zwar, aber – darin sind wir uns einig - der Effekt ist wirkungsvoll. Sind die Türen erst einmal geschlossen, bietet sich dem Fahrer Vertrautes: ein übersichtliches Cockpit, das an ein Flugzeug erinnern soll, präzise gearbeitetes Leder. Rosner justiert den Sitz sorgfältig, und es geht los. Wird er nicht gefordert, gibt sich der SLS wie ein gewöhnliches Serienauto. Lediglich die Tatsache, dass im Stadtgebiet mehr als 2000 Umdrehungen Drehzahl nur durch sinnloses Fahren im ersten Gang erziehlbar sind, deutet darauf hin, in einem Supersportwagen zu sitzen. Auf verkehrsarmen, gewundenen Nebenstraßen rund um Baden lässt Rosner den Boliden dann abheben. „Der Sound ist unglaublich, ich glaube, sogar da steckt viel Entwicklungsaufwand drinnen“, lacht er. Übertragen wird die brachiale Kraft des 6,3-Liter-Achtzylinders über ein neues 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Mit der automatischen Gangwahl kann sich Rosner zunächst nicht anfreunden. „Eine Handschaltung ist eben eine Handschaltung. Die Automatik macht immer genau das, was man nicht will“, bemerkt sich Rosner kritisch, als der SLS im Kurvenscheitel einen Gang hinaufschaltet. Später wird er nur mehr die Schaltpadels verwenden und auch der Lernfähigkeit der Elektronik ein besseres Zeugnis ausstellen. „Was wirklich toll funktioniert ist, dass Zurückschalten mit Zwischengas, das könnte man selbst auch nicht besser.“ Ein spontanter Ausflug mit zwei Rädern aufs Bankett dient zur Überprüfung des ESPs. Blitzschnell regelt die Elektronik selbst am Schotter nach, der SLS kommt praktisch nicht aus der Spur. Um adäquater um die Kurven zu ziehen, schaltet Rosner dann das Stabilitätssystem in den Sportmodus – das gibt Freiheit mit Sicherheitsnetz. „Das Fahrwerk ist faszinierend, da gibt es noch große Reserven“ bemerkt er nach einer schnellen Links-Rechts-Kombination. Recht langsam stellt sich ehrliche Begeisterung ein. Selbst bei der Lenkung haben die Ingenieure von AMG ein kleines Wunder vollbracht: „sie ist zwar sehr leichtgängig, aber trotzdem noch direkt und angenehm.“ Hat der spektakuläre Bolide, der bei Mercedes als Meisterstück gehandelt wird, auch Schwächen in der Fahrdynamik? Er hat, wenngleich sie nicht alltagsrelevant sind. „Die Bremsen passen nicht zum Auto“, sagt der Manager, „sie funktionieren zwar, sind aber zu weich und völlig überdämpft.“ Kein Mangel, der sich nicht über eine Position in der Aufpreisliste beheben ließe. Der Preis von 220.000 Euro in der Grundausstattung scheint übrigens nicht prohibitiv zu sein. Mercedes Benz hat sein Verkaufsziel von 50 abgesetzten Stück schon vor deutlich übertroffen. „Ich hätte nicht das Herz, soviel Geld für ein Auto auszugeben“, sagt Rosner, „wenngleich der Wagen fantastisch ist.“ Und doch ein Elektrofahrzeug. Eher beiläufig stellt Rosner die Frage nach dem Verbrauch – keine Eigenschaft, die in dieser Fahrzeugklasse eine große Rolle spielt. Der Achtzylinder saugt im Schnitt 13,2 Liter auf 100 Kilometer an. „Für diese Leistung ein toller Wert“, befindet Rosner, „man würde eher mit 17 Litern rechnen“. Und weil die CO2-Diskussion selbst diese Klasse erreicht hat, testete Mercedes schon einen einen SLS mit Elektroantrieb. Der SLS e-cell fuhr stromgetrieben bei der Silvretta Class mit. Freilich nur als Prototyp – bis er in einer Garage stehen kann, werden noch ein paar Jahre vergehen. Und dann wird er wohl den Strom der ganzen Nachbarschaft verbrauchen. Hans F. Zangerl Der Mercedes SLS AMG Das zweitürige Coupé ist das Spitzenmodell von Mercedes. Zur Gänze von der Tuning-Tochter AMG entwickelt, lehnt er an den legendären 300 SLS aus den fünfziger Jahren. Im aktuellen Modell steckt ein V8-Benzinmotor, der 571 PS leistet. Der Gesamtpreis des Testwagens betrug 227.000 Euro.