Public Private Partnership : PPP-Streitgespräch: „Magistratsbeamte sind nie innovativ“

INDUSTRIEMAGAZIN: Ein oft geäußerter Einwand gegen das PPP-Modell ist die Monopolstellung, die den Unternehmen darin eingeräumt wird. Herr Roth, als Entsorger haben Sie in Österreich sieben recht große PPP-Projekte mit Kommunen laufen: Von Villach bis Mödling, Sie haben dort das Monopol auf die Hausmüllentsorgung. Fühlen Sie sich angesprochen? Hans Roth: In den Verdacht, man wolle nur den größtmöglichen Nutzen generieren, wenn man mit Gemeinden kooperiert, kommt man schnell. Aber mein Geschäftsmodell ist das Miteinander. Ich bin schon sehr früh den Weg gegangen, mit Kommunen in diesem Bereich gemeinsame Gesellschaften zu errichten. Ein Anteil am Unternehmen gibt den Kommunen die Möglichkeit, die Oberhoheit über die Entsorgung zu behalten und trotzdem von der Flexibilität und Effizienz, die wir als Private haben, zu profitieren. Werner Kogler: Und von der Innovation. Das ist ein wichtiger Punkt, der für private Beteiligung spricht. Weil der Magistratsbeamte, der innoviert in der Regel nicht. Von Ihnen, Herr Kogler, hätten wir diesen Hinweis eigentlich nicht erwartet. Ist es nicht in der Praxis eher so, dass bei vielen PPP-Projekten der Magistratsbeamte gar nicht kontrollieren kann, weil er einfach nicht in der Lage ist, die oft sehr komplizierten Verträge zu verstehen? Kogler: Ja, das gibt’s auch. Da gäbe es von Wien einige Schmankerln zu erzählen, was die alles nicht verstanden und trotzdem unterschrieben haben. Die Kontrollfrage ist sicher ein eigener wichtiger Punkt. Es ist aber nichts Unlösbares. Man kann ja in Verträge durchaus Kontroll- und Selbstimmunisierungselemente einbauen. Aber – und dafür haben Sie mich ja dem Herrn Roth gegenübergesetzt – unabhängig von der Kontrolle: Es gibt einfach Bereiche, die sich für PPP weniger eignen als andere. Ich sehe kein Problem darin, wenn bei der Abholung von Abfall und bei der Verwertung Private aktiv werden. Im Gegenteil: Wenn es darum geht, den Anteil dessen, was am Ende deponiert werden muss, durch Verwertung zu senken, ist die öffentliche Hand auf die Innovationskraft von Privaten geradezu angewiesen. Ganz anders ist das im Bereich der Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern, insbesondere, wenn diese leitungsgebunden sind ... ... etwa der Wasserversorgung – einer Debatte, die erst vor kurzem durch EUPrivatisierungspläne hochgekocht ist. Kogler: Ja. Wenn die Wasserversorgung an Private vergeben wird, dann schafft man tatsächlich Monopole. Daher bin ich dafür, solche Versorgungsdienste bei der öffentlichen Hand zu belassen, im Sinne der Effizienz aber die Kontrolle innerhalb der öffentlichen Hand zu verbessern. Herr Roth, Wasser ist nicht Ihr Geschäft. Aber grundsätzlich: Würden Sie gerne die Wiener Hochquellwasserleitung und ihre steirischen Quellen käuflich erwerben? Roth: (Lacht.) Das ist in der Tat nicht mein Kerngeschäft. Und: Wasser gehört zur Daseinsvorsorge, da hat der Abgeordnete Kogler recht. Ich würde hier aber trotzdem etwas differenzieren. In Österreich haben wir glücklicherweise Wasser in einer Qualität, die keine Aufbereitung zum Trinkwasser notwendig macht. Dort wo das nötig ist, kann ich mir aber schon PPPs vorstellen. Die Anlagen, die Leitung verbleiben dann bei der öffentlichen Hand, die Aufbereitung macht ein Privater. Und die öffentliche Hand behält die Kontrolle, weil sie in einer Gesellschaft, die zu diesem Zweck eingerichtet wird, 50 oder 51 Prozent hält. Das würde doch Sinn machen. Woran scheitern solche Pläne dann? Roth: Einerseits natürlich am politischen Widerstand. Einer verkürzten Überschrift „Ausverkauf unseres Wassers“ ist mit rationalen Argumenten nicht beizukommen. Leider ist es aber auch so, dass PPPs oft nicht nur durch politische Vorbehalte blockiert werden, sondern auch durch bestehende öffentliche Strukturen, in denen es Leute gibt, die Interesse haben, dass alles beim Alten bleibt. Kogler: Ja, klar. Oft ist der Stadtamtsdirektor mächtiger als die ganze Stadtregierung zusammen genommen. Roth: Das haben jetzt Sie gesagt. Aber es kann tatsächlich so sein. Und das ist ein Grund, warum PPPs manchmal in der Anbahnung scheitern. Weil man sie einfach von der öffentlichen Seite nicht will. Ein anderer Grund ist, dass behauptet wird, wegen PPPs würden den Kommunen Einnahmen entgehen. Das stimmt so nicht. Bei unseren PPPs sieht die Vereinbarung so aus, dass wir für eine bestimmte Leistung einen bestimmten Betrag an die Kommune verrechnen. Die Gemeinde hat durchaus die Möglichkeit, eine Art Steuereffekt zu kreieren, indem sie etwas auf unseren Preis aufschlägt und höhere Gebühren verlangt. Aber wechseln wir mal die Seiten: Viele Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren die Finger an PPP-Projekten verbrannt und haben nun Vorbehalte, weil sie die Nähe der PPPs zur Politik fürchten. Roth: Bis vor einem Jahr hätte ich gesagt: Solange der Private gut arbeitet, wird man ja hoffentlich nichts dagegen haben. Die Entwicklung in Ungarn hat aber sehr deutlich gezeigt, dass politische Rahmenbedingungen sich auch in Europa sehr schnell ändern können. Ungarn hat ja vor einiger Zeit beschlossen, dass das Entsorgungsgeschäft nur von Unternehmen betrieben werden kann, an denen die öffentliche Hand die Mehrheit hat. Das ist bei unseren PPPs ohnehin der Fall. Jetzt kommt aber der nächste Clou: Man will uns in diesen PPPs nun auch das Stimm- recht wegnehmen. Und da wird es dann wirklich schwierig. Österreich ist aber nicht Ungarn ... Roth: Ja, aber vielen Unternehmen fällt es auch schon schwer, in PPP-Strukturen zu gehen, wo sie dann 49 oder 50 Prozent der Stimmrechte haben, weil dann die Sorge besteht, im Fall eines Falles überstimmt oder blockiert zu werden. Wir haben uns dafür entschieden, in solche Konstruktionen einzusteigen, weil meine Philosophie ist, dass es bei PPPs um einen gemeinsamen Nutzen geht und nicht um Überstimmen oder Blockieren. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Verträge, die wir mit Kommunen machen, ganz exakt sind. Ich bin nicht einer, der absichtlich vergisst, etwas in einen Vertrag hineinzuschreiben, weil er hofft, dass er dann nachverrechnen kann. Apropos Nachverrechnung. Immer häufiger sind es Finanznöte – und nicht mangelndes technisches oder InnovationsKnowhow –, die Kommunen in Public Private Partnerships treiben. Kogler: Ja das ist ein Trend, den ich auch beobachte und der mir Kopfzerbrechen bereitet. Ich denke nämlich, dass wenn eine breite demokratische Mehrheit dafür ist, eine bestimmte Dienstleistung öffentlich zu organisieren, das in einem der reichsten Länder der Welt auch finanzierbar sein sollte. Dann muss man eben auch über Dinge wie Steuer- und Abgabenquoten sprechen. Das einmal ganz grundsätzlich. Was aber, wenn dem nicht so ist? Kogler: Gut, gehen wir davon aus, dass eine öffentliche Hand tatsächlich so klamm ist, dass sie eine notwendige Leistung wirklich nicht erbringen kann. Dann frage ich mich aber, ob es nicht besser ist, gleich zu hundert Prozent an einen Privaten zu übertragen. Passt es nicht, kann man bei der nächsten Ausschreibung einen anderen Anbieter wählen. Das ist unter Umständen einfacher als PPPs einzugehen, die wegen ihrer eigentumsrechtlichen Verschränkungen auch nicht mehr so leicht auflösbar sind. Abgesehen davon haben PPPs, insbesondere bei Großprojekten, die Tendenz, dass mögliche Verluste sozialisiert, also beim Öffentlichen belassen werden, die Gewinne aber beim Privaten bleiben. Welche Projekte meinen Sie da konkret? Kogler: Aus meiner Tätigkeit als Vorsitzender im Rechnungshofausschuss kann ich da viele Beispiele aufzählen. Bei den beiden bisher größten österreichischen PPP-Projekten, dem Ausbau der A5 und dem Cargo Center Graz, kommt der Rechnungshof zum Beispiel zum Schluss, dass die Vorteile für die Republik nicht nachvollziehbar sind. Bei der A5 werden überdies sehr hohe Beraterhonorare und zu hohe Ablösekosten für landwirtschaftliche Flächen kritisiert. Beim Cargo Center Graz wird festgestellt, dass die öffentliche Hand das überwiegende finanzielle Risiko getragen hat. Ähnliches gilt für den Klima-Wind-Kanal der Rail Tec im Arsenal. Privatisieren Sie Gewinne – und sozialisieren Verluste, Herr Roth? Roth: Unsere PPP-Vereinbarungen mit Gemeinden sind so ausgestaltet, dass etwaige Verluste gemeinsam getragen werden. Aber ich weiß, es gibt Modelle, wo das anders ist, und dann sind das die Dinge, die man in der Zeitung liest. Ich habe als Unternehmer natürlich nichts dagegen, wenn Aufgaben zu hundert Prozent an Private übertragen werden. Aber man soll die PPPs nicht schlechtreden: Sie bieten die Möglichkeit, Private auch dort einzubinden, wo eine volle Ausgliederung aus politischen oder ideologischen oder sonst welchen Gründen nicht möglich oder erwünscht ist. Für Kommunen haben PPPs außerdem gerade in Zeiten von Finanzknappheit den Vorteil, dass im Rahmen von PPPs das Geschäftsfeld erweitert werden kann. Als wir in Villach unsere PPP-Partnerschaft mit der Stadt begonnen haben, war das zu hundert Prozent Entsorgung von Haushaltsabfall. Inzwischen liegt der Anteil bei vierzig Prozent, der Rest sind Geschäfte, die wir zusätzlich am freien Markt erkämpft haben, wie zum Beispiel Event-Betreuung. Das kann eine Gemeinde allein nicht machen. Aber sie profitiert davon, weil der Umsatz in der PPP-Gesellschaft steigt.