Automobilindustrie : Peter Hartz: Arbeitsmarktpolitischer Visionär in Deutschland
Anfangs stand der Name Peter Hartz in Deutschland für Visionen, dann für Sozialumbau und schließlich für die VW-Schmiergeldaffäre. Mehrfach hat der Arbeitersohn und Ex-Manager, der am Dienstag 75 Jahre alt wird, in seinem Leben Geschichte geschrieben - vor allem durch die nach ihm benannten Arbeitsmarktreformen aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts.
Seither ist der Diplom-Betriebswirt für viele zur Reizfigur geworden: Sein Name wurde zum Inbegriff für einen tiefgreifenden Umbau des Sozialstaats - oder, wie Kritiker sagen, für dessen schrittweise Abschaffung.
Die nach Hartz benannten großangelegten Arbeitsmarktreformen unter der bis 2005 amtierenden rot-grünen Bundesregierung sollten eine Radikalkur gegen Arbeitslosigkeit werden. Die ersten Gesetze zur Umsetzung des Hartz-Konzepts traten bereits Anfang 2003 in Kraft, beispielsweise die Regelungen zu Mini-Jobs und den sogenannten Ich-AGs. Später folgten die Gesetze Hartz I bis Hartz IV und damit verbunden auch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.
Dass Peter Hartz bei der Ausarbeitung des Gesamt-Reformpakets eine maßgebliche Rolle zukam, lag letztlich an seinem Ruf als Vordenker. Der im Saarland geborene Sohn eines Hüttenarbeiters hatte nach der mittleren Reife Industriekaufmann gelernt, auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur gemacht und Betriebswirtschaft studiert. Bereits 1976 wurde er Arbeitsdirektor in der Stahlindustrie im Saarland.
1993 holte ihn der damalige VW-Vorstandschef Ferdinand Piëch als Personalvorstand nach Wolfsburg. In seinem neuen Job bei Volkswagen schuf das IG-Metall-Mitglied Hartz zusammen mit Piëch ein innovatives Teilzeitmodell, das Massenentlassungen vermied. Piëch lobte Hartz regelmäßig als "unseren besten Mann", der bald auch noch konzernintern die Abteilung für "Regierungsbeziehungen" übernahm.
Damals verfügte Hartz bereits über beste Kontakte zum späteren Kanzler Gerhard Schröder (SPD), der seinerzeit noch niedersächsischer Ministerpräsident war und damit Aufsichtsrat bei VW. Als Schröder 1998 Kanzler wurde, konnte er sich auf Hartz verlassen: Das VW-Modellprojekt 5.000 mal 5.000, die Schaffung neuer Industriearbeitsplätze an deutschen Standorten zu einem Einheitslohn von 5.000 Mark, erfolgte vor Schröders Wiederwahl als Bundeskanzler.
Schließlich tat Hartz seinem Duzfreund Schröder den Gefallen, den Vorsitz einer unabhängigen 15-köpfigen Regierungskommission zu übernehmen, die 2002 ihre weitreichenden Empfehlungen zum Abbau der Arbeitslosigkeit vorlegte. Fortan stand er als Berater des Kanzlers im Scheinwerferlicht. Zwar hagelte es Kritik von Gegnern der Reformen, doch der tiefe Fall des Peter Hartz in den darauffolgenden Jahren hatte keine politischen Gründe.
Es war die Affäre um Lustreisen von VW-Betriebsräten, die Hartz im Sommer 2005 zum Rücktritt als Personalvorstand des Autobauers zwang. Wenige Wochen später nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den damals 64-Jährigen wegen Begünstigung und Untreue auf. Es folgte ein für Hartz peinlicher Prozess vor dem Braunschweiger Landgericht, der im Jänner 2007 mit einem Schuldspruch des einstigen Spitzenmanagers endete. Hartz erhielt zwei Jahre auf Bewährung und musste 576.000 Euro zahlen.
Nach seinem Rücktritt als VW-Personalvorstand zog sich der einstige Kanzler-Berater ins heimische Saarland zurück, um sich der von ihm gegründeten Stiftung SHS Foundation zu widmen und neue Konzepte gegen Arbeitslosigkeit zu entwickeln - beispielsweise Projekte für Langzeitarbeitslose und gegen Jugendarbeitslosigkeit in Europa.
Auf die Frage, warum ihm das Thema Arbeit so am Herzen liege, antwortete Hartz Ende 2014 der Zeitung "Die Welt", er komme aus einem Arbeiterhaushalt und habe später während des Strukturwandels im Saarland den Abbau vieler Arbeitsplätze miterlebt. "Beides hat meine gesellschaftspolitische Einstellung geformt", sagte Hartz. "Diejenigen, die wissen, wie ein Problem zu lösen ist, müssen sich auch engagieren."
(Von Richard Heister /AFP/APA/red)