Infrastruktur : Österreichs Gaswirtschaft: Haushalte komplett mit "grünem" Gas versorgen

35 Terawattstunden Strom aus Wasserkraft, Wind und Photovoltaik müssten in Österreich zusätzlich erzeugt wenden, um im Jahr 2030 den Strombedarf rein rechnerisch zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu decken - ohne Gaskraftwerke zur Sicherung der Netzstabilität und Gas als langfristiger Speicher wird das nicht gehen, sagt die Gaswirtschaft.

Riesige Ausbaupotenziale - mit den richtigen Speichern

Das Ausbaupotenzial bei Wasserkraft liege bei 6 bis 8 TWh, sagt Peter Weinelt, Obmann des Fachverbands Gas- und Wärme und stv. Generaldirektor der Wiener Stadtwerke. Die Windkraftproduktion müsste zur Erreichung des angepeilten Ziels vervierfacht werden, die Stromerzeugung aus Photovoltaik auf das Vierzehnfache steigen. Das dafür notwendige Investitionsvolumen wird auf mindestens 50 Mrd. Euro geschätzt.

Das Problem dabei sei, dass Verbrauch und Erzeugung nicht zusammenpassen, sagte Weinelt bei einem Pressegespräch in Wien. Der Großteil des erneuerbaren Stroms in Österreich werde im Frühjahr und Sommer erzeugt. Laufwasserkraftwerke würden im Sommer doppelt so viel Energie erzeugen wie im Winter, Solarstrom werde zu 70 Prozent im Sommer erzeugt. Pumpspeicher seien aber nicht dazu geeignet, diese Strommengen langfristig zu speichern, sondern nur für den Tagesausgleich.

"Grünes Gas" als idealer Speicher

Hier komme "grünes Gas" als idealer Langfrist-Speicher in Spiel, sagte Weinelt. "Wir kommen ja historisch aus der fossilen Ecke", aber als Fachverband erforsche man schon lange, welchen Beitrag man zur Energiewende leisten könne. So habe eine Studie der Linzer Kepler-Universität gezeigt, dass es in Österreich ein Potenzial von rund 2 Milliarden Kubikmetern an grünem Gas gebe - genug, um im Jahr 2050 den gesamten Gas-Heizbedarf damit zu decken. Insgesamt - also die Industrie eingeschlossen - würden in Österreich derzeit rund 8 Mrd. Kubikmeter Gas pro Jahr verbraucht.

Künftig könnte man Sonnen- und Windenergie in Form von Wasserstoff vom Sommer in den Winter bringen, sagte Markus Mitteregger, Chef der EVN-Tochter RAG (Rohöl-Aufsuchungs AG), die den Großteil der österreichischen Gasspeicher betreibt. "Die Infrastruktur dafür ist bereits vorhanden und kann auch für grünes Gas genützt werden." Die natürlichen österreichischen Gasspeicher könnten mehr Gas aufnehmen als in hier in einem Jahr verbraucht werde, das österreichische Gasnetz sei mehr als 43.000 Kilometer lang.

Gasspeicher als "Batterien des Landes"

"Dem Gasrohr auf der Straße ist völlig egal, was dort durchfließt - Gas aus Russland, Norwegen, synthetisches Gas, Biogas - man kann also auf bestehender Infrastruktur aufbauen", sagte Weinelt.

So habe das in Wien ab Mitte des 19. Jahrhunderts etwa hundert Jahre lang verwendete Stadtgas zur Hälfte aus Wasserstoff bestanden. Auch für die Gasthermen in den Wohnungen sei das großteils egal. Gasspeicher seien die "Batterien des Landes" und hätten mit 93 TWh etwa 30 Mal so viel Speicherkapazität wie Pumpspeicherkraftwerke. Die in dem Zusammenhang oft genannten Batterien von Elektroautos würden vergleichsweise kaum ins Gewicht fallen: Eine Million E-Autos hätten zusammen eine Speicherkapazität von 0,05 TWh.

Große Versuche der RAG

Die RAG habe bereits getestet, dass aus Wind- oder Sonnenstrom erzeugter Wasserstoff mit einem Anteil von 10 Prozent problemlos in normalen Erdgasspeichern gelagert werden könne, sagte Mitteregger. Das nächste Entwicklungsziel sei, Gaslagerstätten zu 100 Prozent mit Wasserstoff zu befüllen. Allerdings gehe bei der Erzeugung von Wasserstoff mit Hilfe von Strom rund ein Fünftel der Energie verloren.

Von der Politik verlangt die Gaswirtschaft die Schaffung der entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen, alle erneuerbaren Energieträger müssten gleich behandelt werden, so Weinelt, dann würde sich der Einsatz von Wasserstoff auch wirtschaftlich rechnen.

So müsste etwa Gas als Auto- und Lkw-Treibstoff stärker gefördert werden - derzeit sei bei der Verwendung von Erdgas als Treibstoff die Erdgasabgabe zu bezahlen und LNG (Flüssigerdgas) werde mit der Mineralölsteuer belastet. "In Deutschland und Italien wird das massiv gefördert. Wenn wir nicht rasch reagieren, werden sie alle durch Österreich durchfahren, nur tanken werden sie hier nicht", sagte Weinelt. (apa/red)