Erdgas : Nord Stream 2: Berlin wirft USA Eingriff in Suveränität vor

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Neue Sanktionsdrohungen der USA gegen den Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 haben in Deutschland scharfe Kritik und Empörung hervorgerufen. Die deutsche Regierung erklärte, sie lehne extraterritoriale Sanktionen ab, da diese "völkerrechtswidrig" seien. Die deutsche Wirtschaft verurteilte die Drohungen als "unfassbaren Tiefpunkt in den transatlantischen Beziehungen".

"Die US-Regierung missachtet das Recht und die Souveränität Europas, selbst zu entscheiden wo und wie wir unsere Energie beziehen", teilte Außenminister Heiko Maas am Donnerstag mit. "Die europäische Energiepolitik wird in Europa gemacht und nicht in Washington. Extraterritoriale Sanktionen lehnen wir klar ab", so der Minister. Man habe der US-Seite mehrfach deutlich gemacht, wie die deutsche und europäische Sicht auf das Pipeline-Projekt sei. Zudem bräuchte man eigentlich einen amerikanisch-europäischen Schulterschluss bei Sanktionen gegen Russland. "Dieses Bemühen wird durch die heutige US-Entscheidung noch schwieriger", sagte der Außenminister.

US-Außenminister Mike Pompeo hatte am Mittwoch angekündigt, die umstrittene Ostsee-Pipeline, die Gas von Russland nach Deutschland transportieren soll, werde nun unter ein Gesetz aus dem Jahr 2017 fallen. Dieses ermöglicht Strafmaßnahmen unter anderem gegen Unternehmen, die Geschäfte mit Russland, aber auch Staaten wie dem Iran und Nordkorea machen.

Die deutsche Bundesregierung bekräftigte ihre Ablehnung extraterritorialer Sanktionen. "Das ist die klare Haltung der Bundesregierung", erklärte das Wirtschaftsministerium. Die Aussagen von US-Außenminister Pompeo seien "zur Kenntnis genommen" worden.

Scharfe Worte kamen aus der deutschen Wirtschaft. "Quasi über Nacht und ohne Konsultationen mit europäischen Verbündeten" seien bestehende Ausnahmeregelungen gekippt und rund 120 Unternehmen aus zwölf europäischen Ländern "unmittelbar mit US-Sanktionen bedroht", kritisierte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses, Oliver Hermes. Nun seien bereits umgesetzte Investitionen in Höhe von zwölf Mrd. Euro gefährdet.

Zudem müssten alle europäischen Gasverbraucher mit jährlichen Mehrkosten von bis zu vier Mrd. Euro rechnen, da der "beispiellose amerikanische Eingriff in die europäische Energiesouveränität" zu einer Verknappung des Angebots und damit zu überhöhten Preisen führen werde.

"Die USA treten damit den freien und fairen Wettbewerb mit Füßen und nutzen Sanktionen ohne Hemmungen zur Durchsetzung eigener Wirtschaftsinteressen", erklärte Hermes. Die EU müsse "in gebotener Schärfe auf diesen Erpressungsversuch" reagieren. Zudem sei ein "wirksamer Schutzschirm für zu Unrecht von US-Sanktionen betroffene europäische Unternehmen" nötig.

Unter Pompeos Vorgänger Rex Tillerson war Nord Stream 2 von dem Gesetz ausgenommen worden, weil der Bau der Pipeline bereits begonnen hatte. Pompeo kündigte nun an, die Richtlinien zum Gesetz so anzupassen, dass die Pipeline ebenfalls betroffen ist. Damit könnte eine größere Bandbreite von Unternehmen von Strafmaßnahmen betroffen sein. Konkrete Sanktionen wurden aber noch nicht verhängt.

Nord Stream 2, bei deren Mitfinanzierung auch die österreichische OMV mitmacht, soll Gas von Russland nach Deutschland transportieren und ist besonders auch in Osteuropa umstritten. Befürchtet wird vor allem eine Schwächung alternativer Pipelines und traditioneller Transitländer, etwa der Ukraine. Auch den USA ist das Projekt ein Dorn im Auge. Die US-Regierung argumentiert, Europa begebe sich in eine Energie-Abhängigkeit von Russland.

Die USA hatten bereits in der Vergangenheit versucht, eine Fertigstellung von Nord Stream 2 mit Sanktionen zu verhindern. Die Ende 2019 von Präsident Donald Trump in Kraft gesetzten Sanktionen richteten sich gegen die Betreiber von Verlegeschiffen, die am Bau beteiligt sind. Der Bau der Pipeline musste deswegen unterbrochen werden. Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte sich aber optimistisch, dass das Projekt Anfang 2021 mit einigen Monaten Verzögerung fertiggestellt werden könne. (afp/reuters/apa/red)