Werksschließung : Mystery Closing bei Zumtobel

Ende September war Dornbirn in Aufregung. Mehr als 100 Ausländer hatten die Grenze ins Rheintal überschritten, um zu demonstrieren. Nach drei Stunden war der Zauber vorbei, die Versammlung in Auflösung. Die offensichtlichen Rädelsführer waren inzwischen als vazierende Funktionäre der deutschen Gewerkschaft IG Metall identifiziert, und die Teilnehmer entpuppten sich als Belegschaft des Zumtobel-Werkes im hessischen Usingen - allesamt rückreisewillig.

Großreinemachen

Die Demonstration am 20. September sollte das Licht auf einen in Österreich wenig beachteten Vorgang lenken: Die Zumtobel-Gruppe schließt einen ihrer Standorte. Denn Zumtobel-Chef Ulrich Schumacher baut den börsenotierten Leuchtkonzern mit Nachdruck um. Schumacher, der zur Jahrtausendwende bei Infineon noch den Partykönig der New Economy gab, fährt seit dem Vorjahr ein Programm, das die Gruppe für Aktionäre attraktiver machen soll. Werkstilllegungen sind dabei für ihn ein probates Mittel. So wurden zuletzt die Werke in Landskrona (Schweden), Ennenda (Schweiz) und Tianjin (China) geschlossen bzw. jene in Innsbruck und Auckland (Neuseeland) wurden verkauft.

Keine Chance

Werkschließungen zählen zu den Alltäglichkeiten der Wirtschaftsberichterstattung. Das Aus für den Standort Usingen hat aber eine Besonderheit: Im Sommer gab es mehrwöchige Verhandlungen mit dem Lustenauer Investor Thomas Lorünser, der den Standort weiterführen wollte. Er hatte bereits 2013 die Ledon Lamp GmbH (22 Mitarbeiter) von der Zumtobel Gruppe übernommen. Der 50-Jährige zeigte sich zu Beginn der Verhandlungen am 8. Juli zuversichtlich, "mit dieser Mannschaft sehr viel bewegen zu können".

Die Hoffnung der Usinger Belegschaft war berechtigt. Zumindest für die meisten von ihnen sollte es unter neuer Flagge weitergehen. Am 28. August schien das positive Ende nur mehr eine Frage der Zeit: Am 29. August verkündete Zumtobel überraschend den Abbruch der Gespräche. Seither ist das Schicksal der 137 Jobs im strukturschwachen Taunus besiegelt. Über die Gründe des Scheiterns wird von den Beteiligten geschwiegen. Es sei ein umfassendes Stillschweigeabkommen geschlossen worden, wie Zumtobel und Lorünser unisono bei jeder Anfrage herunterbeten. Die Mitarbeiter wissen bis heute nicht, wieso der letzte Strohhalm von Zumtobel geknickt wurde.

Beteiligungspartner von Zumtobel

Thomas Lorünser schwört, dass sein Engagement für Usingen "kein Ablenkungsmanöver" gewesen sei. Er versichert in einem Schreiben an das INDUSTRIEMAGAZIN, dass "meinerseits die Verhandlungen höchst seriös und zielorientiert geführt wurden". Nach dem Scheitern der Verhandlungen erklärte er nur, dass neben den verschiedenen Auffassungen hinsichtlich des Businessplans auch eine ungeklärte rechtliche Frage sowie das Ausbleiben wichtiger schriftlicher Garantien und Zusagen zum Scheitern der Verhandlungen geführt hätten. Mehr könne er nicht sagen, und verweist – wie auch Zumtobel – auf das "Stillschweigeabkommen". Seine Unterordnung unter die Schumachersche Trappistentaktik lässt sich am leichtesten über sein Naheverhältnis zur Zumtobel-Gruppe erklären. Der 52-Prozent-Eigentümer und Geldgeber des Start ups Angelbird, bei dem Lorünser Geschäftsführer und Acht-Prozenteigner ist, ist Fritz Zumtobel, Stifter der Asterix Privatstiftung. Die Asterix Privatstiftung hält 9,56 Prozent der Zumtobel Gruppe. Für Lorünser wäre es fatal, als Kleinunternehmer seine privilegierte Stellung in der innovationsgetriebenen Licht- und Leuchtenbranche aufs Spiel zu setzen.

Foulspiel

An dem Tag, an dem der Großteil der Mitarbeiter auf dem Weg nach Dornbirn zur angekündigten Demonstration war, fuhren vor dem Werk in Usingen sechs große Miet-LKW vor. Sie sollten ohne Aufsehen Waren und Maschinen aus dem Werk abziehen. Die Usingen-Belegschaft hatte sich allerdings der Taktik ihrer Noch-Arbeitgeber angepasst. 30 Streikposten hinderten die Transporteure, das Werksgelände zu betreten. Nur unter Polizeischutz gelang es, die produzierten Güter aufzuladen. Die Maschinen mussten bleiben. Aber nur bis auf weiteres.