Digitalisierung : Mit kleinen Schritten viel erreichen

Digital transformation, Concept of digitization of business processes and modern technology
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„Unsere Mitarbeiter:innen sollen bestmögliche Arbeitsbedingungen vorfinden“, sagt Maria Beham, Senior Expert HR Digitalization bei dem zur Greiner Gruppe gehörenden Schaumstoffspezialisten NEVEON. „Die Digitalisierung ist eine Möglichkeit, die wir nutzen können, um das zu erreichen.“ Seit rund zwei Jahren, erzählt sie, stehe die HR-Abteilung von NEVEON vor Herausforderungen, die in dieser Form neu sind.

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„Wir sehen uns einer schwierigen Mischung aus Personalmangel, anstehenden Pensionierungen und Kostendruck ausgesetzt“, sagt Beham. „Unter diesen Umständen ist es für das Unternehmen noch wichtiger als sonst, für Mitarbeiter:innen attraktiv zu sein.“

Maria Beham
Maria Beham, Senior Expert HR Digitalization bei NEVEON: „Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter:innen sich nicht als Passagiere ihrer Karriere fühlen. Wir wollen sie in den Fahrersitz ihrer Karriere bringen." - © NEVEON

Positive Erfahrungen dank Digitalisierung

Digitalisierung kann dabei eine große Stütze sein. Vom Recruiting über Onboarding, Talentemanagement bis zum Offboarding kann sie die Prozesse im Unternehmen verbessern und so für positive Impulse sorgen.

Bei einem Unternehmen, das wie die Greiner Gruppe über 120 Standorte verfügt, an denen etwa 18 unterschiedliche Sprachen gesprochen werden, ist Digitalisierung aber auch deshalb zentral, weil nur so gewährleistet werden kann, dass die für die mitarbeiterbezogenen Prozesse nötigen Systeme sowie Vorlagen, Schriftstücke und Dokumentationen an allen Standorten in möglichst vielen Sprachen einheitlich und in hoher Qualität vorliegen.

Die Vorteile, die sich durch Digitalisierung in der HR erreichen lassen, gehen aber viel weiter. „Immer mehr Unternehmen praktizieren heute Skills-Based-Recruiting“, sagt Anna Nowshad, Partnerin bei Deloitte Österreich und Leiterin der Bereiche Future of Work, Workforce Transformation Change Management. „Geht es darum, die Skills der einzelnen Mitarbeiter:innen mit den in einem Unternehmen gerade anstehenden Aufgaben möglichst gut zu verknüpfen, können Digitalisierung und Einsatz Künstlicher Intelligenz eine große Hilfe sein.“

Anna Nowshad
Anna Nowshad, Partnerin bei Deloitte: „Oft wollen Unternehmen bei Digitalisierungsvorhaben zu viel zu schnell erreichen und übersehen dabei, dass die Voraussetzungen in der Belegschaft sehr unterschiedlich sind." - © Deloitte/ feelimage

Mitarbeiter:innen zu Gestaltern ihrer Karriere machen

Bei NEVEON geht die Entwicklung sehr stark in diese Richtung. Das Unternehmen plant im Zuge der Digitalisierung nicht nur die Skills der einzelnen Mitarbeiter:innen zu erfassen, sondern auch vorzuleben, dass diese Skills ein Erfolgsfaktor sein können: „Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter:innen sich nicht als Passagiere ihrer Karriere fühlen. Wir wollen sie in den Fahrersitz ihrer Karriere bringen“, sagt Maria Beham. Deshalb sei es wichtig, neben der Erhebung der Skills auch Karriereschritte zu definieren, die möglich sind: „Die Mitarbeiter:innen müssen wissen, was ihnen ihre Skills im Unternehmen nützen können.“

Vielfach, sagt Beham, bedeutet Digitalisierung aber auch etwas sehr Grundlegendes. „Um Digitalisierung zu ermöglichen, braucht es zunächst die entsprechende Infrastruktur. Deshalb besteht ein Zwischenschritt, den wir im Rahmen unserer Digitalisierungsstrategie definiert haben, darin, alle Produktionsmitarbeiter:innen an das E-Mail-System anzuschließen und für sie im Shop-Floor Shared Workstations einzurichten.“ Das ermögliche dann auch weitere Aktivitäten wie etwa die Zurverfügungstellung von Lernmaterialien.

Digitalisierung ist nicht immer hochkomplex

„Wenn von Digitalisierung am Shop-Floor gesprochen wird, dann kann das einerseits hochkomplexe Maschinensteuerungen betreffen, andererseits aber auch sehr alltägliche Dinge wie eben den Zugang aller Mitarbeitenden – egal ob Angestellte:r oder Arbeiter:in – zur Firmen-IT“, bestätigt die Deloitte Partnerin Anna Nowshad.

Deloitte Beraterin Nowshad steuert noch ein weiteres Beispiel bei. „Wir haben an einem unserer Standorte versucht die Arbeitsabläufe in der Produktion zu verbessern indem wir auf Monitore setzten, die den Arbeiter:innen wichtige Maschinendaten zur Verfügung stellten.“ Der Erfolg der Maßnahme, erzählt sie, war allerdings nicht überzeugend. „Wir haben erkannt, dass der Grund für die Schwierigkeiten an dem Standort gar nicht fehlende Daten waren, sondern der Lärm, der die Kommunikation behinderte.“ Seit die Mitarbeiter:innen mit Headsets ausgestattet sind, ist die Effektivität massiv gestiegen.

Langsam ist oft besser

Feinheiten wie diese, sagt Maria Beham von NEVEON, sind für den Erfolg von Digitalisierungsprojekten ebenso wichtig wie eine bedachte Wahl des Tempos: „Oft wollen Unternehmen zu viel zu schnell erreichen und übersehen dabei, dass die Voraussetzungen in der Belegschaft sehr unterschiedlich sind. Während manche Mitarbeiter:innen sehr IT-affin sind gibt es auch solche, die bildlich gesprochen noch nie eine Computermaus in der Hand hatten.“

Gelöst werden, findet Nowshad, kann dieser Zwiespalt vor allem mit zwei Maßnahmen: Einerseits mit einem rollenden Zugang, bei dem Schritt für Schritt und nicht mit einem Paukenschlag das gesamte Unternehmen digitalisiert wird, und andererseits mit Anleihen aus der Consumerwelt. „Fast alle Mitarbeiter:innen nützen heute Smartphones. Wenn es gelingt, bei Business-Anwendungen eine ähnlich innovative User Experience zu erreichen, dann ist das ein riesiger Pluspunkt“, sagt Nowshad. „Denn dann fällt es den Mitarbeiter:innen leicht, Skills und Kompetenzen, die sie sich im Privatleben angeeignet haben, in die Berufswelt zu transferieren.“

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