Felsners Faktencheck : Michael Spindelegger im Münchhausen-Test

Felsners Faktencheck
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Lieber Herr Spindelegger,

Sie behaupten, unsere Pensionen wären sicher. Die seit 2003 beschlossenen Rentenreformen würden eine nachhaltige Finanzierung des Pensionssystems sicherstellen.

Ich gebe Ihnen bedingt Recht, dass die beschlossenen Reformen die Finanzierbarkeit des Systems zumindest verlängern. Wozu wir aber völlig unterschiedliche Interpretationen haben, ist der Begriff „sicher“. Zur Klarstellung habe ich im Duden nachgeschlagen. Hier wird „sicher“ u. a. mit der Bedeutung „zuverlässig“ und „ohne jeden Zweifel bestehend oder eintretend“ umschrieben.

Sie und Ihre Vorgänger haben mir seit meinen Berufseintritt im Jahr 1993 eine sichere Pension versprochen. 2003, 2005 und 2012 wurden Rentenreformen umgesetzt. Diese waren naturgemäß mit Einschnitten verbunden. Mir wurde allerdings versichert, dass die Neuerungen schwerpunktmäßig nur für die jüngere Generation gelten, meine ursprünglich versprochenen Altleistungen im Wesentlichen aufrecht bleiben.

Wenn ich jetzt meine voraussichtliche Pension nach der Rechtslage, die mir bis 2003 versprochen wurde, mit jener von 2014 vergleiche, ist von meinen zugesicherten Altansprüchen de facto nichts mehr übrig. Meine sichere „alte“ Rente ist – mit den exakt gleichen Bemessungsgrundlagen/Einkünften – um 45,28 % (!!!) höher als mein derzeitiger Anspruch. Obwohl ich jetzt um 2 Jahre länger auf meine Pension warten muss, daher 2 Jahre länger Beiträge zahle und diese auch noch höher sind.

Lieber Herr Spindelegger, stellen Sie sich vor, Sie haben ein Baugrundstück. Rund um dieses stehen bereits viele Häuser. Alle gleich vom selben Bauunternehmen errichtet, und alle haben EUR 400.000,- gekostet. Auch Sie einigen sich mit der Baufirma auf die Errichtung eines solchen Hauses zum gleichen Preis mit einem Fixtermin. Kurze Zeit später kommt der Chef der Baufirma mit unangenehmen Nachrichten. Die Häuser wurden früher etwas zu günstig gebaut, deshalb müsste es Preisanpassungen geben. Aber schwerpunktmäßig nicht für Sie als „Stammkunde“, sondern für die Menschen, die noch keinen Bauauftrag unterschrieben haben. 2 Jahre nach vereinbarter Fertigstellung erhalten Sie dann aus heiterem Himmel eine – wie in meinem Fall – um 45,28 % erhöhte Rechnung über EUR 581.104,- statt EUR 400.000,-. Damit haben Sie die Zeche gezahlt für alle, die vor Ihnen offenbar zu günstig bedient wurden.

Ich verlange keine höhere Pension von Ihnen. Und ich weiß, dass selbst mein exorbitant verminderter Anspruch schwer zu finanzieren sein wird. Ich verlange einen konstruktiven und offenen Dialog mit der pensionierten und der arbeitenden Generation. Wie soll ein Pensionist verstehen, dass zur Budgetkonsolidierung seine Rente heuer erstmals um 1 % unter der Inflationsrate aufgewertet werden musste, wenn er nicht weiß, wie stark die arbeitende Generation zur Finanzierung dieser Ansprüche blutet? Rechnen Sie ihm meine Einbußen vor, ich denke, das Verständnis wäre ein anderes. Und geben Sie der aktiven Generation eine Chance, sich auf deutlich geringere Pensionen einzustellen und Vorkehrungen zu treffen. Denn sicher ist nach den letzten Rentenreformen nur, dass die Pensionen viel geringer als früher ausfallen werden.

Ronald Felsner ist Geschäftsführer der 4 sales development KG, Lehrbeauftragter an der Donauuniversität Krems und Trainer für die Finanzbranche mit Schwerpunkt gesetzliche Sozialversicherung.

www.sales-development.at