Kommentar : Klaus Woltron: Zurück in Lamentanien

Klaus Woltron
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Das innere Auge stellt, verklärt, die Heimat der Fremde gegenüber: Verdorrte Ebenen dort - schneebedeckte Berge da, Megacities versus unberührte Natur, Smog und Gestank gegenüber sauberer Luft; kristallklare Gewässer, bevölkert von der munteren Forelle...... Der Wolferl Mozart und der Walzerkönig tauchen auf vor dem inneren Auge, Burenhäuteln und Erdäpfelgulasch, Steffl, Schneeberg und die Bienen im Garten: Schwarmzeit ist! Österreich in fast allen Statistiken voran, die Krise souverän gemeistert, Friede, Sozialpartnerschaft, kein Terror, ein paar Gauner, muss ja auch sein, mir wer´n kann Richter brauchen...Schön ist´s, wieder heimzukommen. Vom sprichwörtlichen Wahn umfächelt, greift man selig lächelnd zur österreichischen Zeitung. Angesichts der ersten Seiten ist es vorbei mit den Blütenträumen. Die bekannten Konterfeis, das übliche kleinmotorische Gezänk, das unerträgliche, immer wieder neu aufgekochte Schmuddelmenü: Lamento in allen Tonlagen. Herzergreifende Auslassungen über das Heraufdämmern der endgültigen Herrschaft des finsteren Kapitals oder zerstörerischer linker Kräfte, den Zusammenbruch des Energiesystems und die Verarmung durch die perfide Gestion der EU - Randstaaten. Unmittelbar droht - je nach Blattlinie - die Destabilisation des Systems durch ungebremste Zuwanderung oder menschenverachtende Xenophobie reaktionärer Kräfte. Eine hinter den Hellas - Irland - Spanien - und Italien - Stützungen lauernde Hyperinflation verwandelt unseren knisternden Euro in schlappe Lappen. Korruption hat das Staatswesen ergriffen, die Priesterschaft ist durch Fleischeslust und Knabenliebe vom Wege des Herrn abgekommen. Zu allem Überfluss ist Österreich ein schäumender Quell des Kohlendioxids, das unsere ehemals linden Lüfte in einen Strudel von Wirbelwinden verwandelt, was wiederum Lech, Gastein und Ischgl dauernd ergrünen und zu palmenbestandenen Sommerfrischen mutieren lässt. Vermittels Wissenschaftsbeilage erfährt man als Kontrast, dass die Klimawandel - Drohung eine Chimäre der internationalen Umweltschutz - Mafia sei. Durch solcherart Lamenti auf den Wiedereintritt in die Atmo - Psycho - und Soziosphäre der linden Heimat vorbereitet, wird erst einmal verhofft (weidmännischer Fachausdruck) und innegehalten. Hatten wir das alles nicht schon, in unterschiedlichstem Gewande? Kam es letztendlich nicht alles immer ganz anders, sowohl im Guten als auch im Bösen? Wie viele düstere Voraussagen trafen nie ein, während ganz andere Missstände - manchmal auch unerwartet Ersprießliches - an ihre Stelle traten? Wie oft war man veranlasst, sich zu Tode zu ärgern, den Lärm des Tages, die Rückschau in die Vergangenheit und die Eventualitäten der Zukunft gleichzeitig bedenkend? Was hilft der Ärger über all das von selbstgerechten NGO´s, zerebral masturbierenden Think - Tanks, missgelaunten Journalisten, daueraufgeregten Oppositionspolitikern und alten Tanten bis zum Überdruss Wiedergekäute, in zahllosen Artikeln und Büchern Beschworene, wenn der Einzelne aktiv nichts tun kann als mental Löcher in die eigene rosige Leber zu ätzen? Jeder kann und soll an seinem Platz ein Atömchen beitragen - aber nicht mehr. Das gilt auch für die angeblich Großen, arme atemlose Teufel im Joch. Der große Wasserfall prasselt ungerührt auf uns alle herunter.