Interview : "Kärnten ist ein klassisches Industrieland"

Welche Probleme der Kärntner Industrie nehmen Sie als Landeshauptmann besonders intensiv wahr?

Peter Kaiser Es gibt nicht nur Beschwerden. Das liegt auch daran, dass wir in Kärnten seit 2013 regelmäßig Regierungssitzungen mit den Sozialpartnern abhalten und auch zu Vorstandssitzungen Einladungen erhalten. Das ist ein Unikat in Europa und hat den Vorteil, dass wir permanent in Kontakt sind und uns dabei mit den Thematiken auseinandersetzen. Es gibt natürlich immer wieder kritische Hinweise, wo wir versuchen, Verbesserungen zu machen. Eine der neuesten: Mit 1.1.2019 kommt eine Wirtschafts- und Industrie-Ombudsstelle nach Kärnten, was auch dazu führen sollte, dass Unzulänglichkeiten, wenn es welche gibt, in entsprechender Schnelligkeit behandelt und bearbeitet werden. Die zweite damit zusammenhängende Aufgabenstellung ist, dass wir unser Image zu schärfen haben, wie Kärnten außerhalb des Bundeslandes wahrgenommen wird. Man bezeichnet uns immer als Tourismusland, was ja erfreulich und richtig ist, aber die Wertschöpfung im Tourismus beträgt je nach Saison zwischen 16 und 18 Prozent, die durch die Industrie hingegen zwischen 54 und 56 Prozent. Das heißt: Wir sind eigentlich ein klassisches Industrieland.

Infineon wird 1,6 Milliarden Euro in eine neue Leistungshalbleiterfabrik investieren. Sie haben das als „regelrechten Turbo-Boost für Kärnten“ bezeichnet.

Kaiser Das wird mit den Wertschöpfungsketten und Zulieferbetrieben Auswirkungen auf ganz Kärnten haben. Wir wachsen mit diesem Projekt mit und haben eine eigene Task-Force innerhalb der Regierung eingerichtet, gemeinsam mit der Stadt Villach, damit wir jederzeit auch die notwendigen administrativen behördlichen Schritte setzen. Wir arbeiten zudem an einem verbesserten Standortmarketing und haben ein Welcome-Center installiert, das individuelle Hilfe bei Arbeitssuche respektive Wohnung, Bildung, Kinderbetreuungseinrichtungen etc. bietet.

Das Land hat 2018 unter das Leitthema „Digitales Jahr“ gestellt, um Kärnten so noch deutlicher als Wirtschafts-, Forschungs- und Technologiestandort zu positionieren. Es gibt auch Stimmen, man solle sich bei der Digitalisierung, z. B. beim Breitbandausbau, zuallererst auf den Zentralraum konzentrieren. Ist das auch die Politik des Landes?

Kaiser Nein, wir haben über unser Breitband-Büro Einzelverträge mit den drei großen Telekommunikationsunternehmen abgeschlossen, damit die Investitionen nicht nur dort erfolgen, wo sie rasch gewinnversprechend erscheinen, sondern auch in den anderen Regionen Kärntens vorgenommen werden. In diesem und im kommenden Jahr werden wir insgesamt rund 60 Millionen Euro investieren.

Überhaupt: Welche Maßnahmen sind für die Regionen außerhalb des Zentralraums in der Pipeline?

Kaiser Entscheidende Infrastrukturprojekte sind der Koralmtunnel – da hatten wir vor wenigen Wochen den Durchschlag –, die zweite Röhre für den Karawankentunnel und das Logistic Center Austria South in Fürnitz. Es hat die gute Chance, in Zusammenarbeit mit den oberitalienischen Häfen, aber dann auch mit der Koralmbahn, zu einem Umschlagplatz zu werden. Das Positive dabei ist, dass die Schiene als hauptsächliches Transportmittel gesehen wird und damit haben wir auch im Sinne der Klimaschutzziele und Umweltfreundlichkeit positive Akzente zu setzen. Hier ist ein Potenzial für Wachstum vorhanden, das natürlich auch der Industrie zugutekommt.

Die Industrie proklamiert „Das Technologieland im Süden Österreichs” als ihre Vision von Kärnten 2030. Verschränken sich damit die Initiativen und Maßnahmen der Landesregierung?

Kaiser Wir haben unser neues Regierungsprogramm vor der Präsentation mit den Sozialpartnern abgestimmt. Es gibt allerdings einen Punkt, in dem wir nicht übereinstimmen, das ist die Fachhochschulstrategie. Die Industrie möchte sie auf einen Standort konzentrieren. Der Fachhochschulbereich hat natürlich auch auf gesellschaftspolitische Veränderungen zu reagieren. Ein Bereich, der ganz wesentlich ist, ist jener der sozialen Arbeit. Wir werden alle älter und Krankheitsbilder, Belastungen, die im Alter mitentstehen, wirken auch auf die Angehörigen und das Umfeld. Dem muss man mit neuen Berufsbildern entgegnen. Daher glaube ich, dass es zwar richtig ist, die technischen Fachhochschulbereiche möglichst zu fokussieren, aber parallel dazu auch in anderen Fächern Entwicklungen zu begleiten. In Feldkirchen bieten wir diese Studien an, auch berufsbegleitend. Der Standort ist mit über 90 Prozent ausgelastet, die Hochschulsozialisation in Feldkirchen wirkt sich aus. Es wäre ein grober Verlust und ein Schritt zurück, den Standort aufzugeben.

Kärnten leidet unter dem Braindrain. Mit welchem Konzept steuern Sie dagegen?

Kaiser Wir haben es mit einem Paradoxon zu tun: Einerseits fordert man mehr Mobilität von den Bürgerinnen und Bürgern ein, zugleich beklagt man sich darüber. Beides geht nicht, wir können ja kein Ausreiseverbot für alle 18-Jährigen verhängen! Es gibt Studien, wonach etwa die Hälfte unserer jungen Leute nach einigen Jahren bereit ist, nach dem Studium nach Kärnten zurückzukehren. Dieses Potenzial müssen wir heben. Es braucht ein Bündel an Maßnahmen, die Attraktivität Kärntens als Studien- und Arbeitsort insgesamt zu stärken. Im Rahmen der FTI-Strategie für Forschung, Technologie und Innovation des Landes wollen wir ein eigenes Exzellenz-Studium in Kooperation von Infineon mit der FH Villach installieren – für Elektronik- und Elektrotechnik, in englischer Sprache. Ein USP, der auch europaweit Magnetwirkung haben soll. Das ist für mich das Leuchtturmprojekt, an dem man beweisen kann: nicht der eigenen Jugend die Mobilität zu untersagen, sondern andere Jugendliche anzusprechen nach Kärnten zu kommen. Da haben wir Bedarf. Ich glaube, dass das ein richtiges Signal ist, noch internationaler zu werden.

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