Inkassomarkt : Jäger des verlorenen Schatzes

Johannes Eibl weiß, wovon er spricht, wenn er beim Eintreiben von Forderungen auf den Zeitfaktor hinweist. Er ist der Geschäftsführer der KSV 1870 Forderungsmanagement GmbH, dem Inkassounternehmen der KSV-Gruppe: "Hartnäckig hält sich in vielen Buchhaltungsabteilungen die Meinung, man müsse einen vorgegebenen Mahnlauf von der ersten bis zur dritten Stufe einhalten. Aber das ist ein Irrglaube", erklärt Eibl. Unternehmen lassen sich, so Eibl, viel zu viel Zeit, um ihr Recht auf Bezahlung geltend zu machen: "Wir empfehlen nach der Fälligkeit ein Erinnerungsschreiben in höflichem Ton und mit einer kurzen Frist von maximal zwei Wochen. Wenn diese verstreicht, eine letzte Mahnung mit noch einmal vierzehn Tagen. Einen Monat nach Überfälligkeit sollte man externe Schritte setzen.“
Dann ist die Forderung noch "frisch", der Schuldner kann sich daran erinnern, hat noch eine emotionale Nähe zum Kauf. Und je länger man zuwartet, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass man nicht der Einzige mit einer überfälligen Forderung bei diesem Schuldner ist. „Wer am besten organisiert ist, wird vor den anderen bezahlt“, bringt es Eibl auf den Punkt.
Die österreichischen Inkassounternehmen bearbeiten jährlich 1,2 Millionen Inkassofälle, ein Forderungsvolumen von rund 500 Millionen Euro. Zusätzlich werden etwa 50 Prozent dieser Summe direkt an Rechtsanwälte zur Betreibung weitergereicht. Die Struktur des Marktes ist sehr kleinteilig. 92 Prozent der Inkassobüros haben weniger als 10 Mitarbeiter, nur eine Handvoll Unternehmen erreichen eine kritische Größe. Auf die KSV 1870 Forderungsmanagement GmbH entfällt ein Forderungsvolumen von 200 Millionen Euro pro Jahr.
Von den erwähnten 500 Millionen Euro gelingt es den Inkassounternehmen, 300 bis 350 Millionen Euro zurückzuholen. Im außergerichtlichen Prozess treiben Inkassobüros rund 50 bis 60 Prozent der Forderungen ein, zehn Prozent kommen im gerichtlichen Weg hinzu. "Das eine ist das Eintreiben und das andere ist das Erledigen", erklärt Eibl. Während die Eintreibungsquote bei 60 bis 70 Prozent liegt, kann man eine Erledigungsquote von 80 Prozent vorweisen. Die Differenz erklärt sich mit Forderungsverzichten. "Manchmal ist die Bonität einfach zu schlecht und man muss einen Vergleich suchen", so Eibl.
Die Dienstleistung seines Inkassounternehmens beschreibt Eibl folgendermaßen: „Sie dürfen erwarten, dass wir innerhalb von 24 Stunden einen Erstkontakt mit dem Schuldner herstellen – in Form einer Mahnung." Anschließend wird in einem sieben- bis achtwöchigen Prozess der Schuldner mehrfach kontaktiert, schriftlich und telefonisch. Am Ende steht eine Bewertung der Forderung hinsichtlich ihrer Einbringlichkeit und eine Einschätzung, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hat. "Nach diesen sieben Wochen sind rund 80 Prozent der Fälle erledigt. Das heißt, es gibt eine Vollzahlung, eine Ratenvereinbarung oder einen Vergleich. 20 Prozent gehen in die gerichtliche Betreibung“, erklärt Eibl.
Diese Dienstleistung wird sowohl durch den Schuldner als auch durch den Gläubiger bezahlt. Der Gläubiger tritt seine Verzugszinsen ab und der Schuldner bezahlt Mahngebühren. Ein Erfolgshonorar verrechnet der KSV nicht, das heißt, das rückgeführte Kapital landet zur Gänze am Konto des Gläubigers.
Die Grundsätze für Inkassokosten sind im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), die Höchstsätze für einzelne Leistungen in der Inkassoverordnung des Wirtschaftsministeriums geregelt. Im ABGB heißt es, dass die Kosten "zweckentsprechend und angemessen" sein müssen. Eibl: "Zweckentsprechend heißt, wenn man nach der zweiten oder dritten Mahnung feststellt, dass es keine Aussicht auf Erfolg gibt, darf ein Inkassounternehmen nicht noch weitere Kosten durch neuerliche Mahnungen erzeugen." Mit "angemessen" ist die Relation zwischen Hauptforderung und Gegenforderung gemeint. "Bei ganz kleinen Forderungen, beispielsweise einem Abo, ist das natürlich schwierig, denn unter 50 Euro Kosten für den Schuldner ist ein Inkasso eigentlich nicht darstellbar, selbst wenn man nur einmal mahnt", so Eibl.
Dass die Branche nicht den allerbesten Ruf genießt, ist natürlich auch Eibl bewusst: "Wir sind zwar die bösen Buben, aber trotzdem gut, weil wir dem Gläubiger als Eskalationsmittel dienen, ohne dass man ein Gericht bemühen muss. Wir sind dann gut, wenn der Gläubiger seine Forderung erhält und gleichzeitig den Kunden behält!" Es ist eine Vermittlerrolle, die man zwischen den beiden Parteien einnimmt.
"Unser Job ist es nicht, den Schuldner an die Wand zu stellen und auszusackeln", so Eibl. "Wir versuchen mit dem Schuldner eine Vereinbarung zu treffen, mit der dieser auch zurechtkommt." Alle Tätigkeiten müssen unter dem Blickwinkel des Kunden-Lieferanten-Verhältnisses wahrgenommen werden. Vor allem in wirtschaftlich nicht ganz so rosigen Zeiten sind diese Auswirkungen zu bedenken.
Apropos Wirtschaftskrise: Auf das heimische Zahlungsverhalten hat sich diese nicht ausgewirkt. Zwischen 2009 und 2013 pendelte der jährliche Forderungsverlust bei Österreichs Klein- und Mittelbetrieben zwischen zwei und 2,6 Prozent. Bei den großen Unternehmen liegt dieser Wert regelmäßig deutlich unter einem Prozent. Damit liegt Österreich im europäischen Spitzenfeld, gemeinsam mit den skandinavischen Ländern.
73 Prozent der Firmen- und 82 Prozent der Privatkunden kommen ihren Zahlungsverpflichtungen innerhalb der vereinbarten Frist nach. Die besten Schuldner im Bereich der Firmenkunden sitzen laut KSV-1870-Trendumfrage im Übrigen in Vorarlberg. Am längsten auf sein Geld wartet man bei Firmenkunden aus dem Burgenland.
Inkassounternehmen dürfen nur „unbestrittene“ Forderungen übernehmen, das heißt, Gläubiger und Schuldner sind sich über die Rechtmäßigkeit der Forderung einig. Wird eine Forderung vom Schuldner bestritten, gibt es nur mehr den gerichtlichen Weg. Inkassobüros können nicht dazu verwendet werden, strittige Beträge einzutreiben.
Gibt es eine gerichtliche Entscheidung zu einer offenen Rechnung, spricht man von "betitelten" Forderungen. Ist auch diese uneinbringlich, handelt es sich um eine "dubiose" Forderung. Deren Eintreibung nennt man "Dubioseninkasso". Das macht Sinn nach etwa vier bis fünf Jahren, jene Zeit, die ein zahlungsunfähiger Schuldner braucht, um sich wieder zu erholen. Betitelte Forderungen sind dreißig Jahre vor Verjährung geschützt.
Facts & Figures
Gemäß Mitgliederbefragung des Österreichischen Inkassoverbandes ist vor allem die Bauwirtschaft jene Branche, die am häufigsten Schwierigkeiten bei der Bezahlung von Verbindlichkeiten hat (82 Prozent Nennungen). Es folgen Gastgewerbe, Lebens- und Genussmittel (41 Prozent) und die Textilwirtschaft (29 Prozent). Die häufigsten Auftraggeber von Inkassounternehmen sind im B2C-Bereich Energieversorger, Versicherungen, Versandhändler und Telekommunikationsunternehmen. Im B2B- Segment nutzen vor allem IT- und EDV- Dienstleister Inkassoservices. Etwa ein Drittel der an Inkassounternehmen übergebenen, offenen Forderungen betreffen gewerbliche Schuldner. Zwei Drittel entfallen auf Privatpersonen.