Forum Alpbach : IV-Präsident Kapsch sucht "Menschen mit Mut"

Georg Kapsch sieht dies auf Nachfrage nicht als Kritik an der Regierungsspitze, das "Kollektiv der Bundesregierung hat insgesamt diesen Mut nicht", so Kapsch. Er wies darauf hin, dass der Chef (der Bundeskanzler, Anm.) im Gegensatz etwa zu Deutschland nicht einmal Richtlinienkompetenz habe. "Die Richtlinienkompetenz würde voraussetzen, dass man sie wahrhaben will, und Richtlinie erfordert Richtung", sagte der Industrielle, Ex-SP-Finanzminister und Vorsitzende des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, Hannes Androsch, und meinte: "Wir brauchen ein Mut-Viagra."

"Mut-Viagra"

Für Kapsch fehlt dem Land und ganz Europa eine Vision. Man könne über die 68er-Bewegung denken wie man wolle, aber "das war eine Bewegung, die gesagt hat, wir brauchen etwas grundsätzlich Neues - und das fehlt Europa völlig. Uns ist die Neugierde und der Wille etwas zu bewegen abhanden gekommen, wir sind saturiert und vermeintlich in einem sicheren Hafen", so der IV-Präsident. Nach Ansicht Androschs weiß die Bevölkerung zwar, "dass etwas geschehen muss, aber es darf nichts passieren - wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, wird es nicht spielen, das ist eine Leadership-Frage, das den Leuten zu erklären". Auch Kapsch meinte, dass man den Menschen über Jahrzehnte erklärt habe, der Staat sei für sie da. Man habe ihnen aber nicht klar gemacht, dass sie selbst der Staat seien und die Dinge in die Hand nehmen müssten. "Wir haben die Menschen nie gefordert und gefördert, stattdessen haben wir sie versorgt. Diesen Mind-Set aus einer Bevölkerung wieder rauszubekommen ist nicht einfach", sagte Kapsch.

Arbeitsplätze und Rahmenbedingungen für die Industrie schaffen

Konkret sind nach Ansicht des IV-Chefs Arbeitsplätze notwendig, um den allgemeinen Wohlstand halten zu können und den sozialen Zusammenhalt auf Dauer zu sichern. Dies erreiche man durch entsprechende Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, insbesondere die Industrie, die der Motor der Wirtschaft sei. Dies sehe auch die Bevölkerung so, verwies Kapsch auf eine entsprechende Umfrage. In dieser (repräsentativen GFK-Umfrage aus Mai 2015 mit rund 2.000 Interviews) sagen auch 83 Prozent der Befragten, dass es mehr Förderung für Forschung und Entwicklung geben müsse, was für Kapsch "ein Auftrag an die Regierung ist". Positiv sei, dass mittlerweile drei Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung aufgewendet würden, "die Frage ist, ob die Verteilung richtig ist", so Kapsch. Probleme sieht er etwa bei der notwendigen Internationalisierung der Forschung. So habe etwa die grundsätzlich positive Rot-Weiß-Rot-Card nicht den erhofften Erfolg gezeigt. Dass man etwa PhD-Absolventen zuerst ausbilde und dann nach Hause schicke sei "Vergeudung von Volksvermögen".

Nicht nur Kapsch, auch Androsch ortet in Österreich einen "strangulierenden Bürokratismus", das sei "alles andere als innovations- und investitionsfördernd". Dadurch werde die Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert, die Androsch Bezug nehmend auf das Generalthema des Forum Alpbach auch als "Kennzahl für Ungleichheit" sieht. Als einen nachhaltigen Grund für nachhaltige Ungleichheit bezeichnete er die Bildung. (apa)

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