Internet of things : IoT goes retro

Die Hardwarelösung ist wirklich spartanisch. Und wirkt wie aus dem Zimmer eines technikbegeisterten Jugendlichen gestohlen: ein Raspberry PI Zero Controller mit Kameramodul. Kostenpunkt bei Bezug über das Internet: knapp über 20 Euro. In größeren Mengen gerne auch billiger.

Der Hobby-Bausatz muss auch nicht viel leisten. Von oben herab fotografiert er beim Münchner Oktoberfest jeden Teller und jedes Glas, das die Kellner aus der Küche hinaustragen. Die technologische Revolution steckt in der Software, die die aufgenommenen Bilder auswertet. Sie ist in der Lage, auf jedem Bild nicht nur die Gesichter der Kellner, sondern auch die Speisen und Getränke fehlerfrei zu erkennen. Verknüpft mit dem Kassasystem ergeben sich so überaus aufschlussreiche Erkenntnisse: Zum Beispiel, dass Herr Hubert zwar 312 Maß Bier hinausgetragen, aber leider nur 263 boniert hat.

Was von dem Wiener Start-up Moon-Vision beim letzten Oktoberfest als wirksamer Schutz gegen Betrug durch Angestellte vorgestellt wurde, gilt vielen Beobachtern auch als Zeichen einer neuen IoT-Ära. Denn auch in der Produktion versuchen immer mehr Unternehmen, anstatt in sündteure Spezialkomponenten zu investieren, Software so zu programmieren, dass sie komplexe Aufgaben mithilfe von billiger Hardware von der Stange löst. Dort, wo heute heikle Produktionsprozesse noch mit hochpreisigen Lasergeräten überwacht werden, könnten in Zukunft daher marktübliche Spiegelreflexkameras das Tracking übernehmen.

Simple Mittel - komplexe Lösungen

Dass Überlegungen dieser Art längst mehr sind als Träumereien, zeigt unter anderem Zühlke Engineering. Gleich mehrere Projekte hat das Wiener Unternehmen inzwischen vorzuweisen, bei denen der Gedanke, mit möglichst simplen Mitteln möglichst komplexe Lösungen zu erreichen, Pate stand.

Gemeinsam mit Robart, dem Entwickler einer Hardware-Plattform für Staubsaugerroboter, hat Zühlke zum Beispiel marktübliche Staubsaugerroboter so umprogrammiert, dass sie Räume bei ihren ersten Fahrten scannen und so einen digitalen Plan einer Wohnung oder einer ganzen Gebäudeebene erstellen. Spielt man den Plan auf ein Handy, kann man dann über eine von Zühlke entwickelte App steuern, welche Räume wie oft gereinigt werden sollen.

"Der minimalistische Ansatz ist auch für viele Industrieanwendungen spannend", erzählt der Geschäftsführer von Zühlke, Nikolaus Kawka. Für den Baggerhersteller Liebherr hat Zühlke eine Lösung entwickelt, die es erlaubt, mit sehr geringem Hardware-Aufwand auch alte Modelle in ein digitales Netzwerk einzubinden und damit für Angebote wie Predictive Maintenance oder Fernwartung aufzurüsten. Gerade im Baggergeschäft ein absolut wichtiges Asset: "Schließlich sind diese Bagger extrem langlebig. Da sind noch sehr, sehr viele Modelle im Einsatz, die vor zwanzig oder dreißig Jahren ausgeliefert wurden", sagt Kawka. "Rüstet man sie auf und bindet an ein zentrales Webportal an, kann der Kunde auf die gleichen Daten zugreifen wie bei einem ganz neuen Modell."

Software schlägt Hardware

Damit werden neue Geschäftsmodelle, wie etwa Bagger-as-a-Service und die Abrechnung per gehobener Baggertonne statt dem traditionellen Verkaufsgeschäft durchgehend möglich. "Manchmal braucht es eben gar nicht die beste und neueste Hardware, um zu innovativen Ergebnissen zu kommen. Das Kernstück von Produkten und Services, die im Rahmen der digitalen Transformation entstehen, ist die Software - und das wird häufig von Unternehmen übersehen", sagt Kawka.