Lobbyismus : Hans Jörg Schelling lässt sich von Gazprom engagieren

Bis vor Kurzem noch ÖVP-Politiker und Finanzminister und nun bald für den russischen Energieriesen Gazprom im Einsatz: Hans Jörg Schelling hat laut einem Bericht der "Oberösterreichischen Nachrichten" einen Beratervertrag mit dem Unternehmen für das Pipeline-Projekt Nord Stream 2.

Die Zeitung beruft sich auf mehrere Quellen, darunter Schelling selbst. Schelling bestätigte den "OÖN", dass er einen Beratervertrag habe. Er werde aber über Beziehungen zu Kunden keine Auskunft erteilen und gebe keine Interviews.

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Brisant: Als Finanzminister vertrat Schelling die Republik bei der OMV - die bei Nord Stream 2 an Bord ist

Der Vorgang birgt für Beobachter eine gewisse Brisanz. Schließlich ist an dem Pipelineprojekt auch die heimische, teilstaatliche OMV als Finanzierungspartner beteiligt. Als Finanzminister war Schelling auch Vertreter der Republik Österreich als Mehrheitseigentümer der OMV. In seiner Amtszeit kam auch Rainer Seele als jetziger Konzernchef zur OMV.

Schon während Schellings Amtszeit hatten gemeinsame Besuche in Russland mit Seele und dem langjährigen Magna-Chef Siegfried Wolf in der Branche Aufsehen erregt.

Heikler Zeitpunkt

Das Engagement für Russlands wichtigsten Energiekonzern kommt zu einem außenpolitisch schwierigen Zeitpunkt - hat sich doch gerade eben eine Mehrheit der EU-Staaten, die USA, Australien und die Nato entschlossen, nach dem Giftmord am ehemaligen Agenten Skripal russische Diplomaten auszuweisen.

Die Entscheidung gilt keineswegs nur als Reaktion auf den Vorfall in Großbritannien, sondern als Antwort auf eine ganze Reihe von feindseligen Vorstößen Russlands, darunter den kriegerischen Konflikt in der Ukraine, die Einmischung in Wahlkämpfe in Europa und den USA sowie die Angriffe gegen Europas IT-Netze, hinter denen westliche Dienste Moskau vermuten. Obwohl Geheimdienste zum Fall von Skripal bisher keine Beweise für eine Beteiligung Russlands veröffentlicht haben, sehen es westliche Politiker als erwiesen an, dass Moskau maßgeblich involviert war.

Nord Stream 2: Auf europäischer Ebene massiv umstrittenes Projekt

Die neue Gasleitung von Russland nach Deutschland soll bis Ende 2019 neben eine bereits vorhandenen Trasse gelegt werden. Da das Projekt in der EU sehr umstritten ist, sucht die Kommission seit Monaten eine Handhabe, um mit Russland über den Betrieb zu verhandeln. Im November legte sie Pläne zur Änderung EU-Gasrichtlinie vor.

Polen, die baltischen Staaten und auch Brüssel sind vehement gegen das Vorhaben. Vor allem aus einem Grund: Der russische Staatsmonopolist will nicht nur die Kontrolle über den Bau und den Betrieb der Röhre behalten, sondern auch später bestimmen, wessen Gas durch sie geleitet wird. Kritiker warnen davor, dass die Abhängigkeit der Europäer von Russland nochmals enorm steigen würde. Sie vergleichen den Bau von Nord Stream 2 mit einem Autobauer, der eine Autobahn baut - und später bestimmen will, dass allein seine Autos diese Autobahn nutzen dürfen.

Rainer Seele: Russland war immer ein sehr zuverlässiger Partner

Befürworter wie Rainer Seele dagegen verweisen immer wieder darauf, dass Russland jenseits von Konflikten auf politischer Ebene als Energielieferant seit Jahrzehnten ein zuverlässiger Partner Europas gewesen sei.

Tatsächlich sind die Lieferungen aus Russland stabil - wenn man einmal vom Konflikt Moskaus mit der Ukraine und mehreren "Gaskriegen" absieht, die auch Westeuropa zu spüren bekam.

Für die OMV jedenfalls hat Nord Stream 2 eine "hohe strategische Bedeutung", meinte zuletzt Konzernchef Seele.

(red/apa)

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