Chemische Industrie : Fusion mit Praxair: Linde-Manager Reitzle versucht es mit Charme

Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle versucht im Streit über die geplante Fusion des Gasekonzerns mit dem US-Rivalen Praxair die Wogen zu glätten. "Der Deal ist für die Aktionäre extrem gut, und die Arbeitnehmer bekommen eine Beschäftigungssicherung für fünf Jahre", sagte Reitzle kürzlich der "Süddeutschen Zeitung".

Der Manager, der mit dem Zusammenschluss den weltgrößten Industriegasekonzern schaffen will, war dafür zuletzt ins Kreuzfeuer von Arbeitnehmern und Aktionären geraten.

Mitarbeiter wollen ihre Arbeitsplätze statt befristeter Jobgarantien

Die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat kann Reitzle allerdings bisher nicht auf seine Seite ziehen. "Wir werden dem Deal nach wie vor nicht zustimmen", sagte Aufsichtsratsmitglied und Linde-Betriebsrat Gernot Hahl der Nachrichtenagentur Reuters am Freitagabend. "Wir sehen hier keine Veränderung."

Beschäftigte und Gewerkschaften fürchten um Arbeitsplätze und Mitbestimmungsrechte, wenn Reitzle die 60 Milliarden Euro schwere Transaktion durchsetzt. Die Aktionärsvereinigung DSW befürchtet eine Benachteiligung deutscher Anleger, wenn wie geplant der Konzernsitz ins Ausland und die operative Führung in die USA verlegt werden.

Hauptversammlung am Mittwoch

Auf der Hauptversammlung diesen Mittwoch in München muss sich das Management der Kritik der Aktionäre stellen, die nach Lindes Auffassung nicht über den Plan abstimmen dürfen.

Ende April protestierten Tausende Linde-Mitarbeiter gegen die Fusion. Vor einem Monat hatte Reitzle Öl ins Feuer gegossen, als er ankündigte, den Plan im paritätisch besetzten Aufsichtsrat mit seinem Doppelstimmrecht notfalls auch gegen den geschlossenen Widerstand der Arbeitnehmervertreter durchzuboxen. "Ja, ich bin gewillt, das zu tun", sagte Reitzle der von vielen internationalen Investoren gelesenen "Financial Times".

Den vornehmlich deutschen Lesern der "SZ" erklärte Reitzle nun: "Natürlich wäre es mir lieber, die Zweitstimme vermeiden zu können." Er sei auch "für die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Betrieben", fügte Reitzle hinzu. In einem fusionierten Konzern soll der 68-Jährige den Posten des Verwaltungsratschefs übernehmen, der gewöhnlich mächtiger ist als ein Aufsichtsratschef in deutschen Unternehmen.

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Münchner Staatsanwaltschaft sieht keine Hinweise auf Straftat

An einer anderen Front kann Reitzle aufatmen: Nach der Prüfung des Verdachts auf Insidergeschäfte hat die Münchner Staatsanwaltschaft jetzt einen Schlussstrich gezogen. Auch nach weiteren Prüfungen sehen die Ermittler keinen Anhaltspunkt für eine mögliche Straftat. "Es wird kein Ermittlungsverfahren geben", sagte Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl laut dpa vor wenigen Tagen in München.

Reitzle war im Mai 2016 AR-Chef des Industriegase-Konzerns geworden und hatte im Juni für eine halbe Million Euro Linde-Aktien gekauft. Mitte August bestätigte der Konzern Fusionsverhandlungen mit Praxair, was den Aktienkurs antrieb. Die Finanzaufsicht Bafin durchleuchtete die Vorgänge intensiv und übergab ihren Untersuchungsbericht der Staatsanwaltschaft. Die stellte weitere Nachforschungen an, legte den Vorgang jetzt aber endgültig ad acta. (reuters/apa/red)

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