Wireless Automation : Funkautomation: Zurück zum Start?

Karl-Heinz Rauhs ABB
© Helene Waldner

Auf der Gewinnerstraße. Auf der sieht sich Thomas Schildknecht. Seinen Optimismus? Zieht der Chef der auf Funkautomation spezialisierten Schildknecht AG aus der Funknorm EN 300328. Sie wurde Anfang Juni in Version 1.8.1. vom Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen verabschiedet – und definiert Anforderungen an Funksysteme im 2,4-Gigahertz-Band. Die es in sich haben. Ab Oktober 2015 müssen Funksysteme mit einer Sendeleistung von mehr als zehn Milliwatt ihre Umgebung prüfen. Grund: Fairere Spielregeln bei der Koexistenz mehrerer Funknetze. Aggressive WLAN-Netze – sie schaffen Sendeleistungen von hundert Milliwatt – sollen durch ein „weitreichendes Listen-before-talk“ zurückgedrängt werden. Durch die Prüfung des Übertragungskanals würde sich WLAN im 2,4-Gigahertz-Bereich abhängig von der Funkkanalnutzung „bis ums Zehnfache verlangsamen“, vermutet Schildknecht. Mit seiner Bluetooth-Strategie sieht er sich indes gewappnet: Auch Bluetooth unterliegt der Norm. Doch es wechselt von sich aus „1600-mal pro Sekunde die Frequenz“, so Schildknecht. Ständig werde dabei geprüft, „ob ein Kanal benutzt wird – ein Riesenvorteil“. Unmut Verlierer? Wird es geben. Glaubt zumindest Thomas Schildknecht. Anbieter von Funkautomationslösungen, die nur auf WLAN setzen, „kommen klar ins Hintertreffen“, glaubt er. Schon heute hat die Drahtlosautomation in der Industrie einen schweren Stand. Das musste auch der Industrieautomatisierer ABB erkennen. „Das Geschäft geht schleppend, so ehrlich muss man sein“, erzählt Karl-Heinz Rauhs, Produktmanager bei ABB. Man sehe die Technologie mittlerweile eher „als Add-on“. Weil OEM-Kunden ausblieben. Auch in der Praxis regt sich Unmut. Beim Laakirchener Sondermaschinenbauer Miba Automation setzte es bei der Einführung von Funk gleich eine längere Pleiteserie. Dreimal misslang die Funkautomation – unter anderem bei einer Sondermaschine zur Bearbeitung „sehr großer Teile“. Überlebenskampf Und jetzt Troubles mit der Norm. „Betroffen sind vor allem einkanalige Funkübertragungsverfahren, die schmalbandigen Störungen nur langsam ausweichen“, liefert Reinhard Exel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für integrierte Sensorsysteme der Akademie der Wissenschaften, den technischen Hintergrund. Er hat die Norm studiert. Der Datenaustausch in PROFINET erfolge in Zyklen von bis zu 100 Millisekunden. Hier geht´s weiter

Die dynamische Kanalwahl hätte Folgen: Die verzögerte Zustellung der Daten könnte Echtzeitanwendungen „gefährden“, glaubt er. Die Variante PROFINET übers 2.4-Gigahertz-WLAN dürfte „kaum mehr möglich sein“, glaubt Thomas Schildknecht. Als Ausweg bliebe das 5-Gigahertz-Band. Laut Schildknecht sei es aber nicht „prädestiniert“ für raue Umgebungen mit Stahl und Übertragungsstrecken von 300 Metern. Das Ende von WLAN im 2.4-Gigahertz-Band sieht Forscher Reinhard Exel deshalb aber nicht heraufziehen. Aber die Latenzzeiten unter den neuen Mechanismen würden „leiden“, befürchtet Exel. Frequenzplanung Eine Befürchtung, die Manfred Brandstetter, Head of Industrial Automation Systems bei Siemens Österreich, abtut. „Die Performanceeinbußen sind spekulativ“, sagt er auf die Auswirkungen der Norm befragt. Zudem sei die „Listen-before-talk“-Technologie standardmäßig heute schon in Siemens-Funklösungen „integriert“. Anders als dem öffentlichen Raum würde die Norm Fertigungsbetrieben „keine großartigen Vorteile bringen“, meint Frank Hakemeyer, Wireless-Experte bei Phoenix Contact. Schwarzmalen will er deshalb aber nicht. Bereits umgesetzte Funkprojekte genießen einen Bestandsschutz. Allen anderen empfiehlt Hakemeyer das Koexistenzmanagement – etwa nach VDI/VDE RL 2185. Damit könne man auch weiterhin „echtzeitfähige Anwendungen realisieren“. Wehrhafte Anbieter Der Druck auf Hersteller steigt dennoch. Schon heute ist der (kleine) Markt für Funkautomationslösungen umkämpft. Anbieter wie ABB, Siemens, Phoenix Contact oder Schildknecht rittern um Aufträge – etwa die kabellose Automation von Schweißrobotern. „Hier ist der Nutzen von Funk monetär gut darstellbar“, heißt es bei einem Hersteller. Entsprechend groß ist das Marktgerangel. In PowerPoint-Präsentationen zeigt etwa Schildknecht, was Konkurrenzprodukte alles nicht können. Hinsichtlich Kosten und Übertragungsrate wird darin ein Mitbewerbersystem zerpflückt. „Wir setzen uns nur gegen riesige Marketingbudgets zur Wehr“, so Thomas Schildknecht ungerührt. Schließlich will er auf der Gewinnerstraße fahren. Hier geht´s weiter

Die Etikette gewahrt Automobilisten wie Daimler und BMW schwören in der Produktion auf RFID. Worauf bei der Einführung zu achten ist. Alexander Peterlik gibt sich keine Blöße. Wer bei der Datenidentifizierung auf RFID (Radio-frequency Identification) setzt, der entgeht seinem messerscharfen Auge nicht. Peterlik ist Experte beim Standardisierungspartner GS1. Als solcher weiß er, wo die kleinen Funkchips ankommen – und wo weniger. Überall, wo viele getaggte Kisten auf einmal auszulesen sind, „spielen sie ihre Stärken aus“, erzählt Peterlik. Schwieriger wird es schon bei hochmetallischen Umgebungen. Die Reflexionen sind so groß, dass der Softwareaufwand zur Datenfilterung „immens wird“, so Peterlik. Eindrucksvoll deshalb das Kunststück, das im Mercedes-Werk Rastatt gelang. Metall, wohin das Auge reicht – und trotzdem setzte sich RFID im Prozessabschnitt Oberfläche durch. „Wir realisierten die Lösung nahezu in Plug-&-Play-Manier“, frohlockt Michael Fislage, Produktmanager RFID von Sick. Aufwärtstrend Und auch eine Studie von GS1 Deutschland nährt Zuversicht. „Tags mit den Chips der neuesten Generation eignen sich auch für große Reichweiten“, heißt es darin. Heimische Automobilisten würden auf RFID setzen – „auch im Rohbau“, erzählt Siemens-Industrieautomationsexperte Manfred Brandstetter. Deutlich zweistellige Wachstumsraten im RFID-Geschäft wären ein Beleg für die „wachsende Akzeptanz der Technologie in der Industrie“, so Brandstetter. Die nächste Zündstufe: RFID-Projekte im Maschinenbau. Denn dort kämpft man mit Nachbauten. Die Hersteller denken nur an eins: „Funkchips in den Stahlbau zu integrieren“, erklärt Brandstetter. Aktuelle Daten Es sollte so klappen wie im Daimler-Werk in Rastatt. Dort steuern RFID-Schreib-Lese-Geräte die mit einem Transponder gekennzeichneten Karossen durch Arbeits- und Behandlungsstationen bis in die Endmontage. Eine mächtige Referenz. Doch nicht alles ist eitel Wonne. Eine Studie der WU Wien räumt mit dem Mythos auf, dass passive Ultrahochfrequenz-Tags in den meisten Fällen „als Standardtechnologie“ eingesetzt werden können. Und auch Alexander Peterlik von GS1 weiß von Troubles in der Praxis. Manche RFID-Partner seien für KMU „völlig falsche Partner“, registriert er. Als Generalanbieter würden Sie „zu sehr eigene Produkte pushen“. Sein Tipp: Pflichtenhefte schreiben. Und zwar so, dass „nicht erreichbare Ziele darin festgelegt sind“, rät er. Ein Trick, mit dem man „schwarze Schafe aussortieren kann“, so Peterlik.